Waffenruhe im Sudan brüchig - Noch wenige Deutsche vor Ort
Nach der Evakuierung von Hunderten Menschen aus dem Sudan durch die Bundeswehr ist nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock nur noch «eine sehr, sehr geringe Zahl» an Deutschen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Für diese bestehe die Chance, noch von anderen Nationen ausgeflogen zu werden, sollten sie das Land verlassen wollen, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in Wunstorf bei Hannover. Dort hatten Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die knapp 400 Mitglieder der Bundeswehr nach ihrem Rettungseinsatz in Empfang genommen.
Im Krisenland Sudan gab es trotz einer neuen Waffenruhe auch am Freitag wieder Kämpfe. Augenzeugen berichteten, dass vor allem die Hauptstadt Khartum erneut unter schwerem Beschuss stand. Zuvor war in der Nacht zum Freitag eine zweite, 72 Stunden lange Feuerpause in Kraft getreten.
Im Sudan kämpfen das Militär und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) seit dem 15. April um die Macht. Vertreter beider Gruppen hatten die Führung des nordostafrikanischen Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen.
RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo sagte der BBC, dass er nicht verhandeln werde, solange die Kämpfe nicht beendet seien. Seine Kämpfer würden seit der Verlängerung des dreitägigen Waffenstillstands «unerbittlich» bombardiert. «Wir wollen den Sudan nicht zerstören.» Er sei offen für Gespräche, aber die Bedingung sei, dass der Waffenstillstand halte. «Stellt die Feindseligkeiten ein. Danach können wir Verhandlungen führen.»
Insgesamt kamen bei den Gefechten im Sudan nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 512 Menschen ums Leben, fast 4200 wurden verletzt. Die wahre Zahl der Opfer dürfte aber deutlich höher liegen.
Fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung
Das UN-Nothilfebüro Ocha teilte mit, mehr als 75.000 Menschen seien im Sudan vertrieben worden und es werde erwartet, dass diese Zahl in den kommenden Tagen noch steigen werde. 61 Prozent der Gesundheitseinrichtungen in Khartum seien geschlossen und nur 16 Prozent arbeiteten wie gewohnt, so dass Millionen Menschen keinen Zugang zur medizinischen Versorgung hätten. In den am stärksten betroffenen städtischen Zentren, vor allem in Khartum, würden Wasser, Lebensmittel, Treibstoff und andere wichtige Güter knapp. Die Kosten für den Transport aus den vom Konflikt betroffenen Gebieten seien exponentiell gestiegen. Telekommunikation und Internet seien beeinträchtigt.
Am Donnerstagabend war eine erste 72 Stunden lange Waffenruhe ausgelaufen. Auch diese hielt nur sporadisch. Trotzdem konnten in dieser Zeit Tausende Zivilisten in Nachbarländer fliehen. Mehrere Länder evakuierten ihre Staatsangehörigen und weitere Menschen aus dem Krisenland. Am Donnerstag stimmten die sudanesischen Streitkräfte und die RSF jedoch erstmals Verhandlungen in Juba zu, der Hauptstadt des benachbarten Südsudan.
Schwierige Bedingungen für Bundeswehr
Wegen der Kämpfe hatte die Bundeswehr mehr als 700 Menschen aus dem Sudan ausgeflogen, neben Deutschen auch Menschen aus anderen Ländern. Die Soldatinnen und Soldaten, überwiegend Fallschirmjäger, flogen am Freitag mit vier Flugzeugen vom Typ A400M von Jordanien aus nach Wunstorf bei Hannover. Pistorius sagte vor der Landung, der Einsatz sei ausgezeichnet gelaufen. Das zeige, «dass die Truppe da ist, wenn man sie braucht», so der SPD-Politiker.
Die Bundeswehr hatte von Sonntag bis Mittwoch in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und der Bundespolizei nach eigenen Angaben mehr als 700 Menschen aus mehr als 40 Nationen aus dem umkämpften Sudan ausgeflogen. Darunter waren mehr als 200 Deutsche. Zeitweise waren für den Evakuierungseinsatz etwa 1000 Soldaten tätig. Der Bundestag hatte dem Einsatz der Bundeswehr am Mittwoch nachträglich mit einer ungewöhnlich deutlichen Mehrheit zugestimmt.
Leutnant Konstantin Brabsche, der mit den Feldjägern für die Sicherheitsschleuse am Flugplatz nahe der Hauptstadt Khartum verantwortlich war, sagte nach seiner Rückkehr am Freitagabend, der Rettungseinsatz habe den beteiligten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr viel abverlangt. Die Truppe habe in brütender Hitze unter improvisierten Bedingungen hochkomplex und schnell arbeiten müssen.
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