Kim Jong Un: Im Privatzug nach Russland zu Putin
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un begibt sich nicht nur selten auf Auslandsreisen, diese sind auch oft von Geheimnistuerei umgeben. Auch diesmal dauerte es zwei Tage, bevor Nordkoreas Staatsmedien über die Abfahrt von Kims Privatzug am Sonntag aus der Hauptstadt Pjöngjang mit dem Ziel Russland berichten.
Heute bestätigte dann Kremlsprecher Dimitri Peskow, Kim sei mit seinem gepanzerten Zug inzwischen im Land eingetroffen. Ein geplantes Treffen mit Präsident Wladimir Putin werde im Fernen Osten Russlands stattfinden. Doch wo und wann genau das passiert, sagte Peskow nicht. Spekuliert wurde, das Treffen erfolge eventuell heute oder morgen in der Großstadt Wladiwostok, die Kim schon im April 2019 besucht hatte.
Zugreise als Tradition
Es ist Kims erste Reise nach Russland nach mehr als vier Jahren. Und es ist das erste Mal seit Beginn der Corona-Pandemie, dass er seinen streng abgeschotteten Herrschaftsbereich verlässt. Zuletzt hatte Nordkorea jedoch auch wieder kommerzielle Flüge von und nach China und Russland zugelassen.
Wenn Kim allerdings wie jetzt wieder den Schienenweg nimmt, hat das Tradition. Schon der Großvater und «ewige Präsident» Kim Il Sung sowie sein Vater Kim Jong Il traten während ihrer Herrschaft lange Auslandsreisen mit einem Zug an. Selbst sein Tod soll Kim Jong Il Ende 2011 im Zug ereilt haben. Dem früheren Machthaber wurde Flugangst nachgesagt.
Kim Jong Un dagegen reiste auch schon mit dem Flugzeug ins Ausland. Zu seinem historischen Gipfeltreffen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump im Juni 2018, als es um das nordkoreanische Atomwaffenprogramm ging, brachte ihn eine Passagiermaschine von Air China nach Singapur. Zum zweiten, letztlich ergebnislosen Gipfel mit Trump im Februar 2019 in Vietnam fuhr er jedoch wieder mit dem kugelsicheren Zug - damals legte er damit eine Strecke von etwa 4500 Kilometern zurück.
Was man über den Zug weiß
Bilder der nordkoreanischen Staatsmedien deuten jetzt darauf hin, dass sich an dem Sonderzug Kim Jong Uns seit den Tagen seines Vaters äußerlich nicht viel geändert hat. Typisch sind die olivgrüne Lackierung mit dem markanten gelben Streifen und die getönten Fenster. «Von Kims luxuriösem, kugelsicherem Zug ist bekannt, dass er mit Kommunikationstechnik ausgestattet ist, die nötig ist, um ihn als mobiles Büro zu benutzen», schrieb die südkoreanische Zeitung «JoongAng Ilbo».
Beobachter in Südkorea schätzten, dass Kim und seine Entourage für die erwartete Strecke nach Wladiwostok mehr als 1000 Kilometer zurücklegen und mindestens 20 Stunden dafür brauchen. Der Sonderzug bewegt sich demnach normalerweise mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde fort.
Wegen der schweren gepanzerten Waggons komme der Zug nicht rascher voran, heißt es. Frühere, äußerst seltene Aufnahmen aus dem Innern eines der rund 20 Waggons des Zugs ließen pinkfarbene Ledersessel erkennen. Der Boden war mit Holz ausgelegt, an den Fenstern hingen Gardinen.
Südkorea beobachtet Treffen
Nordkoreas Staatsmedien berichteten, Kim habe seinen Zug in Begleitung von Vertretern der herrschenden Arbeiterpartei, der Regierung und des Militärs bestiegen. Angesichts der großen Zahl an Militärvertreten, die Kim begleiten, werde Südkorea genau verfolgen, ob es zwischen Nordkorea und Russland zu Verhandlungen über Waffenlieferungen kommen werde, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul.
Die USA und ihr Verbündeter Südkorea befürchten, dass Putin aus Nordkorea Waffen und Munition für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben will. Im Gegenzug könnte Russland seinem Nachbarn technologisches Know-how für Satelliten oder etwa auch für den Bau von Atom-U-Booten anbieten.
Nach Meinung von Beobachtern in Südkorea geht es Kim um mehr als nur Waffengeschäfte. Demnach will er sich verstärkt gegen die wachsende Militärkooperation der USA mit Südkorea und Japan aufstellen. Moskau und Pjöngjang bekräftigten in den vergangenen Monaten mehrfach, ihre Zusammenarbeit ausbauen zu wollen.
© dpa-infocom, dpa:230912-99-165008/4