Ein Prestigesieg als Warnschuss: DFB-Frauen selbstkritisch
Ein Auswärtssieg beim Vize-Weltmeister ist normalerweise etwas Besonderes. Doch die deutschen Fußballerinnen ließen sich vom bloßen Ergebnis nicht blenden und werteten das 1:0 (0:0) in den Niederlanden als das, was es 108 Tage vor dem WM-Auftaktspiel gegen Marokko war: ein weiterer Warnschuss nach dem enttäuschenden Jahresauftakt beim 0:0 gegen Schweden.
«So ein 1:0 etwas dreckiger zu Ende zu spielen, ist schon auch positiv», sagte Sydney Lohmann, Schützin des Siegtores (53.): «Aber es überwiegen eher die Punkte, an denen wir noch arbeiten müssen. Wir wünschen uns schon mehr von uns. Gegen den Ball stimmt die Einstellung. Aber mit dem Ball ist das zu wenig. Das war heute echt leider sehr enttäuschend. Da muss noch mehr kommen bis zur WM.»
DFB-Torhüterinnen mit starken Leistungen
Die Mittelfeldspielerin vom FC Bayern gestand auch erfrischend offen ein, dass ihr Kopfballtor nicht das Ergebnis einer einstudierten Variante war, sondern schlicht und ergreifend Zufall. «Ich hätte nicht gedacht, dass er durchkommt und bin auch gar nicht hochgesprungen», sagte die 22-Jährige: «Am Ende ist er mir mehr oder weniger auf den Kopf gefallen.»
Doch neben dem Ergebnis und der Selbstkritik gab es noch etwas, was am Ende des Abends in Sittard uneingeschränkt positiv war: die Leistungen der beiden deutschen Torhüterinnen. «Sie haben uns den Hintern gerettet», sagte Kapitän Alexandra Popp über die beiden Spielerinnen des Spiels. Merle Frohms musste nach einer überragenden ersten Halbzeit mit Rückenproblemen raus. Ann-Katrin Berger hielt nach der Pause aber genauso stark. «Das waren zwei sehr gute Leistungen. Aber wir wissen, dass wir da sehr gut besetzt sind», sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Popp drückte es noch deutlicher aus: «Wir müssen uns keine Sorgen machen, wer bei uns zwischen den Pfosten steht.»
Auf die Frage, wie sie den Abend bewerte, sagte die Bundestrainer mit einem leicht gequälten Lächeln: «Mal so, mal so.» Voss-Tecklenburg, die am Montag ihren Vertrag bis zur EM 2025 verlängert hatte, beschönigte nichts. «Ich bin froh, dass uns die Niederländerinnen vor Probleme gestellt haben», sagte sie: «Das sind Spiele, die wir brauchen, denn es wird eine WM, die uns fordern wird. Wir haben schon noch ein paar Themen, an denen wir arbeiten müssen.» Ihr Team brauche zum Beispiel «mehr Passsicherheit. Sonst tut es weh.» Aus dem gesamten Abend müsse ihr Team lernen: «Aber ich habe da keine Sorgen.»
Voss-Tecklenburg mit der Einstellung zufrieden
Und schließlich hatte Voss-Tecklenburg auch durchaus experimentiert. Sie hatte gestandene Spielerinnen wie Popp oder Lina Magull lange auf der Bank gelassen, dazu kamen eine kurzfristige Umstellung kurz vor Anpfiff durch den Ausfall von Nicole Anyomi und die Verletzung von Frohms.
Zumindest die Einstellung stimmte. «Von der Energie, Intensität, Bereitschaften haben wir alles reingeworfen, das andere kommt dazu», sagte Voss-Tecklenburg: «Wir müssen die Balance wieder finden, dass wir konkret unter Druck raus spielen und das diszipliniert umsetzen. Deshalb gibt dieses Spiel viele Aufschlüsse in sehr vielen Bereichen.» Außerdem habe das Team vor der WM «eine viel längere Trainingszeit als vor der EM». Die mit dem Final-Einzug und bundesweiter Aufmerksamkeit ein großer Erfolg war.
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