«Ein echter Schock»: Bayern lange ohne Magic Musiala
06.07.2025
Als der FC Bayern 21 Stunden nach der fürchterlich anzuschauenden Verletzung von Jamal Musiala die traurige Gewissheit eines langen Ausfalls vermeldete, befand sich der Fußball-Nationalspieler schon auf dem Rückflug aus Orlando nach München.
Dort werde der 22-Jährige «zeitnah operiert», nachdem die Bayern-Ärzte in den USA nach dem 0:2 (0:0) gegen Paris Saint-Germain im Viertelfinale der Club-WM bei Untersuchungen festgestellt hatten, dass sich Musiala «im Rahmen einer Sprunggelenksluxation eine Fraktur des Wadenbeins» zugezogen hat. Aufgewühlt und gefrustet verließ auch der weitere Bayern-Tross die USA.
Eberl: «Ein echter Schock»
«Diese schwere Verletzung und der lange Ausfall sind ein echter Schock für Jamal und uns alle. Das trifft den FC Bayern», äußerte Sportvorstand Max Eberl: «Jeder weiß, wie immens wichtig Jamal für unser Spiel ist und was für eine zentrale Rolle er für unser Team hat.»
Dazu käme «die menschliche Tragweite», meinte Eberl: «Jamal kam gerade aus einer Verletzung und wird nun erneut eine lange Zeit fehlen. Er bekommt von uns alles, was er braucht.» Die Verletzung trifft auch die Nationalmannschaft: Die insgesamt sechs Qualifikationsspiele von September bis November muss Bundestrainer Julian Nagelsmann ohne Musiala erfolgreich bewältigen.
Vincent Kompany war am Samstag in Atlanta innerlich aufgewühlt extra ins vertrautere Englisch gewechselt, um seinen tiefen Schmerz über den schlimmen Sportunfall von Magic Musiala ausdrücken zu können. «Das, was mein Blut zum Kochen bringt, ist nicht das Ergebnis. Sondern die Tatsache, dass es jemandem passiert ist, der das Spiel so sehr genießt und so wichtig ist für uns», sagte der Coach ins Deutsche übersetzt. Kompanys Stimme bebte.
Der emotionale Tiefschlag des Musiala-Dramas überlagerte alles andere. Er begleitet die Münchner Profis auch in den nun anstehenden dreiwöchigen Urlaub. Die millionenschwere WM-Finalwoche in New York findet ohne sie statt. Auch Thomas Müllers Bayern-Abschied nach dem 756. Pflichtspiel war nicht mehr das große Thema an einem Wochenende, an dem die Bayern wie schon in der Champions League gegen Inter Mailand auch bei dem umstrittenen XXL-Turnier des Weltverbandes in diesem Sommer im Viertelfinale scheiterten.
Neuer und Eberl attackieren Donnarumma
Eberl wähnte die eigene Mannschaft zwar auf «Augenhöhe» mit der aktuell wohl besten auf dem Globus. Aber PSG erzielte eben durch Desiré Doué (78. Minute) und Ousmane Dembélé (90.+6) zwei Tore. Letzteres sogar, als die Bayern nach zwei Roten Karten für William Pacho (81.) und Lucas Hernández (90.+2) mit Elf gegen Neun agierten. Und das eher kopflos.
Das alles verblasste aber in den Sorgen um Musiala und dessen schlimm verdrehten linken Fuß, auf den der 1,96 Meter große PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma Ende der ersten Hälfte mit voller Wucht gekracht war. Es war eine beim Ansehen schwer erträgliche Szene. Und die heftigen Emotionen entluden sich direkt nach dem Spiel auch an Donnarumma. Neuer nannte die Aktion des Torwart-Kollegen «schon risikofreudig. Da nimmt man die Verletzung in Kauf».
