Rückt Frieden näher? Die Knackpunkte nach dem Ukraine-Gipfel
19.08.2025
Es ist zwar noch kein Frieden in Sicht. Aber zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor fast dreieinhalb Jahren zeichnet sich ein umfassender Verhandlungsprozess mit allen Beteiligten ab. Bereits am Freitag sprachen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin in Alaska direkt miteinander. Nun folgte ein Treffen Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und europäischen Spitzenpolitikern in Washington. Was hat dieser Gipfel konkret gebracht - und was ist noch offen?
Kommt es zu einem Treffen von Putin und Selenskyj?
Danach sieht es aus. Der US-Präsident verkündete, er habe damit begonnen, ein Zweiertreffen der beiden Präsidenten vorzubereiten. Ort und Zeit sind bislang unbekannt. Die Begegnung soll aber nach Angaben von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) innerhalb der nächsten beiden Wochen stattfinden. Danach - so Trumps Plan - soll ein Dreiertreffen mit ihm selbst folgen.
Offensichtlich ist dieser Plan aber noch nicht fix. Nach einem Telefonat Trumps mit Putin sprach der Kreml zunächst nicht von einem Treffen auf Präsidentenebene. Zwar hat Putin bereits mehrfach erklärt, dass er bereit sei zu einem Treffen mit Selenskyj, allerdings nannte er dabei stets als Bedingung, dass grundlegende Fragen vorab geklärt sein müssten. Selenskyj sagte dagegen im Weißen Haus erneut, dass er Putin treffen und auch Trump gern dabeihaben wolle.
Wie können Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen?
Mit sogenannten Sicherheitsgarantien können Staaten oder internationale Organisationen einem Land verbindliche Zusagen geben, um dessen Schutz zu gewährleisten und es vor externen Bedrohungen zu schützen. Im Fall der Ukraine bergen vor allem zwei Varianten Konfliktpotenzial:
Zusicherungen nach dem Vorbild des Artikels 5 des Nato-Vertrages: Dieser Artikel besagt, dass Bündnispartner im Fall eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen können und eine Attacke auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle gewertet wird. Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte in Washington, dass es zwar nicht um eine volle Mitgliedschaft der Ukraine in der Allianz gehe, aber Artikel-5-ähnliche Zusicherungen weiterhin auf dem Tisch seien. Was sie umfassen sollen, werde nun im Detail besprochen.
Friedenstruppen für die Ukraine: Rutte, Merz und auch Trump ließen offen, wie genau eine solche Truppe aussehen könnte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von «Rückversicherungstruppen auf dem Meer, in der Luft und am Boden», die von den Verbündeten der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten.
Für Macron gehört auch eine robuste ukrainische Armee, die jedem Angriff standhalten könne, zu den notwendigen Sicherheitsgarantien. Ähnlich klang es auch bei Selenskyj. Rutte unterstrich im US-Sender Fox News, dass Russland nach einem Friedensabkommen nie wieder versuchen dürfe, auch nur eine Quadratmeile ukrainischen Bodens zu ergattern.
Was sagt Moskau dazu?
Putin hatte nach seinem Treffen mit Trump in Alaska zwar auch von Sicherheitsgarantien für die Ukraine gesprochen, diesen Punkt aber nicht näher ausgeführt. Das russische Außenministerium bekräftigte am Tag der Gespräche in Washington, dass Russland keine Truppen aus Nato-Staaten zur Friedenssicherung nach einem Waffenstillstand in der Ukraine akzeptieren werde. Bei solch einem Szenario drohe eine Eskalation und der Konflikt zu einer globalen Konfrontation zu werden, hieß es aus Moskau.
Gibt es eine Waffenruhe oder nicht?
Das ist völlig unklar. Die Aussagen der verschiedenen Akteure sind unterschiedlich. Trump hatte ursprünglich eine sofortige Waffenruhe für die Ukraine verlangt. Nach seinem Treffen mit Putin, der in diesem Punkt kein erkennbares Einlenken signalisierte, war davon keine Rede.
