Gedenktag für Opfer von Srebrenica – AfD-Eklat im Bundestag
11.07.2025
Erstmals ist mit einem internationalen Gedenktag an die Opfer des Völkermords von Srebrenica im Bosnien-Krieg vor 30 Jahren erinnert worden. Internationale Gäste kamen zu einer zentralen Gedenkfeier nach Potocari in Bosnien-Herzegowina. Bei einer Gedenkdebatte im Bundestag lösten Redebeiträge von AfD-Abgeordneten einen Eklat aus.
Vor 30 Jahren, am 11. Juli 1995, töteten bosnisch-serbische Truppen mehr als 8.000 Menschen, in der Mehrzahl muslimische Männer und männliche Jugendliche. Internationale Gerichte haben die Episode im Bosnien-Krieg als Völkermord anerkannt. Sie gilt als das schlimmste Massaker seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa.
Die Gedenkfeier in Bosnien-Herzegowina fand im damaligen Hauptquartier der niederländischen Blauhelm-Truppen statt. Ihnen wird vorgeworfen, das Massaker nicht verhindert zu haben.
Eine Opfervertreterin, die Präsidentin des Vereins Mütter von Srebrenica, Munira Subasic, wünschte denjenigen, die bei den UN gegen den Gedenktag gestimmt haben, sie mögen «weiterhin im Dunkeln leben». Die UN-Vollversammlung hatte den internationalen Gedenktag im Mai 2024 beschlossen, unter anderem Serbien, China, Russland und Ungarn hatten dagegen gestimmt.
Identifizierung von Opfern läuft noch immer
Auf dem Friedhof gegenüber vom ehemaligen Hauptquartier liegen 6.765 der insgesamt 8.372 bosniakischen Opfer des Massakers. Die Identifizierung von Opfern läuft immer noch. Sieben Getötete, darunter zwei damals 19-Jährige, wurden nun auf dem Friedhof beigesetzt. Die Region gehört heute zum vorwiegend von ethnischen Serben bewohnten Landesteil Republika Srpska.
Hoher Repräsentant benennt Versagen des Westens
Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina, Christian Schmidt, räumte ein Versagen der westlichen Kräfte während des Massakers ein: «Ich danke Ihnen für die Einladung an uns, diejenigen von uns, die 1995 nicht gegen Mladic und seine Komplizen vorgegangen sind», sagte er.
Der bosnisch-serbische General Ratko Mladic war für das Massaker mitverantwortlich. Er wurde 2017 vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) zu lebenslanger Haft verurteilt. Der deutsche Politiker Schmidt (CSU) repräsentiert – auch mit gesetzgeberischen Vollmachten – die internationale Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina aufgrund des Friedensabkommens von Dayton von 1995.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte verwies in einer Gedenkbotschaft per Video als Niederländer auf die «Verbindung (des damaligen Massakers) mit meinem Land». Auch die Staatschefs Italiens, Frankreichs und der Türkei, Sergio Mattarella, Emmanuel Macron und Recep Tayyip Erdogan meldeten sich per Videobotschaft.
Serbiens Präsident Vucic nicht dabei
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach in einer Mitteilung von einem «Schatten, der sich über Generationen zieht» und betonte die Verantwortung Europas, das Geschehene anzuerkennen und Leugnung und Verharmlosung zurückzuweisen. Auch EU-Ratspräsident António Costa, der nach Potocari kam, mahnte, es gebe keinen Platz für Geschichtsrevisionismus oder Genozid-Leugnung. Die Leugnung des Völkermord-Charakters des Massakers ist in Bosnien-Herzegowina seit 2021 verboten.
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic nahm nicht an der Gedenkfeier teil. Er kondolierte den Familien der bosniakischen Opfer auf der Plattform X. Serbien erkennt die Einstufung des Massakers als Völkermord nicht an. Vucic bezeichnete die Geschehnisse in seinem Post als «schreckliches Verbrechen».
Grundstein für Denkmal in Den Haag
In Den Haag waren mehrere Hundert Menschen bei einer Gedenkfeier dabei, bei der der Grundstein für ein nationales Mahnmal zum Gedenken an den Völkermord gelegt wurde. Vor dem früheren UN-Kriegsverbrechertribunal zu Jugoslawien wurde der Stein mit 8.372 kleineren Steinen gelegt - entsprechend der Zahl der Opfer.
AfD-Reden im Bundestag stoßen auf Protest im Plenum
Der Bundestag unterbrach die laufenden Haushaltsberatungen für eine Gedenkdebatte zu dem Völkermord. «Srebrenica war das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg», sagte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zum Auftakt.
Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf kritisierte anschließend die Einstufung des Kriegsverbrechens als Genozid und sagte, «die Serben erschossen dort Männer, verschonten grundsätzlich Frauen und Kinder». Die Erinnerungskultur, die man dem ohnehin fragilen Staat Bosnien-Herzegowina von außen aufzwinge, trage nicht zur Besänftigung der Spannungen im Staat bei. Redner der anderen Fraktionen kritisierten die Aussagen scharf und warfen Wolf vor, den Völkermord zu leugnen.
Lautstarken Protest gab es auch, als der AfD-Abgeordnete Martin Sichert seine Rede vor allem für innenpolitische Themen nutzte, die der AfD wichtig sind. «Srebrenica mahnt uns, Multikulti zu beenden, bevor es zu spät ist», sagte er.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) ergriff nach den AfD-Reden ungeplant das Wort. Der Bundestag diskutiere über den anerkannten Völkermord, sagte er auch an die Gäste auf der Tribüne gerichtet: «Und ich bedaure, dass wir den Opfern den Angehörigen, insbesondere hier Anwesenden und dem Herrn Botschafter, derartige Debatten zumuten», fügte er hinzu.
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