Gedanken zum Muttertag: Wann ist eine Mama eine Mama?

Gedanken zum Muttertag: Wann ist eine Mama eine Mama?

29.04.2021

Das Übermaß an Pralinen, Blumen und Schmuck in den Supermärkten, schön drapiert zum drüberstolpern, kündigt es schon lange an: Bald ist Muttertag. Muttertag! Der Tag, an dem die Mütter sagen „das ist doch ein Tag wie jeder andere für mich“ und trotzdem freut man sich dann doch über die Blumen vom Gatten und das selbst gebastelte von den Kindern und schickt vielleicht abends dann doch noch kurz eine liebevolle Whatsapp an die eigene Mama.

Für wen ist eigentlich dieser Muttertag?

Ja, so ist das auch bei mir. Und dennoch ist dieses Jahr etwas anders. Dieses Jahr habe ich plötzlich Fragen. Viele Fragen rund ums Mamasein. Warum? Nun, ich habe Bärbel kennen gelernt. Und mit ihr eine Menge andere Mamas, für die das Mamasein etwas ganz anderes ist. Bärbel nämlich ist eine Sternenmama. Eine Mutter, deren Kind noch in ihrem Bauch gestorben ist, das kleine Herzchen ihres Sohnes hat einfach aufgehört zu schlagen. Am Muttertag hätte Bärbels kleiner Junge Geburtstag gehabt. Nun feiert er ihn im Himmel – gemeinsam mit vielen anderen Sternenkindern. Das ist leider keine Seltenheit, wird aber gerne verdrängt, das kennt ihr bestimmt. Jeder kennt jemanden, dem es schon „so“ ergangen ist, auch in meinem Bekanntenkreis gibt es gleich mehrere Sternenkinder.

Sternenmama Bärbel

Doch nicht jeder geht mit der Situation gleich um. Bärbel zum Beispiel  verarbeitet ihre Trauer öffentlich auf Instagram – und muss sich oft mit komischen Reaktionen auseinandersetzen. „Das sei doch jetzt schon lange genug her, da könne man doch einen Haken dran machen und nicht am Selbstmitleid zergehen“ zum Beispiel. Oder: „Du bist ja keine richtige Mama, du hast ja kein Kind!“

Und genau hier hat Bärbel etwas in mir geweckt. Die Frage nach dem Mamasein. Eine Frage, die ich mir noch nie gestellt habe, die aber, je länger ich darüber nachdenke, alles andere als leicht zu beantworten ist. Ab wann ist man eigentlich Mama?

Ab wann ist man Mama?

Gesellschaftlich scheint das erstmal logisch. Eine Mama ist eine Frau, die mindestens ein Kind hat. Aber wann hat man Kinder? Ab dem 2. Strich auf dem Schwangerschaftstest? Was ist mit den vielen, vielen Sternenmamas, die ihr Kind während der Schwangerschaft verlieren? Warum heißt es denn eigentlich, Schwangere seien „werdende Mütter“? Ist man erst Mama, wenn das Kind auf die Welt kommt? Was ist aber, wenn das Kind – wie bei Bärbel – tot geboren wird? Was ist mit Frauen, deren erwachsene Kinder durch Krankheit oder Unfall gestorben sind? Sind sie keine Mamas mehr? Kann man den Status „Mama“ verlieren?

Ein, zwei, drei, keine Mama

Und was ist eigentlich mit den vielen Mamas, die keine eigene Kinder haben, sondern die des Partners mit großziehen? Oder die des Bruders oder der Cousine oder der besten Freundin? Sind sie keine Mamas? Und was ist mit den Kindern? Haben diese Kinder dann zwei Mamas? Oder: Mütter, die sich, warum auch immer, nicht selbst um ihre Kinder kümmern können oder wollen und ohne Kinder alleine leben? Gilt das als Mama-sein? Ihre Kinder leben hoffentlich in liebevollen Pflegefamilien – sind die Mütter dort keine Mamas, liebe Gesellschaft? Viele Pflegefamilien nutzen die Begriffe "Bauchmama" und "Herzmama" - ist das nicht unfair fürs Kind? Können andere Personen für Kinder Mamas sein, wenn die eigene Mutter nicht da ist oder nicht bereit dazu ist, Mama zu sein? Tanten? Omas? Papas? Bezugspersonen aus dem Umfeld? Was ist mit gleichgeschlechtlichen Paaren, die ein Kind haben? Egal ob ein leibliches oder ein Pflegekind – können Männer Mamas sein?

Mamasein ist ein Gefühl!

Ihr seht: es ist gar nicht einfach, das Mamasein zu definieren. Mein Fazit ist: Mamasein ist ein Gefühl, ein ganz besonderes, für Kinder wie für die Person, die für sie die Mütterrolle annimmt. Und das ist, finde ich, die Hauptsache! Familie ist bunt!

Und deswegen sehe ich den Muttertag mehr denn je als Feiertag für alle Mamas an. Ja wie jetzt? Für wen denn genau? Ganz einfach: Für alle, die ihre Kinder lieben, egal in welcher Konstellation.

Egal ob Durchschnittsmama, Sternenmama, Pflegemama, Herzensmama, Tanten, Papas oder Omas - Ich wünsche Euch einen ganz tollen Muttertag!

Eure Julia

Julia ist Redakteurin bei uns im Online-Team. Dieser Essay erschien erstmals 2019 auf antenne1.de.