Frank Mentrup (SPD), Oberbürgermeister von Karlsruhe und Präsident des baden-württembergischen Städtetags., © Uli Deck/dpa
Frank Mentrup (SPD), Oberbürgermeister von Karlsruhe und Präsident des baden-württembergischen Städtetags. Uli Deck/dpa, dpa
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Politik sollte bei Vorhaben mehr Realität vor Ort beachten

28.09.2023

Städtetagspräsident Frank Mentrup (SPD) wirbt beim Land um mehr Verständnis für die teils schrumpfende Finanzkraft der Kommunen. In Stuttgart herrsche sehr stark die Wahrnehmung vor, dass es den Kommunen im Vergleich zum Land unverhältnismäßig gut gehe. «Und das geht aus meiner Sicht an den Fakten vorbei», sagte der Karlsruher Oberbürgermeister der Deutschen Presse-Agentur.

Von immer mehr Kollegen höre er, dass sie Hallenbäder nicht mehr sanieren könnten und auf kurz oder lang schließen müssten oder mit Schulsanierungen nicht weiterkämen, sagte Mentrup. «Das wird durch die steigenden Baupreise ja noch mal schwieriger.» Und das könne kleine Gemeinden genauso wie große Städte betreffen.

«Das Land tritt den Kommunen aber gegenüber auf, als sei man schon in der Armutsspirale - während es uns zuschreibt, dass wir durch steigende Gewerbesteuereinnahmen völlig unnötig herumjammern», sagte Mentrup. «Das eine ist, glaube ich, genauso falsch wie das andere.»

Hinzu komme, dass das Land seinen Haushalt immer noch kameralistisch aufstelle - also im Wesentlichen nur Geldflüsse betrachtet -, während die Kommunen ihre Haushalte gemäß der sogenannten Doppik aufstellen. Dabei werden etwa auch Abschreibungen berücksichtigt, die zwar Aufwand darstellen, aber nicht unmittelbar zu Auszahlungen führen. «Und je mehr wir in den letzten Jahren investiert haben, umso größer sind die Abschreibungen», erklärte Mentrup. «Das heißt, das Land hat noch eine andere, eine leichtere Struktur, mit schwierigen Finanzsituationen umzugehen, als wir das als Kommunen haben.»

Es gebe eine ganze Reihe an Themen, welche die kommunalen Spitzenverbände seit drei, vier Jahren bei Finanzverhandlungen mit dem Land lösen wollen. Mal wegen Corona, mal wegen des Ukraine-Kriegs werde das aber immer wieder vertagt, kritisierte Mentrup.

Dazu gehöre der Ganztags-Rechtsanspruch für Grundschüler ab 2026. «Ich kann da nicht bis zum Jahr 2026 warten, bis ich als Kommune weiß, wie dann auf Dauer die Finanzierung gelöst sein soll.»

Etwas anders gelagert sei es beim Deutschlandticket, bei dem sich Bund und Land offensichtlich nicht über die Finanzierung einig werden. «Die Bundesländer haben sich bei der Einführung auf den Deal geeinigt, nachdem der Bund eigentlich zugesagt hat, dass er die dann ausstehenden Defizite ausgleicht.» Jetzt solle es aber nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr geben. «Also haben sie entweder schlecht verhandelt oder müssen jetzt nochmal richtig in den Clinch gehen.»

An diesem Donnerstag soll es eine digitale Sondersitzung der Verkehrsministerkonferenz von Bund und Ländern geben. Dort gehe es darum, eine gemeinsame Haltung der Länder abzustimmen und mit dem Bund über die Lage zu sprechen.

Ein Riesenproblem sei es auch, dass der Bund vorgibt, dass es das Deutschlandticket ab dem 1. Januar nicht mehr in Papierform geben soll, sondern nur noch digital. «Es gibt aber Verkehrsverbünde, die bis dahin gar nicht in der Lage sein werden, das anzubieten. Ich habe gerade in einer Stellungnahme gelesen, da müsse dann der Kunde auf den Nachbarverkehrsverbund umgestellt werden.»

Über den Deutschen Städtetag seien die Kommunen im Grunde gut bei Verhandlungen zwischen Bund und Ländern eingebunden. Auch das Land wisse gut um die Positionen der Kommunalverbände und vertrete diese in Berlin. «Was es zunehmend schwierig macht, ist, dass in nächtlichen Kabinettsklausuren irgendwie irgendwelche Pakete geschnürt werden und man dann mitunter zu Lösungen kommt, die in der Umsetzbarkeit sehr schwierig sind», sagte Mentrup.

«In vielen Bereichen wäre es einfacher, wenn man von vornherein die Realität vor Ort und auch die jeweiligen Umsetzungsmöglichkeiten stärker in den Kompromissvorschlag mit einbezieht», erklärte er. So falle auch beim Deutschlandticket auf, dass manchmal Dinge zwar vage versprochen, aber letztlich nicht durchdekliniert würden. «Das empfinde ich schon als eine erhebliche Verunsicherung bis Unverschämtheit gegenüber uns als den Verantwortlichen für unsere lokalen Verkehrsverbünde und Verkehrsgesellschaften, aber natürlich vor allem auch für unsere Bürgerinnen und Bürger», sagte Mentrup.

«Für einen schnellen PR-Erfolg wird dann bei den Versprechungen für die Umsetzung mal eben über erhebliche fachliche Bedenken hinweggetrampelt», kritisierte er. Jetzt drohe die Gefahr, dass bestimmte Nutzergruppen ab 2024 vom Bezug ausgeklammert werden und, falls die Finanzierung nicht bald geklärt ist, dass das ganze Produkt wieder vom Markt genommen werden muss. «Wie peinlich wäre das denn.»

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