Prozess um Kindesentführung gegen Christina Block gestartet
11.07.2025
Am Hamburger Landgericht hat der Prozess gegen die Hamburger Unternehmerin Christina Block (52) und sechs weitere Angeklagte wegen mutmaßlicher Kindesentführung begonnen. Einer der Angeklagten ist Blocks Lebensgefährte, der ehemalige Fernsehmoderator Gerhard Delling (66).
Schon Stunden vor Prozessbeginn warteten erste Journalisten vor dem Landgericht. Block und Delling trafen am Morgen in Begleitung ihrer Anwälte zum Prozess ein. Auch Blocks Ex-Mann und Vater der gemeinsamen Kinder, Stephan Hensel (51), erschien mit seinem Anwalt.
Während Delling, gekleidet im dunklen Anzug ohne Krawatte, sich gleich nach Betreten des Gerichtssaals neben seinen Anwalt setzte, blieb Block in hellblauer Bluse zunächst stehen und unterhielt sich mit ihren beiden Verteidigern. Der Zuschauersaal ist bis auf den letzten Platz besetzt.
Kinder seien in Dänemark in ein Auto gezerrt worden
Der Fall, der bundesweit Schlagzeilen auslöste, lief aus Sicht der Staatsanwaltschaft so ab: In der Silvesternacht 2023/24 lauerten mehrere Männer Hensel und zwei gemeinsamen Kindern von Hensel und Block in Süddänemark auf. Die Täter sollen Hensel zusammengeschlagen und die damals 10 und 13 Jahre alten Kinder in ein Auto gezerrt haben.
Im Laufe der mutmaßlichen Entführung wurde den Kindern nach Angaben der Anklage mit Klebeband der Mund verschlossen, die Tochter an den Händen gefesselt. Der Junge und das Mädchen wurden erst nach Baden-Württemberg gebracht und reisten später mit ihrer Mutter nach Hamburg.
Tochter und Sohn leben beim Vater in Dänemark
Die Tochter von Eugen Block, dem Gründer der Restaurantkette Block House, kämpft seit Jahren um ihre 2010 geborene Tochter und den 2013 geborenen Sohn. Beide Kinder leben seit 2021 bei ihrem Vater in Dänemark.
Nach Ansicht der Hamburger Staatsanwaltschaft behielt er sie nach einem Wochenendbesuch gemäß seinem Umgangsrecht widerrechtlich bei sich. Die geschiedenen Eheleute haben zwei weitere ältere Kinder, von denen eine Tochter beim Vater und eine bei der Mutter lebt.
Kinder mussten zum Vater zurückgebracht werden
Nach der mutmaßlichen Entführung in Dänemark entschied am 5. Januar 2024 das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) aufgrund eines Eilantrags des Vaters, dass ihm die Kinder zurückgegeben werden müssen. Das geschah am selben Tag. Er erhielt mit der einstweiligen Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht.
Vorwurf: Block habe Auftrag erteilt
Laut Anklage soll die Mutter zusammen mit einem 63-jährigen Deutschen den Auftrag erteilt haben, die Kinder gewaltsam der Obhut des ebenfalls sorgeberechtigten Vaters zu entziehen. Die Anklage gegen Block und den 63-Jährigen lautet auf gemeinschaftliche schwere Entziehung von Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Der Mutter wird zudem schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Ihre Verteidiger bestreiten die Vorwürfe.
Für die schwere Entziehung Minderjähriger und die schwere Misshandlung Schutzbefohlener sieht das Strafgesetzbuch eine Mindeststrafe von einem Jahr vor, die Höchststrafe beträgt zehn Jahre Gefängnis. Das Gericht hat 37 Verhandlungstermine bis zum 23. Dezember angesetzt. In einem Verfahren mit sieben Angeklagten, vielen Prozessbeteiligten und einem komplizierten Sachverhalt sind Verzögerungen allerdings nicht ungewöhnlich.
Delling soll falsche Angaben gemacht haben
Der ehemalige Sportjournalist und Fernsehmoderator soll die Anreise von Christina Block nach Baden-Württemberg organisiert und ihre Rückkehr mit den Kindern nach Hamburg koordiniert haben. Delling wird zudem verdächtigt, gegenüber Kriminalbeamten falsche Angaben gemacht zu haben. Er ist wegen Beihilfe angeklagt. Dellings Verteidiger David Rieks wies die Vorwürfe zurück.
Mehrere mutmaßliche Mittäter
Ein 35-Jähriger, der die israelische und portugiesische Staatsangehörigkeit hat, soll zusammen mit fünf weiteren Männern direkt an der Entführung beteiligt gewesen sein. Seit November sitzt er in U-Haft.
Ein 58-jähriger Deutscher sorgte der Staatsanwaltschaft zufolge als Leiter eines Hamburger Sicherheitsunternehmens für die Bewachung des Anwesens von Block, um eine Flucht der Kinder zu verhindern. Er ist angeklagt wegen Beihilfe zur gemeinschaftlichen schweren Entziehung Minderjähriger in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Demselben Vorwurf müssen sich eine Frau (49) und ein Mann (55) aus Blocks Umfeld stellen.
Lange Vorgeschichte
Der Sorgerechtsstreit zwischen Block und ihrem Ex-Mann beschäftigte zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht. Die Richter wiesen eine Beschwerde von Block ab. In der Begründung hieß es, alle vier Kinder hätten nach der Trennung des Paares 2014 und der Scheidung 2018 zunächst bei der Mutter gelebt. Für Besuche bei dem Vater gab es seit 2015 eine Umgangsregelung. Im Juli 2021 zog die älteste Tochter im Einvernehmen mit der Mutter zu ihrem Vater.
Seit August 2021 leben die beiden jüngsten Kinder beim Vater. Nach einem Wochenendbesuch hatte er mitgeteilt, dass er sie wegen «kindeswohlgefährdenden» Verhaltens der Mutter nicht zurückbringen werde. Über die genauen Vorwürfe ist offiziell nichts bekannt. Im Herbst 2021 sprach das OLG der Mutter vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu und verpflichtete den Vater zur Herausgabe der Kinder an die Mutter.
Dänisches Gericht: Deutsche Entscheidung unzulässig
Als einziges EU-Land erkennt Dänemark Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedsländer in Sorgerechtsstreitigkeiten nicht automatisch an. Ende 2021 erklärte ein dänisches Amtsgericht die Vollstreckung der deutschen Entscheidung für unzulässig.
Block stellte 2022 in Dänemark einen Antrag auf Rückführung ihrer Kinder, und zwar nach dem dänischen Kindesentführungsgesetz. Daraufhin habe im Februar 2023 ein Gericht festgestellt, dass die Kinder zwar widerrechtlich nach Dänemark gebracht worden seien, sie aber nicht zurückgeführt werden könnten.
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