Für den derzeitigen Rückgang der Asylbewerberzahlen gibt es eine Reihe von Gründen. (Archivbild), © Daniel Löb/dpa
Für den derzeitigen Rückgang der Asylbewerberzahlen gibt es eine Reihe von Gründen. (Archivbild) Daniel Löb/dpa, dpa
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Die Wende? Mehr Ausreisen und Abschiebungen als Asylanträge

11.07.2025

Ist es eine Trendwende? Oder nur eine Momentaufnahme? In Baden-Württemberg ist die Zahl der neuen Asylbewerber zuletzt so sehr gesunken, dass nun erstmals wieder mehr Menschen das Land freiwillig oder unter Zwang verlassen haben als neue Anträge auf Schutz gestellt wurden.

Nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums stellten im vergangenen Monat 527 Menschen einen Asylerstantrag oder auch einen Folgeantrag - das sei der tiefste Stand in diesem Jahr. Im selben Zeitraum wurden demnach aber auch 260 Menschen abgeschoben. Außerdem verlassen Monat für Monat zahlreiche Asylbewerber das Land aus freiem Willen. Hier liegen zwar noch keine Zahlen für das zweite Quartal vor. Aber setzt sich der Trend der ersten drei Monate des Jahres fort, so dürfte die Zahl der sogenannten freiwilligen Ausreisen im Juni bei rund 280 gelegen haben.

Gentges: «Asylwende ist eingeleitet»

Damit gilt als sicher: Die Zahl der freiwilligen oder auch erzwungenen Ausreisen aus Baden-Württemberg liegt nach den vorläufigen Daten erstmals in einem Monat wieder über der Zahl der gestellten Anträge auf Schutz.

«Die Asylwende ist eingeleitet», sagte die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU). Die Asylzugänge seien bereits im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2023 deutlich zurückgegangen und auch zuletzt nochmals gesunken. «Gleichzeitig konnte die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen deutlich erhöht werden», sagte Gentges. «Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen.»

Deutlich weniger Anträge

Nach den Zahlen des Justizministeriums wurden im ersten Halbjahr 5.769 Menschen mit einem Asylerstantrag oder auch einen Folgeantrag in Baden-Württemberg registriert. Das ist ein deutlicher Rückgang zum Vorjahreszeitraum von mehr als 45 Prozent (erstes Halbjahr 2024: 10.563) und von sogar fast 60 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum vor zwei Jahren (14.135).

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden den Angaben nach aber auch 1.841 Menschen in ihre Herkunftsländer oder in die zuständigen EU-Mitgliedstaaten abgeschoben, darunter 522 Straftäter. Dazu kommen einige Hundert freiwillige Ausreisen, die Zahl für das gesamte erste Halbjahr liegt aber noch nicht vor.

Rückgang geht vor allem auf Konto der Ampel

Auch bundesweit ist die Zahl der Asylanträge im ersten Halbjahr regelrecht abgestürzt. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) haben in diesem Zeitraum 61.336 Menschen erstmals einen Antrag auf Schutz in Deutschland gestellt, das sind fast 50 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dazu kommen noch 11.482 Folgeanträge.

Da die neue Bundesregierung aber erst seit Anfang Mai im Amt ist, dürfte ein Großteil der rückläufigen Zahlen auf das Konto der abgewählten Ampel-Regierung und auf andere Gründe zurückgehen. Die ehemalige SPD-Innenministerin Nancy Faeser hatte bereits Anfang April - also noch vor dem Ende ihrer Amtszeit - erklärt, dass die Asylzahlen im Vergleich zu 2023 um 50 Prozent niedriger und die Zahl der Abschiebungen um 55 Prozent höher gewesen sei.

Mehrere Gründe für Rückgang

Neben den schrittweise eingeführten stationären Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen dürften auch Maßnahmen von Balkan-Staaten dazu beigetragen haben, dass die irreguläre Migration zurückgeht.

Ein weiterer Faktor ist die veränderte Lage in Syrien, wo im Dezember Langzeitmachthaber Baschar al-Assad gestürzt worden war. Syrien, im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg noch Hauptherkunftsland von Asylbewerbern, lag im ersten Halbjahr 2025 mit 815 Anträgen hinter Afghanistan (876 Erstanträge) und der Türkei, die die Liste der wichtigsten Herkunftsstaaten mit 921 Erstanträgen nun wieder anführt.

Deutschland hatte schon 2023 mit Kontrollen begonnen, um Migranten ohne die nötigen Papiere die Einreise zu verwehren. Mit Start der neuen Bundesregierung Anfang Mai wurden die Kontrollen dann ausgeweitet und die Regeln verschärft: Abgewiesen werden können nun - anders als zuvor - auch Menschen, die ein Asylbegehren äußern.

Drei weitere Klagen gegen Zurückweisungen

Gegen diese Zurückweisungen Asylsuchender gibt es aktuell noch mindestens drei Klagen an deutschen Grenzen, darunter auch eine am Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Es befasst sich in einem Eilverfahren und dem dazugehörigen Hauptsacheverfahren mit der Klage eines Algeriers. Die Bundespolizei hat ihre ursprüngliche Einreiseverweigerung inzwischen aufgehoben, weil der Mann bereits eingereist ist und in einer Aufnahmeeinrichtung in Heidelberg lebt. Es kann deshalb sein, dass das Eilverfahren sich damit weitgehend erledigt hat. Das Hauptsacheverfahren soll aber stattfinden.

Anfang Juni hatte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin in einer Eilentscheidung für Aufsehen gesorgt. Das Gericht hatte festgestellt, die Zurückweisung dreier Somalier bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) sei rechtswidrig gewesen. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, dürften sie nicht abgewiesen werden, hieß es.

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