Hitze, Camp, Strapazen: Drastische WM-Lehren für Nagelsmann
09.07.2025
Julian Nagelsmann verzichtete auf ein Live-Erlebnis der extremen Fußball-Herausforderungen im amerikanischen Sommer. Auch Rudi Völler war bei der Club-WM nicht vor Ort. Aber der Bundestrainer und der DFB-Sportdirektor können sich ja spätestens Anfang September beim Start in die Qualifikation für die WM 2026 bei den Münchner Nationalspielern um Kapitän Joshua Kimmich oder denen von Borussia Dortmund intensiv informieren.
Dann wird ihnen etwa Leon Goretzka berichten von Spielen in gänzlich offenen American-Football-Arenen in der Mittags- oder Nachmittagshitze. «Es ist schon krass. Es kostet extreme Kräfte», stöhnte der 30 Jahre alte Bayern-Profi.
Goretzka: «Es ist schon krass»
Trotzdem will er natürlich beim Mammut-Turnier mit erstmals 48 Mannschaften vom 11. Juni bis 19. Juli 2026 in Mexiko, Kanada und den USA wieder dabei sein. Denn die «richtige» WM wird nicht nur noch größer sein, sie wird vor allem sportliche eine ganz andere Wertigkeit haben als der Vereinswettbewerb.
Nagelsmann will bekanntlich Weltmeister werden. Bayern-Coach Vincent Kompany und BVB-Kollege Niko Kovac könnten ihm sicherlich einiges erzählen. Entscheidend ist, die drastischen Bedingungen anzunehmen. Und schon bei der Turnier-Logistik vom Basiscamp bis zu den Reisen top präpariert zu sein.
«Ein ganz wichtiger Punkt ist die Anstoßzeit», sagte Kovac nach dem Viertelfinal-Aus mit Dortmund gegen Real Madrid. «Dass die Spieler der Mittagssonne ausgesetzt sind, wo es so heiß hergeht, dass ein Normal-Sterblicher nicht vor die Tür gehen soll und die Fußballer Höchstleistungen bringen sollen, das ist sehr grenzwertig», kritisierte Kovac. «Ich würde mir wünschen, dass man etwas Rücksicht auf die Spieler nimmt.»
Dass 2026 nur in den wenigstens schattigen Abendstunden gespielt wird, ist freilich ein utopischer Wunsch. Nicht jedes Stadion hat ein Dach und kann auf angenehme Temperaturen heruntergekühlt werden wie die Arena in Atlanta, wo sich DFB-Star Jamal Musiala so schwer beim Bayern-Aus gegen Paris verletzte.
Die FIFA plant mit mehreren Anstoßzeiten am Tag. Aber das Fernsehen zahlt Milliarden-Summen für die Übertragungsrechte. Und natürlich sollen auch in Deutschland Kimmich und Co. dann nicht ständig mitten in der Nacht, sondern möglichst in der europäischen Primetime zu sehen sein. Immerhin soll in den extremen Spielorten wenigstens die Mittagszeit gemieden werden.
Effenberg: Du hast nicht die volle Power
Völler kennt das. Der 65-Jährige war bei der WM 1994 in den USA als Spieler dabei, als die Nationalelf in der Gluthitze von Dallas gegen Südkorea spielen musste und nach einer 3:0-Führung zur Pause so eben mit 3:2 gewann.
Stefan Effenberg stand damals auf dem Platz und erinnert sich immer noch gut. Es sei brutal gewesen, erzählte der 56-Jährige vor einem Bayern-Spiel in Miami: «Du wirst als Spieler trainiert, dass du 90 oder 120 Minuten gehen kannst. Aber hier kannst du mal 20 Minuten abziehen. Du hast nicht die volle Power.»
104 Spiele, vier Zeitzonen, 16 Spielorte
104 Spiele, vier Zeitzonen und große Distanzen zwischen den 16 Spielorten in drei Ländern müssen bedacht werden. Von Mexiko-Stadt bis Kansas City sind es wie von Miami bis Toronto mehr als 2000 Kilometer. Momentan prüft der DFB mehrere Quartier-Optionen und steht dabei auch in Konkurrenz zu anderen Nationen, die ebenfalls in Nordamerika in der intensiven Sichtung sind.
«Man kann schon einiges mitnehmen. Viele Nationaltrainer waren ja hier», sagte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl: «Einige Verbände haben sich informiert. Und das wird im Nachgang sicherlich auch noch mal mit dem DFB stattfinden.» Es sei elementar, welche Rahmenbedingungen man wähle, etwa Trainingszeiten. «Ich glaube, die Organisation rund um die Mannschaft ist extrem wichtig.»
Ein Basiscamp garantiert keine Tore oder Siege, aber es kann den Geist im Tross prägen, der aus Spielern, Trainern, Betreuern und vielen weiteren Menschen rund ums Team besteht. Bayern und Dortmund hatten ihre Basis in Florida. Das Münchner Luxusresort im Disneyland von Orlando mit der ESPN-Sportanlage als Trainingsstätte bot alles von Top-Plätzen über Golfplatz bis zum Pool. «Ein Lagerkoller», erzählte Goretzka, kam da nicht auf.
Der Rasen als Problem für «Highspeed-Fußball»
Erst nach der Gruppenauslosung im Dezember, wohl bei einer Mega-Show im Spielerparadies Las Vegas, wird auch Nagelsmann wissen, wo die ersten drei von acht erhofften WM-Partien inklusive Finale stattfinden.
Ein Problem, das gerade die europäischen Teams bei der Club-WM deutlich reklamierten, waren die Spielfelder. «Für Highspeed-Fußball brauchst du andere Bedingungen», sagte Kovac. Die Grasart ist anders, die Plätze wurden nicht so intensiv gewässert. Dortmunds Nationalspieler Pascal Groß würde sich «schon wünschen, dass man in jedem Stadion auf demselben Rasenplatz spielt».
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