Die Messerkriminalität nimmt zu. (Symbolbild), © Roland Halkasch/dpa-Zentralbild/dpa
Die Messerkriminalität nimmt zu. (Symbolbild) Roland Halkasch/dpa-Zentralbild/dpa, dpa
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Wie wirksam sind Messerverbotszonen?

30.05.2025

Immer wieder werden Menschen im öffentlichen Raum mit Messern attackiert - das erschüttert viele. So wie der Tod des jungen Polizisten Rouven Laur, der vor genau einem Jahr auf dem Mannheimer Marktplatz von einem mutmaßlichen Islamisten niedergestochen wurde und für den die Stadt am Samstag eine Gedenkfeier ausrichtet. Der Marktplatz liegt innerhalb einer Waffen- und Messerverbotszone - was die schreckliche Tat nicht verhindern konnte. Immer mehr Städte im Südwesten haben in den vergangenen Jahren solche Bereiche eingerichtet. Aber machen sie die Straßen und Plätze auch sicherer?

Die Verbotszonen und die Rechtslage

Anfang Oktober 2022 schuf das Land die rechtlichen Möglichkeiten für die Kommunen, um Waffen- und Messerverbotszonen einzurichten. In Baden-Württemberg haben bislang die Städte Stuttgart, Mannheim, Heilbronn, Heidelberg und Ulm solche Zonen eingerichtet. Nach dem Waffengesetz darf man ohnehin keine (Schreck-)Schusswaffen, Hieb-, Stoß- und Stichwaffen sowie Elektroschocker dabeihaben.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat zudem im April ein Messerverbot in Bussen und Bahnen auf den Weg gebracht, das sogar unscharfe Buttermesser oder Schweizer Taschenmesser umfasst. Ausgenommen sind nur etwa Rettungskräfte, Ärzte, Feuerwehrleute oder Jäger und Fischer. Seit Ende Oktober 2024 gilt außerdem ein allgemeines gesetzliches Verbot für das Führen von Messern bei öffentlichen Veranstaltungen.

Die Haltung der Landesregierung

Das Innenministerium spricht mit Blick auf die Messerverbotszonen von einem «zusätzlichen Baustein für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum». Die Zonen seien - neben einer beabsichtigten Strafverschärfung - wichtig zur Bekämpfung von Straftaten mit Messern. «Messerangriffe im öffentlichen Raum können das Sicherheitsgefühl der Menschen empfindlich stören – ja, es nachhaltig beschädigen», sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) der dpa. Waffen- und Messerverbotszonen könnten die Sicherheit der Menschen im öffentlichen Raum erhöhen. «Sie allein lösen sicher nicht alle Probleme und sie sind auch kein Allheilmittel», räumte er ein. Aber: «Jedes Messer und jede Waffe, die wir sicherstellen, ist ein Sicherheitsgewinn.»

Die Sichtweise der Baden-Württemberger

Die Mehrheit der Baden-Württemberger glaubt einer Umfrage zufolge jedoch nicht daran, dass Messerverbotszonen ein wirksames Mittel sind. 62 Prozent der Befragten meinen, dass diese Bereiche nicht nachhaltig helfen, um Angriffe zu verhindern, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der AfD-Fraktion ergab. Nur 13 Prozent der Baden-Württemberger sind überzeugt, dass die Verbotszonen auf jeden Fall nachhaltig helfen, um Angriffe mit Messern zu verhindern. Vor allem Wähler der AfD stehen demnach den Messerverbotszonen skeptisch gegenüber.

Die Kriminalitätslage im Land

Fest steht: In Baden-Württemberg werden immer mehr Menschen von anderen mit Messern bedroht oder angegriffen. Die Messerattacken im öffentlichen Raum nahmen 2024 im Vergleich zum Vorjahr laut jüngster Kriminalstatistik erneut zu - um 3,2 Prozent auf rund 1.300 Fälle. Anteilig handelt es sich bei rund 40 Prozent dieser Taten um Bedrohungen, bei einem Drittel um gefährliche Körperverletzungen, 20 Prozent sind Raubdelikte und bei 5 Prozent geht es um Mord und Totschlag. Die Zahl der Tatverdächtigen bei Messerangriffen im öffentlichen Raum nahm 2024 um 7,3 Prozent auf rund 1.240 Menschen zu.

Fast acht von zehn Messerangriffen (75,6 Prozent) kläre die Polizei auf, so das Innenministerium. Als Messerangriff gilt nicht nur die Attacke mit einem Messer gegen eine oder einen anderen. Auch Bedrohungen mit Messern werden mittlerweile als Angriffe in der Statistik erfasst.

Die Lage in den Kommunen

In der Landeshauptstadt gibt es seit Februar 2023 eine Waffen- und Messerverbotszone. Seitdem seien schwere Straftaten gegen das Leben mit Messern deutlich zurückgegangen, berichtet die Polizei dort. In den gut zwei Jahren seien 180 verbotene Messer sichergestellt worden, darunter Einhandmesser, Klappmesser und Springmesser. Dennoch seien solche Zonen kein Allheilmittel. Über die Zahl der kontrollierten Personen werde keine Statistik geführt, auch zur abschreckenden Wirkung könne man nichts sagen. Messer seien inzwischen bei Jugendlichen «Statussymbole», heißt es bei der Stuttgarter Polizei.

Die Perspektive der Polizeigewerkschaft

Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht die Zonen grundsätzlich positiv. Allerdings, so der Landeschef der DPolG, Ralf Kusterer, wirkten sie nur dann, wenn auch ausreichend kontrolliert werde. «Wenn man alle reinlässt, ist die Abschreckung gleich null», so Kusterer. Potenzielle Täter müssten mit Kontrollen rechnen. «Das Entdeckungsrisiko spielt eine große Rolle.» Von einem Verbotsschild allein ließen sich Täter nicht abhalten.

Bislang werde meist nur stichprobenartig kontrolliert. Zu mehr Kontrollen seien die Polizeikräfte im Land gar nicht in der Lage, kritisiert der Gewerkschaftsboss. Außerdem müsse geklärt werden, wer in welchem Fall für die Kontrollen zuständig sei - die Landes- oder die Bundespolizei, kommunale Ordnungsdienste? Bahnmitarbeiter, private Sicherheitsfirmen?

Mit intensiven Kontrollen könnten Verbotszonen eine Wirkung erzielen - etwa bei Jugendlichen, die vermehrt einfach Messer in der Öffentlichkeit trügen. Kusterer räumt aber ein: «Die, die bewusst Messer einsetzen wollen, die werden wohl nicht abgeschreckt.»

Auch sonst stößt man unter Polizisten mitunter auf Skepsis. Man beschlagnahme zwar immer wieder Messer, aber die Fallzahlen im Bereich Messerkriminalität gingen dennoch nicht runter, berichtet ein Beamter, der nicht namentlich zitiert werden will. Schließlich ist das Thema politisch umstritten. Er glaube nicht an die abschreckende Wirkung des Verbots. Denn: «Es ist ja auch verboten, jemanden abzustechen.» Und trotzdem passiere das. Und: «Der, dem man das Messer wegnimmt, der besorgt sich ein neues.»

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