Kämpfe im Sudan: Die wichtigsten politischen Akteure
Einst waren sie Verbündete. Jetzt sind sie Erzfeinde. Seit rund einer Woche führen De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan und Mohammed «Hemedti» Hamdan Daglo, Anführer der mächtigen Rapid Support Forces (RSF), heftige Kämpfe gegeneinander - so wie sie der Sudan noch nie gesehen hat.
Die demokratische Bewegung des Landes sieht hilflos zu, wie eine Demokratie in immer weitere Ferne rückt. Auch der UN-Beauftragte im Sudan Volker Perthes konnte nicht vermitteln. Ein Überblick über die entscheidenden Akteure.
De-Facto-Präsident und Oberbefehlshaber Abdel Fattah al-Burhan
Internationale Prominenz erreichte er infolge des Sturzes von Langzeitmachthaber Omar al-Baschir im April 2019. Seit seinem Amtsantritt regierte Al-Burhan mit eiserner Härte. Proteste gegen ihn ließ er in Zusammenarbeit mit den RSF teils blutig niederschlagen. Laut Human Rights Watch gipfelte die Gewalt im Juni 2019 im «Massaker von Khartum» bei dem nach offiziellen Angaben mindestens 87 Menschen ums Leben kamen. Beobachter gehen von deutlich mehr Toten aus.
Das sudanesische Volk erstritt sich dennoch eine Machtteilung zwischen Militär und Zivilregierung. 2021 riss Al-Burhan diese in einem erneuten Putsch größtenteils wieder an sich.
Al-Burhan dient schon seit Jahrzehnten in der sudanesischen Armee. Karriere machte er in der seit mehr als 20 Jahren umkämpften Region Darfur im Westsudan. Dort führte Al-Burhan als regionaler Befehlshaber ein erbarmungsloses Regiment gegen rebellierende Minderheiten. «Sowohl Al-Burhan als auch sein Rivale Hemedti sind tief in ethnische Säuberungen in Darfur verwickelt», sagte Ben Hunter, Ostafrika-Analyst der britischen Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft. Bei Amtsantritt 2019 war Al-Burhan Generalinspekteur der Armee.
RSF-Anführer Mohammed «Hemedti» Hamdan Daglo
Mohammed Hamdan Daglo, genannt «Hemedti», ist Al-Burhans politischer Stellvertreter und Anführer der mächtigen RSF. Neben den Streitkräften sind die RSF der größte Militärapparat im Land. Auch Hemedtis Macht hat ihre Wurzeln in der Konfliktregion Darfur. «Hemedti war ein junger aufstrebender Führer einer arabischen Miliz, oft umgangssprachlich Dschandschawid genannt. Die sudanesische Regierung förderte diese Milizen mit Waffen und Ausrüstung zur Aufstandsbekämpfung», sagte Gerrit Kurtz, Sudan-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, einem deutschen Forschungsinstituts für Sicherheitspolitik.
Ab 2013 übernahm Hemedti die Führung der RSF, die sich aus ehemaligen Milizen in Darfur zusammenschlossen. Human Rights Watch macht ihn und seine Miliz für Massenvergewaltigungen und Kriegsverbrechen verantwortlich.
Hemedti gilt Beobachtern jedoch auch als geschickter Opportunist. Seinen Bruch mit Al-Burhan leitete Hemedti bereits vor Monaten ein, als er sich als Verteidiger der demokratischen Kräfte im Land inszenierte. Er beschuldigte Al-Burhan, seine Macht nicht abgeben zu wollen. Auch vor dem Sturz von Diktator Al-Baschir hatte Hemedti rechtzeitig die Seiten gewechselt.
Volker Perthes, UN-Sonderbeauftragter in Sudan
Seit dem Ausbruch der Gewalt im Sudan bemüht sich der UN-Beauftragte Volker Perthes darum, die schmalen Erfolge der Demokratisierung des Sudans am Leben zu erhalten. Als Leiter der UN-Mission im Sudan war der Duisburger seit Februar 2021 internationaler Chefvermittler zwischen den vielen politischen Akteuren auf dem Weg zur Demokratie. In Deutschland war der Politikwissenschaftler als langjähriger Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik bekannt. Zuvor hatte Perthes zudem den UN-Beauftragten in Syrien in leitender Position beraten.
Im Sudan stand Perthes mit Amtsantritt vor einer Herkulesaufgabe. Seit der Machtübernahme 2019 hatten die Generäle kaum Bereitschaft gezeigt, ihre Macht abgeben zu wollen. Dennoch holte Perthes Al-Burhan und Hemedti an den Verhandlungstisch. Ein im Dezember 2022 abgeschlossenes Abkommen zwischen Militär und Teilen der demokratischen Bewegung hätte der Grundstein für einen Wandel sein können. Allerdings hätten RSF und Armee dafür vereinigt werden müssen.
«Die Vereinten Nationen und der Westen haben sich geirrt, als sie glaubten, dass entweder die Armee oder die RSF freiwillig ihre Macht abgeben würden», sagte Ostafrika-Analyst Hunter. Nachdem sich weder Hemedti noch Al-Burhan bislang für ihre Verbrechen hätten verantworten müssen, seien sie sich ihrer Machtposition umso gewisser gewesen.
Ex-Premier Abdalla Hamdok und die demokratische Bewegung
Als das Militär 2019 nach den anhaltenden Protesten im Sudan die Macht teilweise an eine Zivilregierung abgeben musste, galt Abdalla Hamdok gut zwei Jahre als demokratische Hoffnung im Land. Im August 2019 wurde Hamdok Premierminister und galt Experten zufolge als Konsenskandidat der demokratischen Bewegung. Hamdok hatte über Jahrzehnte für internationale Organisationen wie die UN-Wirtschaftskommission für Afrika gearbeitet. Vor allem ließ er sich nie von Diktator Al-Baschir vereinnahmen.
Dem bitterarmen Sudan konnte jedoch auch Hamdok wirtschaftlich nicht wieder auf die Beine helfen. «Hamdok versucht zwar gerade eine neue politische Initiative zur Beendigung des Krieges aufzustellen. In der Politik im Sudan spielt er aber im Grunde keine Rolle mehr», sagt Sudan-Experte Kurtz.
Seit dem Ende von Hamdoks Amtszeit Anfang 2022 zersplitterte die demokratische Bewegung in verschiedene Blöcke. Einige weigerten sich strikt, mit dem Militär zu verhandeln. Nach dem erneuten Putsch forderten Teile der Bewegung eine Strafverfolgung für die Generäle. Ein weiterer Teil nahm Perthes Angebot an, mit Al-Burhan und Hermedti erneut über eine Machtübergabe zu verhandeln. Damit sollte wenigstens die letzte Hoffnung auf eine Demokratisierung erhalten bleiben.
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