Konservatives Gipfeltreffen zum Zeitungs-Jubiläum
Bei einem seiner bislang wenigen öffentlichen Auftritte seit seiner Rückkehr aus dem Vatikan hat Erzbischof Georg Gänswein dafür geworben, das katholische Menschenbild angesichts «bioethischer Herausforderungen» hochzuhalten. «Der Mensch ist kein Experimentierfeld, er ist Geschöpf Gottes; das Leben ist ein Geschenk Gottes; menschliches Leben als Geschenk Gottes darf nicht der Manipulation ausgeliefert werden», sagte der langjährige Sekretär des früheren Papstes Benedikt XVI. am Samstag in Würzburg bei einer Jubiläumsveranstaltung der katholischen Zeitung «Die Tagespost».
Das Blatt wurde vor 75 Jahren gegründet und erscheint in Würzburg. «Katholischer Journalismus zielt darauf ab, die Intellektuellen wie die sogenannten einfachen Gläubigen mit konstruktiven Überlegungen zu bereichern und der Stimme der Kirche in einer säkularisierten Medienlandschaft Gehör zu verschaffen», sagte er weiter.
Der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, hatte zuvor einen Festgottesdienst in der Würzburger Neumünster-Kirche gefeiert. Neben Gänswein war auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer dabei. Woelki, Gänswein und Voderholzer gelten als dezidiert konservative Kirchenmänner. Sie kritisieren beispielsweise den Synodalen Weg, der in Deutschland installiert wurde, um als Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal Reformen anzustoßen. Wenige Meter neben der Fassade der Neumünster-Kirche hing ein Werbebanner des Bistums Würzburg zum Synodalen Weg.
Woelki warnte in seiner Predigt vor einer Aushöhlung des Begriffs «christliche Werte». Christinnen und Christen müssten hellhörig werden, wenn jemand von christlichen Werten spreche, aber nicht «gleichzeitig den lebendig-persönlichen Gott bekennen möchte», sagte er. «Wir sollten hellhörig sein, außerhalb unserer Reihen, aber auch innerhalb.»
Weiter sagte Woelki: «Zusätzlich zu der großen Krise, in der wir uns zu den Verbrechen in unseren kirchlichen Reihen zu verhalten und die wir zu bekämpfen haben, werden wir angefragt von einer versteckten, unredlichen Säkularisierung.» Die katholische Kirche wird seit Jahren von einem Missbrauchsskandal in ihren Reihen erschüttert.
Gänswein lebte lange im Vatikan. Als Sekretär an der Seite von Benedikt XVI. erlangte er Prominenz und arbeitete auch nach dessen Rücktritt weiter für ihn. Außerdem war er Präfekt des Päpstlichen Hauses. Diesen Top-Posten im Kirchenstaat verlor er offiziell im Juni, seit Juli lebt er wieder in seinem Heimatbistum Freiburg. Papst Franziskus hatte ihn zurück nach Deutschland geschickt - und zwar ohne kirchliche Aufgabe und Amt. Seit seiner Rückkehr trat Gänswein nur wenige Male öffentlich in größerem Rahmen auf. Mitte August hatte er im schwäbischen Wallfahrtsort Maria Vesperbild gepredigt.
«Die Tagespost» war vor 75 Jahren vom Publizisten Johann Wilhelm Naumann in Augsburg gegründet worden. Seit 2018 wird die katholische Zeitung wöchentlich herausgegeben, zuvor dreimal in der Woche. Das Blatt berichtet nach eigenen Angaben aus katholischer Sicht über politische, kulturelle, gesellschaftliche und kirchliche Themen. Es erscheint im deutschsprachigen Raum mit einer Auflage von rund 12.000 Exemplaren.
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