Mit Festivalstimmung Richtung Olympia? Die Finals als Chance
Erst die Finals, dann Olympia? Geht es nach den Befürwortern einer deutschen Sommerspiele-Bewerbung, soll das Event mit deutschen Meisterschaften in 18 Sportarten die Lust auf das gigantische Ringespektakel schüren. Die Rhein-Ruhr-Region will sich als guter Gastgeber zeigen und für größere Aufgaben empfehlen.
Sportlich und im Fernsehprogramm haben sich die Finals vor ihrer vierten Austragung etabliert - auch, wenn es vereinzelt kritische Stimmen gibt. Der Mix aus traditionellen olympischen Disziplinen und Trendsportarten in Kombination mit teils ungewöhnlichen Wettkampfstätten soll ein breites Publikum ansprechen.
«Bei den Finals herrscht Festivalstimmung, der Spitzensport präsentiert sich bunt und vielfältig», sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Weikert, der Deutschen Presse-Agentur. «Sportgroßveranstaltungen begeistern in Deutschland vor allem dann, wenn sie nachhaltig und kostengünstig sind, alle Menschen mitnehmen und gesellschaftliche Bereiche einbindet. Dann schwappt die Welle der Euphorie aus den Stadien und Hallen in die ganze Stadt oder das ganze Land.»
Der 61-Jährige ergänzte: «Deshalb arbeiten wir – schon bald auch mit allen gesellschaftlichen Bereichen - an einer Konzeption für Olympische und Paralympische Spiele, die genau dies möglich macht.»
Erfolgreiche European Championships
Wie die angestrebte Begeisterung aussehen kann, war im vergangenen Jahr schon in München zu sehen. Die European Championships mit Europameisterschaften in neun Disziplinen im August 2022 wurden zu einem großen Sport- und Volksfest. Die Bezeichnung «Mini-Olympia» machte die Runde.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Seit 1986 scheiterten deutsche Initiativen für Sommer- oder Winterspiele serienweise, auch am Bürgervotum - etwa beim Bemühen um die Winterspiele für 2022 mit München und um die Sommerspiele für 2024 mit Hamburg. Um wirklich eine breite Zustimmung zu erhalten, ist wohl noch viel zu tun. Ob letztendlich Nordrhein-Westfalen oder eine andere Region im Fokus steht, ist ebenfalls noch offen. «Wir wären bereit», sagte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) zumindest schon mal.
Seine Stadt und Düsseldorf bilden den Schwerpunkt der vierten Finals-Ausgabe. Von diesem Donnerstag an werden an vier Tagen 159 Meistertitel vergeben. In Kassel messen sich zudem Leichtathletinnen und Leichtathleten um Olympiasiegerin Malaika Mihambo. In Berlin finden die Schwimm-Wettbewerbe statt.
Außergewöhnliche Locations
Neben traditionellen Sportstätten setzen die Veranstalter auch auf außergewöhnliche Locations wie das Rheinufer in der Düsseldorfer Altstadt, wo die Stabhochsprung-Entscheidungen fallen, oder den Duisburger Innenhafen (Stand-Up-Paddling, Kanu, Kanu-Polo). Für zahlreiche Wettkämpfe brauchen Zuschauer keine Eintrittskarten. Das kann auch Besucher ansprechen, die sich sonst eher wenig für Leistungssport interessieren. Zudem spielt das Fernsehen für die Sichtbarkeit des Events eine große Rolle.
ARD und ZDF wollen mehr als 25 Stunden live in den Hauptprogrammen zeigen. Rund 70 Stunden sind in Streams zu sehen. Wie solche TV-Tage mit verschiedensten Sportarten funktionieren können, zeigt sich regelmäßig in der kalten Jahreszeit. «Der Wintersport profitiert seit Jahren von extrem gut gemachten TV-Wochenenden, die Finals setzen das für den Sommer fort und machen Athletinnen und Athleten ebenso wie den Fans Freude», sagte DOSB-Präsident Weikert. Die TV-Präsenz soll auch Werbung für kleinere Sportarten sein, die sonst nicht im Rampenlicht stehen.
Entsprechend beliebt ist das Multisportevent bei Verbänden solcher Disziplinen. «Es hat ein komplettes Umdenken stattgefunden. Inzwischen wollen mehr Verbände teilnehmen, als es eigentlich Möglichkeiten gibt», sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. «Wir denken nicht mehr darüber nach, wie wir Verbände ansprechen, sondern darüber, dass wir Regularien finden müssen, wie alle Verbände zu ihrem Recht kommen können.»
Terminkonflikte
Bei so vielen Sportarten mit ihren individuellen Höhepunkten im Jahreskalender bleiben Terminkonflikte allerdings nicht aus. So hätte sich Olympiasieger Florian Wellbrock einen anderen Zeitraum für die Finals gewünscht. «Ich muss ehrlicherweise etwas mit dem Kopf schütteln. Der Schwimmsport wird da in Deutschland gar nicht gut verkauft», sagte Wellbrock der dpa. Der Tokio-Olympiasieger im Freiwasser und derzeit beste deutsche Schwimmer nimmt wegen der schon am 14. Juli beginnenden Weltmeisterschaften in Japan nicht an den nationalen Titelkämpfen teil. Auch die anderen WM-Starter haben ihr Training natürlich auf die WM ausgerichtet.
Die Finals 2023 finden auch erstmals mit einer Länderwertung statt. Analog zur Nationenwertung bei Olympischen Spielen wird das erfolgreichste Bundesland ermittelt. «Wir wollen mit unserer Initiative den olympischen Gedanken und auch den Wettbewerb untereinander mit unserer neuen Wertung fördern und den vermeintlich kleinen Bundesländern wie beispielsweise dem Saarland, Bremen oder Hamburg einen weiteren Anreiz für die Finals bieten», wurde Finals-Geschäftsführer Hagen Boßdorf in einer Mitteilung des Veranstalters zitiert.
Im kommenden Jahr soll es wegen der Olympischen Spiele in Paris übrigens keine Finals geben. Im Sommer 2025 ist die fünfte Ausgabe des Events dann in Dresden geplant.
© dpa-infocom, dpa:230705-99-288256/4