«Enkel für Fortgeschrittene»: Generationen-Clash
Sie sind wieder da: Karin, Gerhard und Philippa, das zwar äußerst rüstige, indes vom Leben leicht gelangweilte Trio, das wir 2020 in «Enkel für Anfänger» kennenlernen durften. Eine so schwungvolle wie lebensbejahende Mainstream-Komödie rund um Generationengegensätze, in deren Verlauf sich die Drei als Leihgroßeltern bewähren mussten. Am Ende verabschiedet sich Karin für ein Jahr ans andere Ende der Welt.
Nun gibt es eine Fortsetzung, wieder inszeniert von Wolfgang Groos. Erneut spielen: Maren Kroymann («How to Sell Drugs Online (fast)»), Heiner Lauterbach («Es ist zu deinem Besten») und Barbara Sukowa («Hannah Arendt»).
Ehemann hat Interesse an der Nachbarin
Im Flieger ist Karin (Kroymann) noch bester Laune: Das Jahr in Neuseeland hat ihr offensichtlich gutgetan. Voller Elan berichtet sie ihrem Sitznachbarn davon (der dann schnell nach Kopfhörern verlangt). Zuhause verfliegt die gute Laune aber recht schnell. Ihr Ehemann (erneut gespielt von Günther Maria Halmer) hat sich während ihrer Abwesenheit ein wenig umorientiert: Nicht nur, dass er sich eine freundliche Nachbarin für die Haushaltspflege ins Heim geholt hat, die rührend für ihn sorgt – nein, es deutet einiges drauf hin, dass auch Gefühle mit im Spiel sind.
Aber Karin wäre nicht die resolute 66-Jährige («Es geht doch nicht, dass er sich einfach diese Witwe holt!»), die wir schon im Vorgängerfilm zu schätzen gelernt haben, wenn sie sich nicht zu wehren wüsste: Bald sind die Türschlösser ausgetauscht, nun kommt nicht mal mehr ihr Mann ins eigene Haus. Sie selbst quartiert sich derweil bei Freund Gerhard (Lauterbach) ein, dem schwulen und immer noch seinem verstorbenen Partner hinterhertrauernden Ex-Arzt.
Zwischen Rentner-Deutsch und modernem Denglisch
Dass das Trio gut kann mit den jüngeren Jahrgängen, das hat es in «Enkel für Anfänger» unter Beweis gestellt. Diesmal nehmen sich die drei eines Kinderladens an, der zu verwaisen droht: Und es geht auch zunächst alles gut. Eine Verunreinigung des Essens aber ruft nicht nur das Gesundheitsamt auf den Plan, sondern führt in der Folge zur Schließung der Einrichtung. Probleme aber, das kennen wir, die werden von Gerhard und Karin und Philippa aus dem Weg geräumt. Wenn auch erst nach manch Anlaufschwierigkeit. Im alltäglichen Dialog-Miteinander von Jugendlichen und betagten Betreuern kommt es zu herrlichen Sprach-Verwirrungen irgendwo zwischen Rentner-Deutsch und vermeintlich modernem Denglisch: «Wir haben noch cravings!» «Was?» «Kohldampf!»
Auch diesmal ist es gerade der, zunächst sehr sparsam mit seinen mimischen Mitteln umgehende Heiner Lauterbach, der letztlich am meisten berührt: Sein homosexueller Gerhard gibt sich zwar als kultivierter (aktuelles Projekt: das genaue Studium der Bach-Passionen) Bildungsbürger, sein BMW fährt mit Strom, mit zur AfD neigenden Freunden will er nix mehr zu tun haben. Und doch steckt er voller Ressentiments, was man unter anderem an seinem Umgang mit dem türkischstämmigen Zeitungszusteller spürt: Als es einmal nicht so gut klappt mit der allmorgendlichen Zustellung seines Leib-und-Magen-Blatts, ruft er diesem ein: «Erst die Arbeit, dann das Morgengebet!» hinterher.
Lauterbach hat diesen April seinen 70. Geburtstag gefeiert; nicht immer war die öffentliche Wahrnehmung seiner Schauspielkunst gerecht. Teils auch waren die Filme, in denen der renommierte Akteur spielte, ein wenig klamaukig («Kalte Füße»). Hier aber zeigt der gebürtige Kölner, wieviel etwa ein nur angedeutetes, ein ganz zartes Lächeln bewirken kann, wenn es gut getimt ist und glaubwürdig.
Die allmähliche Annäherung jedenfalls zwischen seiner Figur und dem von Ercan Durmaz («4 Blocks») verkörperten Zeitungsboten berührt, was indes auch an der respektvollen, ja in diesem Fall geradezu zurückhaltenden Regie liegt. Dass die «Enkel»-Fortsetzung etwas Zeit braucht, um in die Gänge zu kommen, dass der Schwung des Erstlings, dem ohne Zweifel stets sehr engagierten Spiel von Sukowa und Kroymann zum Trotz, teils fehlt, das kann auch ein Heiner Lauterbach nicht verhindern. Seiner vielgestaltigen und interessanten Figur aber, die einen immer wieder überrascht, ist es zu verdanken, dass dieser zweite Teil nicht doch irgendwann der Mittelmäßigkeit anheimfällt.
© dpa-infocom, dpa:230831-99-23257/5