Original Ostermann: Glatt ist nicht gleich glücklich
Neulich in Stuttgart: Eine junge Frau Anfang zwanzig zieht ihr Handy raus, zoomt in ein Selfie und murmelt zu ihrer Freundin: „Also die Stirn, da muss was gemacht werden." ...
20.06.2025
Glatt ist nicht gleich glücklich
Neulich in Stuttgart: Eine junge Frau Anfang zwanzig zieht ihr Handy raus, zoomt in ein Selfie und murmelt zu ihrer Freundin: „Also die Stirn, da muss was gemacht werden.“
Willkommen im Zeitalter der glattgebügelten Gesichter, wo die Lachfalte zur Feindin erklärt wird und Lippen nach dem dritten Hyaluron-Shot aussehen wie frisch aufgepumpte Fahrradschläuche.
Und nein, wir reden hier nicht von Hollywood-Diven in ihren Fünfzigern. Wir reden von Anfang zwanzig. Von Haut, die sich noch selbst regeneriert, während man schläft. Instagram filtert unsere Realität, TikTok spült uns mit Glow-up-Videos das Selbstwertgefühl weg, und Influencer erklären ihren 400.000 Followern mit todernster Miene, dass „präventives Botox“ das neue Zähneputzen ist.
Selbstliebe? Klingt in diesen Kreisen wie ein Alt-Hippie-Begriff aus einem Ratgeber in der Bahnhofsbuchhandlung. Dabei liegt genau hier der Denkfehler: Junge Menschen lassen sich behandeln, bevor überhaupt etwas zu behandeln ist – aus Angst vor der Zukunft, vor dem Alter und vor Makeln.
Dabei ist es doch gerade das Unperfekte, was uns interessant macht! Oder habt ihr jemals gesagt: „Boah, die ist ja total spannend – ihre Haut ist so schön emotionslos glatt“? Botox killt nicht nur Falten, sondern auch Charakterzüge. Eine zarte Zornesfalte zeigt, dass wir nachdenken. Ein kleines Grübchen zeigt, dass wir lachen.
Selbstliebe heißt: Wir schauen in den Spiegel und sehen mehr als nur Haut und Lippenvolumen.
Wir sehen eine Geschichte. Uns.
Und das ist tausendmal schöner als jede noch so symmetrische Botox-Vorlage!
Euer Ostermann