Kanzler Merz sagte nun in Washington: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste Treffen ohne eine Feuerpause stattfindet.» Allerdings kassierte Selenskyj seine schon länger bestehende Forderung nach einer Waffenruhe ein, die es vor einem Treffen mit Putin geben müsse. «Ich finde, dass wir uns ohne irgendwelche Vorbedingungen treffen und darüber nachdenken müssen, wie dieser Weg zur Beendigung des Krieges weitergehen könnte», sagte er nach den Gesprächen im Weißen Haus.
Was ist mit Gebietsabtretungen an Russland?
Russland forderte stets, dass die Ukraine für einen Waffenstillstand den Verlust eigener Gebiete anerkennen solle. Die annektierten ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson werden seit 2022 in der russischen Verfassung als neue Regionen aufgeführt.
In einem Memorandum machte Moskau den Vorschlag, dass die ukrainischen Streitkräfte komplett aus den noch nicht ganz von russischen Truppen kontrollierte Gebieten Luhansk und Donezk abziehen, zur Bedingung für einen Waffenstillstand. Im Gebiet Donezk liegen die strategisch wichtigen Städte Kramatorsk und Slowjansk, die Kiew noch hält und nicht aufgeben will.
Spekuliert wird, dass Russland besetzte Teile der ukrainischen Gebiete Sumy, Charkiw, Dnipropetrowsk und Mykolajiw aufgeben und dafür die volle Kontrolle in Donezk und Luhansk erhalten könnte. Offen ist auch die Zukunft der Gebiete Saporischschja und Cherson. Sie sind jeweils zu mehr als 50 Prozent unter russischer Kontrolle, jedoch hat Kiew in den Gebietshauptstädten weiter das Sagen.
Selenskyj betonte immer wieder, die ukrainische Verfassung lasse keinen Verzicht auf Gebiete oder den Tausch von Land zu. Er sagte auch, dass er über territoriale Fragen direkt mit Putin verhandeln wolle. Die europäischen Verbündeten betonten, dass die Ukraine eine Entscheidung über einen von Russland geforderten Verzicht auf Gebiete selbst treffen müsse.
Was ist die Rolle Deutschlands?
Deutschland steht weiterhin eng an der Seite der Ukraine. Kanzler Merz hat eine führende Rolle unter den europäischen Verbündeten. Er sagte in Washington, das geplante Treffen zwischen Putin und Selenskyj müsse gut vorbereitet werden. «Das werden wir auch mit Präsident Selenskyj tun.»
Innenpolitisch zeichnen sich schwierige Diskussionen darüber ab, wie genau sich Deutschland im Falle eines Friedensabkommens an Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen sollte. Zentrale Frage: Soll Deutschland 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Bundeswehr-Truppen in die Ukraine schicken?
Merz sagte, der Umfang der Sicherheitsgarantien müsse in Europa und in der Koalition in Berlin besprochen werden - «bis hin zu der Frage, ob wir hier möglicherweise mandatspflichtige Beschlüsse zu fassen haben». Noch sei es zu früh, um darauf eine endgültige Antwort zu geben. Mandatspflichtige Beschlüsse bedeutet: Der Bundestag müsste darüber entscheiden, Bundeswehrsoldaten in die Ukraine zu schicken.
Wie optimistisch sind die Europäer?
Nach dem Gipfel war Erleichterung herauszuhören. So sagte Merz zum Beispiel: «Meine Erwartungen sind eigentlich nicht nur getroffen, sondern übertroffen worden.» Er wolle nicht verhehlen, dass er unsicher gewesen sei, ob das Treffen so ausgehen werde. «Das hätte auch anders verlaufen können.»
Es gab aber auch andere Zwischentöne. Der finnische Präsident Alexander Stubb sagte dem US-Sender CNN nach dem Treffen, die grundlegenden strategischen Ziele Putins hätten sich nicht geändert. Der Kremlchef wolle Russland als Supermacht sehen. «Er möchte den Westen spalten.» Und er wolle der Ukraine die Souveränität nehmen, ergänzte der Finne, dessen Land direkt an Russland grenzt.
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