Eine leere Trage steht vor einem Rettungswagen., © Philipp von Ditfurth/dpa
Eine leere Trage steht vor einem Rettungswagen. Philipp von Ditfurth/dpa, dpa
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FDP verlangt mehr Tempo bei neuem Rettungsdienstplan

Im Fokus steht das Thema Hilfsfristen.

07.08.2023

Nach dem Veto des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) für den neuen Rettungsdienstplan fordert die oppositionelle FDP das Land auf, die künftigen Kriterien für das Rettungswesen festzulegen. Für die Liberalen ist der Appell des Gerichts, die geplanten Hilfsfristen zu überarbeiten, eine Schlappe für das zuständige Innenministerium. «Die juristische Fehlleistung des Ressorts von Minister Thomas Strobl (CDU) behindert eine Verbesserung des Systems», sagte Nico Weinmann, Fraktionsvizechef und Experte für Bevölkerungsschutz.

Strobl hatte eine Expertise zur kreisübergreifenden Notfallversorgung und den Auswirkungen der geplanten Zwölf-Minuten-Frist gestoppt bis neue Planungskriterien erarbeitet worden sind. Nach dem ursprünglichen Zeitplan hätte das landesweite Strukturgutachten zum Ende des Jahres 2023 vorliegen sollen.

«Strobl muss schleunigst liefern, damit die Begutachtung weitergehen kann», sagte Weinmann. Auch die größte Hilfsorganisation im Land, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), wartet auf die neuen Vorgaben von Grün-Schwarz. «Der Ball liegt nun in der Spielfeldhälfte des Landes», sagte Verbandssprecher Udo Bangerter.

Der VGH hatte moniert, dass Hilfsfristen im Rettungsplan 2022 ohne Beachtung der bisherigen Regelung und ohne Einbeziehung des Landtags verändert worden seien. Als neue Spanne zwischen dem Ende der Annahme eines Notrufs und dem Eintreffen des Rettungsdienstes am Notfallort waren zuletzt zwölf Minuten vorgesehen. Diese Vorgabe hat der VGH für unwirksam erklärt. Bisher sollte die Hilfsfrist in 95 Prozent der Notfälle möglichst 10, höchstens aber 15 Minuten betragen.

Das Ministerium arbeitet nach eigenen Angaben an einem Gesetzentwurf, «der dazu beitragen soll, dass der Rettungsdienst auch in Zukunft in der Lage ist, die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen». Ein Baustein sind die Regelungen zur Hilfsfrist, die laut Ministerium keine Aussagekraft über die Qualität der Notfallrettung haben, sondern als Planungsgröße dienen. Wichtig sei die neu aufzunehmende sogenannte Prähospitalzeit zwischen Anrufannahme über Ausrücken der Rettungswagen bis zur Ankunft des Patienten in der Klinik sowie die leitliniengerechte Versorgung, etwa bei Herzinfarkt.

«Ambitioniert und herausfordernd» findet Bangerter die avisierte Hilfsfrist. Sie stelle im Vergleich zum bisherigen Höchstwert eine Verbesserung um 20 Prozent dar. Bei Herzinfarkt entscheide jede Minute über Leben und Tod. Allerdings gebe es Grenzen: «Man kann ja auch nicht an jeder Ecke einen Rettungswagen platzieren.» Das Land müsse bei der Umsetzung von neuen Rettungsfristen Übergangsregeln vorsehen. «Bleibt es bei zwölf Minuten, wird es ohne zusätzliche Rettungswachen, zusätzliche Rettungswagen und mehr Beschäftigte nicht gehen.» Das DRK beschäftigt 3400 Notfallsanitäter im Südwesten, gefolgt vom Arbeiter-Samariter-Bund mit 470.

Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg finanziert sich über Benutzungsentgelte, die zwischen Leistungsträgern und Krankenkassen vereinbart werden. Daneben bezuschusst das Land den Bau von Rettungswachen. In einem Zwölf-Punkte-Programm für die Novelle des Rettungsdienstgesetzes weisen die Hilfsorganisationen auf einen stark steigenden Finanzbedarf aufgrund von Preissteigerungen, Erweiterungen und Erhalt der Infrastruktur hin. Deshalb müssten sich Finanzierung und Zuschüsse an den aktuellen Baupreisentwicklungen orientieren und im Staatshaushalt dafür ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.

Schon bisher scheiterten die meisten der 35 Rettungsdienstbereiche an den vorgeschriebenen Hilfsfristen: Stand Mai 2023 übertrafen nur zwei Bereiche die Marke von 15 Minuten in 95 Prozent aller Fälle. Mannheim kam auf 95,36 Prozent, Göppingen auf 96,1 Prozent. Schlusslicht war Karlsruhe mit 85,3 Prozent.

Nach Einschätzung Bangerters werden die Hilfsfristen in keinem Bundesland flächendeckend eingehalten. Sie seien eine Planungsgröße, auf die Krankenkassen, Hilfsorganisationen und Land im Verbund reagieren müssten, wenn sie unterschritten werden.

Die Zahl der Einsätze von Rettungswagen im Südwesten stieg laut der Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst von 1,024 Millionen im Jahr 2019 auf rund 1,035 Millionen in 2021. Coronabedingt waren Rettungswagen 2020 nur 926 000 Male ausgerückt.

Bangerter erklärte den Trend mit der veränderten Struktur des Gesundheitswesens und einer alternden Bevölkerung. Auf dem Land fehlten Hausärzte und kleine Kliniken. Die Notfallpraxen seien weit weg und das familiäre Umfeld, das Kranken früher mit Rat und Tat zu Hilfe kam, gebe es nicht mehr. «Kein Wunder, dass die Menschen rasch auf die 112 zurückgreifen», resümierte Bangerter.

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