Kommunen warnen Niedrigwasser «wird zunehmend zur Regel»
Die niedrigen Wasserstände auf den Flüssen werden sich nach Einschätzung der Landesanstalt für Umwelt auch durch die nächsten Regentage nicht wesentlich erhöhen. Vorübergehend könne der Wasserstand zwar hier oder dort steigen und sich die Lage kurzfristig leicht entspannen. «Eine nachhaltige Entspannung der Niedrigwasserlage ist jedoch nicht in Sicht, da hierfür flächenhaft ergiebige Niederschläge erforderlich wären», teilte die LUBW mit. Kommunen ziehen bereits Konsequenzen und beschränken die Wasserentnahme aus Flüssen und Bächen.
Verantwortlich für die Lage sind unter anderem der seit vielen Wochen ausbleibende anhaltende Regen und die zwischenzeitliche Hitzewelle. Bereits im vergangenen Winter habe die Niederschlagsmenge um ein Drittel unter dem langjährigen Durchschnitt gelegen. Nach den vergleichsweise nassen Monaten März und April habe es seit Mitte Mai «deutlich unterdurchschnittlich» geregnet. Im Mai lag die Menge 37 Prozent unter den üblichen Werten, im Juni fiel sogar 65 Prozent weniger Regen als üblich.
In seinem Bulletin mahnte das Landesamt, zahlreiche Gewässer führten derzeit Niedrigwasser. An rund 44 Prozent der Pegel in Baden-Württemberg lägen die Wasserstände unterhalb des niedrigsten Standes in einem durchschnittlichen Jahr. «Ähnlich wie in 2022 bildet sich somit relativ früh im Jahr eine Niedrigwasserlage aus», fasst das Amt die Lage zusammen. Üblich seien Niedrigwasserlagen, wenn überhaupt, erst im Spätsommer oder Herbst. Betroffen seien derzeit vor allem kleinere bis mittelgroße Fließgewässer in vielen Regionen des Landes.
Auch am Bodensee und am Oberrheinpegel Maxau liegen die Wasserstände laut Landesamt saisonal betrachtet sehr niedrig. Am Pegel Maxau treten die jährlichen Niedrigstwasserstände in der Regel erst im Herbst oder Winter auf, wie die Experten der Hochwasservorhersagezentrale mitteilten. Ungewöhnlich warm sind aktuell die Wassertemperaturen im Rhein bei Karlsruhe und im Neckar bei Besigheim.
Die Kreise und Kommunen sensibilisieren bereits seit längerem die Menschen in ihren Regionen, Wasser umsichtig zu nutzen und nicht zu verschwenden. Das Landratsamt Calw appelliert in einer Mitteilung «an das Verantwortungsbewusstsein aller», kein Wasser aus Seen und Flüssen, Bächen und Teichen zu entnehmen und Wasser einzusparen, wo es nur geht.
Die Wasserstände und Abflüsse seien bedenklich gesunken und hätten die kritischen Marken bereits deutlich unterschritten. Es sei davon auszugehen, dass sie in den Monaten August bis Oktober noch niedriger ausfielen. «Wasserentnahmen aus den Gewässern verschärften die Situation zusätzlich», hieß es.
Auch das Landratsamt Heilbronn warnte, nachhaltig werde sich die Situation nur durch lang andauernde, ergiebige Niederschläge entspannen. «Diese sind derzeit allerdings nicht absehbar.»
Sorgen gibt es auch im Enzkreis, wo ab Mittwoch (5. Juli) und bis Mitte Oktober ebenfalls kein Wasser mehr aus oberirdischen Gewässern entnommen werden darf: «Zum ersten Mal mussten wir so früh im Jahr und bereits in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ein Wasserentnahmeverbot aussprechen», sagte Axel Frey, der Leiter des Umweltamtes. Das Niedrigwasser habe in diesem Jahr schon besonders früh eingesetzt. «Die Wasserstände sinken trotz einzelner Schauer aktuell weiter.» In kleinen Gewässern, aber auch in der Würm seien bereits im Juni die niedrigsten Werte der vergangenen zwei Jahrzehnte erreicht worden. Für den Juli erwartet er dies auch in den größeren Gewässern wie Enz und Pfinz.
Für Frey ist das keine Ausnahme mehr: «Im Winter fehlt der Niederschlag, im Frühjahr bleibt die Schneeschmelze aus, im Sommer kommt es meist nur noch vereinzelt zu teils starken Regenfällen, die lediglich eine sehr kurze Auswirkung auf das Gewässer haben», sagte er. Daher würden lange Niedrigwasserphasen im Sommer zunehmend zur Regel werden.
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat dabei auch die wirtschaftlichen Folgen im Blick: «Die zunehmenden Niedrigwasserereignisse auf dem freifließenden Rhein werden mit großer Sorge gesehen», sagte er. Es müsse zwar mehr Gütertransport auf die Wasserstraßen verlegt werden, weil Straßen und Schienenwege überlastet seien, Flüsse hingegen noch Kapazitätsreserven hätten. Allerdings sei nur der Bund an der Bundeswasserstraße Rhein für Maßnahmen zuständig.
Das Problem: Die Fahrrinne für die Schifffahrt muss nach Einschätzung Hermanns so bald wie möglich vertieft werden, weil sonst bei Niedrigwasser die gesamte Beladung stromaufwärts deutlich reduziert werden muss. Das Projekt «Abladeoptimierung Mittelrhein» sei eines der wichtigsten und volkswirtschaftlich nützlichsten Vorhaben des Bundesverkehrswegeplans. «Aber die Umsetzungsgeschwindigkeit von engpassbeseitigenden Infrastrukturmaßnahmen ist auch heute noch nicht ausreichend», sagte Hermann.
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