Prozess um Bombendrohungen: Mehr als ein böser Scherz
10.06.2025
Minute um Minute pushen sich die beiden jungen Männer am Telefon gegenseitig, sie lachen, wenn der «Digga» dem «Habibi» mal wieder verrät, was er so vorhat. «Willst Du dann klassisch Bombendrohungen? Es gibt ja noch was anderes, einen Amoklauf oder so», fragt der eine in der Tonaufnahme.
Was klingt wie ein ziemlich schlechter und bitterböser Scherz, hat im Herbst 2023 Angst und Schrecken an Dutzenden Universitäten, Schulen und Behörden in ganz Deutschland ausgelöst. Die beiden Männer haben nun vor dem Stuttgarter Landgericht eingeräumt, für die mehr als 50 Droh-Mails verantwortlich zu sein. Auch baten sie die damals Betroffenen um Entschuldigung.
«Mittlerweile hat er's kapiert»
Er habe nach Aufmerksamkeit und Anerkennung gestrebt, ließ der 20-Jährige vor der Stuttgarter Kammer über seinen Anwalt verlesen. «Andere Motivationen gab's bei ihm nicht», sagte der Verteidiger weiter. Während er die Mails verfasst haben soll, hatte ihn sein ein Jahr älterer mutmaßlicher Komplize aus Hamburg nach eigener Aussage zu den Schreiben angespornt.
Sein Mandant sei seinerzeit nicht fähig gewesen, sich in die Gedanken der Betroffenen hineinzuversetzen. «Mittlerweile hat er's kapiert», sagte der Anwalt. Der junge Mann bereue die Taten. Einen terroristischen Hintergrund sieht die Staatsanwaltschaft nicht.
Wurde der Angeklagte in eine Falle gelockt?
Dabei scheint der Jüngere in eine klassische Falle gelockt worden zu sein. Denn seine Internet-Bekanntschaft will ihn nach eigener Aussage vor allem zu den Taten verleitet haben, um einer Frau zu imponieren. Er habe gewusst, dass sein Schwarm Kontakte zum Bundeskriminalamt habe - und Screenshots von den Chats mit dem jüngeren Angeklagten gemacht.
Eine Stunde bereits verhandelte die Kammer über den Fall, als sich der 21-Jährige dem Jüngeren auf der Anklagebank direkt zuwandte und ihn deshalb um Verzeihung bat. «Entschuldigung angenommen», nuschelte der andere.
Beide Männer müssen sich wegen des Vorwurfs der Störung des öffentlichen Friedens durch angedrohte Straftaten verantworten.
Mails gingen auch an Einrichtungen im Südwesten
In den Mails soll von hochexplosivem Sprengstoff mit Zeitzünder die Rede gewesen sein, der bei den Empfängern platziert worden sei. Zudem sollen die Verfasser vorgegeben haben, Säuglinge, Kinder und Menschen mit Behinderung umbringen zu wollen. Laut Anklage sollen die Angeklagten den Eindruck erweckt haben, dass die Schreiben von der Terrororganisation Hamas stammen. Dafür habe der jüngere Angeklagte Formulierungen wie «Allahu Akbar» verwendet und behauptet, man wolle mit den Taten die «Brüder im Mittleren Osten» rächen.
Die E-Mails gingen an Empfänger in Baden-Württemberg und sieben weiteren Bundesländern - und lösten teils große Polizeieinsätze aus. In Baden-Württemberg waren mehrere Schulen und die Universität Stuttgart, das KIT in Karlsruhe, die Polizei-Hochschule in Villingen-Schwenningen und die israelitische Gemeinschaft in Ulm betroffen. In Mannheim wurde zudem die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit geräumt.
Auch Auftrag zum Mord spielt vor Gericht eine Rolle
Dem Hamburger wirft die Anklage neben den Bombendrohungen auch versuchte Anstiftung zum Mord vor. Er soll im Juli vor zwei Jahren bei zwei anderen Menschen einen Mord in Auftrag gegeben und dafür 3.000 Euro bezahlt haben. Der Auftrag, einen Menschen aus Offenbach zu töten, wurde jedoch nicht ausgeführt.
Diesen Vorwurf wies der junge Mann deutlich zurück. «Ich habe niemandem 3.000 Euro gegeben, kein Auto organisiert oder irgendeinen Auftrag zum Mord erteilt oder dazu angestiftet.»
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