Er habe Donnarumma sogar auf dem Platz auffordern müssen, zum später mit der Trage abtransportierten Musiala zu gehen. «Der Jamal liegt da, der hat eine schwere Verletzung. Da gehört sich das einfach aus Respekt, hinzugehen, ihm alles Gute zu wünschen und ein kleines Sorry dazulassen», zürnte der sonst besonnene Neuer aufgebracht. Irgendwo verständlich: Ein Unterschenkelbruch nach der WM 2022 hätte Neuers großartige Karriere beinahe beendet.
Wadenbein gebrochen, Bänderrisse, Operation
Donnarumma (26) hatte freilich nach der Aktion tief betroffen gewirkt. Er rieb sich die Augen. Nach dem Spiel reagierte er mit einer Botschaft via Instagram: «Alle meine Gebete und guten Wünsche sind bei Dir, Jamal Musiala.»
Erst einmal wird der 22-jährige Musiala Ärzte benötigen und ein lange Reha nach der Operation. Auch Sportvorstand Eberl war «angefasst». Auch wenn er Donnarumma keine Vorwürfe machen wollte, sprach er sie im Stadion doch aus. «Wenn ich mit 100 Kilo und einem Sprint auf den Unterschenkel springe, ist die Gefahr groß, dass was passiert», sagte Eberl. Absicht aber, betonte er, sei beim PSG-Torwart sicherlich «null komma null» im Spiel gewesen.
Müller ärgern «geschmacklose Diskussionen»
Wie geht es weiter? Das Unglück von Musiala, der erst zum Turnier aus einer längeren Verletzungspause zurückgekehrt war, verändert einiges beim FCB. Die Zukunft geht ja auch ohne das Urgestein Thomas Müller weiter. Der 35-Jährige legt das Bayern-Trikot ohne Happy End ab. Könnte er nach Musialas langem Ausfall nun nicht doch noch als Überbrückungshilfe bleiben?
Derart «geschmacklosen Diskussionen» lehnte Müller im Moment des Bangens um Musiala brüsk ab. «Nur weil man jetzt irgendwelche Gedankenspiele auf den Tisch bringen kann, hat das nichts mit der Realität zu tun.»
Wie sind die Bayern-Realitäten nach dieser Club-WM? Müller muss(te) gehen. Leroy Sané ist ablösefrei gegangen. Und Musiala fällt lange aus. Der Handlungsdruck in der Offensive steigt, das Transferziel Nick Woltemade wird heißer. Der 23 Jahre alte Shootingstar vom DFB-Pokalsieger VfB Stuttgart ist torgefährlich - und könnte die vakante Zehner-Position ausfüllen.
Hoeneß: Woltemade passt prima
«Ich halte ihn für einen sehr, sehr guten Spieler, der prima zu uns passen würde», sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß (73) nur wenige Stunden vor dem Musiala-Schreck. «Und ich würde es sehr begrüßen, wenn das dieses Jahr klappt. Und wenn nicht, dann nächstes Jahr.» Sofort wäre jetzt wohl besser.
Kompany gibt drei Wochen Urlaub
Die Bayern jedenfalls müssen was tun, wenn sie international nicht dauerhaft Teams wie Paris gratulieren wollen. «Wir werden uns belohnen - irgendwann», sagte Neuer trotzig. Der 39-Jährige erklärte das optisch auf Augenhöhe geführte Duell mit PSG sogar «zum Vorbild» und verkündete: «Wir wollen in Europa wieder angreifen! Wir wollen auch in der Bundesliga und im DFB-Pokal wieder da sein!»
Erst einmal aber geht's in den Urlaub. Kompany gönnt seinen Profis frei bis Ende Juli. «Es geht nicht weniger. Es ist wichtig, dass die Jungs auch mental mal abschalten können», sagte er. Ohne große Vorbereitung geht es dann am 16. August im Supercup gleich wieder um den ersten kleinen Titel. Und das ausgerechnet in Stuttgart, gegen den VfB - und gegen Nick Woltemade?
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