Baerbock in China: Ukraine und Lage um Taiwan im Mittelpunkt
Kurz vor dem Antrittsbesuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in China hat die Bundesregierung zur Deeskalation im Taiwan-Konflikt aufgerufen. «Wir sind sehr besorgt über die Lage in der Straße von Taiwan», sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. «Von allen Beteiligten in der Region erwarten wir natürlich, dass sie zu Stabilität und Frieden beitragen. Das gilt ebenso für die Volksrepublik China.» Die Sprecherin ergänzte: «Und wir haben den Eindruck, dass Maßnahmen wie militärische Drohgebärden diesem Ziel entgegenstehen und das Risiko unbeabsichtigter militärischer Zusammenstöße vielmehr erhöhen.»
Baerbock wollte am späten Mittwochabend zu einer sechstägigen Reise nach China, Südkorea und Japan aufbrechen. Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, im Mittelpunkt des Antrittsbesuches in China stünden neben den deutsch-chinesischen Beziehungen die Situation in der Straße von Taiwan, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Menschenrechtslage in China und die Eindämmung der Klimakrise.
China hatte am Montagabend ein dreitägiges Großmanöver der Volksbefreiungsarmee in der Nähe der demokratischen Inselrepublik Taiwan offiziell beendet. Peking reagierte mit den Militärübungen auf die Visite von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA und ihre Gespräche mit dem Vorsitzenden des amerikanischen Abgeordnetenhauses, Kevin McCarthy. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet das seit mehr als 70 Jahren unabhängig regierte Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. China versucht, Taiwan international zu isolieren.
Vielleicht schwierigste Mission ihrer Amtszeit
Die Reise dürfte für Baerbock angesichts der Rückendeckung Chinas für den Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine und der Spannungen mit Blick auf Taiwan eine der diplomatisch schwierigsten Missionen ihrer bisherigen Amtszeit werden. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung im Zuge der geplanten Nationalen Sicherheitsstrategie eine Strategie zum Umgang mit China erarbeiten will. Baerbock hatte sich in der Vergangenheit deutlich kritisch gegenüber Peking geäußert. Sie machte aber auch klar, dass es nicht um eine Entkopplung gehe, sondern eher um eine Risikominimierung im Bereich der wirtschaftlichen Abhängigkeit.
Der chinesische Außenamtssprecher Wang Wenbin teilte in Peking mit, Baerbock werde mit Qin Gang die sechste Runde des strategischen Dialogs zwischen beiden Ländern abhalten. Es solle außer über die bilateralen Beziehungen und das Verhältnis mit der Europäischen Union auch um internationale und regionale Krisenherde gehen.
Vergangene Woche hatten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Peking versucht, auf Staats- und Parteichef Xi Jinping einzuwirken, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um zu einer Beendigung des Krieges zu kommen.
Macrons Äußerungen weiter Thema
Baerbock dürfte in China auch auf die umstrittenen Äußerungen Macrons zu Europas Rolle im Taiwan-Konflikt angesprochen werden. Macron hatte nach dem Besuch in Peking gesagt: «Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema Mitläufer sein sollten und uns an den amerikanischen Rhythmus und eine chinesische Überreaktion anpassen sollten.» Europa drohe Vasall zwischen den USA und China zu sein, obwohl man ein dritter Pol sein könne.
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich sagte im ARD-«Morgenmagazin», er erwarte, dass der China-Besuch Baerbocks schwierig werde. Sie wisse, dass sie «mit einer gewissen Skepsis» empfangen werde. Mützenich hält ein konsequentes, aber nicht allzu forsches und lautstarkes Auftreten gegenüber Peking für richtig.
Auch ein wirtschaftspolitisches Thema dürfte Baerbock begleiten. So steht der umstrittene Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Hamburger Container-Terminal ein halbes Jahr nach einer Grundsatzentscheidung der Bundesregierung wieder in Frage. Grund ist, dass das entsprechende Terminal Tollerort inzwischen als kritische Infrastruktur eingestuft wird. Welche Folgen das haben könnte und ob der Deal doch noch vollständig untersagt werden könnte, ist unklar.
Cosco wollte ursprünglich 35 Prozent der Betriebsgesellschaft der Container Terminal Tollerort GmbH übernehmen und das Terminal im Gegenzug zum bevorzugten Umschlagplatz in Europa aufwerten. In der Bundesregierung war jedoch ein heftiger Streit entbrannt über die Frage, ob eine chinesische Beteiligung zugelassen werden soll. Das Kabinett beschloss im Oktober eine sogenannte Teiluntersagung, die nur einen Anteilserwerb von Cosco unter 25 Prozent zulässt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich für den Erwerb ausgesprochen. Das Außenministerium von Baerbock und andere Ressorts hatten aber schwere Bedenken zur Entscheidung des Kabinetts geäußert.
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