Rückkehr des ausgedienten Humors?
07.08.2025
2025, das ist das Jahr, in dem der einst in die freie Wirtschaft gegangene CDU-Politiker Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt wird und Leute wieder Kuscheltiere zum Kult überhöhen, nur dass die Plüschpüppchen jetzt Labubu statt Monchhichi heißen und aus China statt Japan kommen.
Im Fernsehen bestückt nach Jahren des Ruhestands Ex-Entertainer Stefan Raab wieder den Eurovision Song Contest und im Kino werden Komödien fortgesetzt, deren Humor als begraben galt: «Die nackte Kanone» und «Das Kanu des Manitu».
Leben wir in einer Zeitschleife? Derzeit sind lauter Personen und Phänomene wieder präsent, die eigentlich für immer verschwunden schienen. Junge Männer tragen auch wieder Oberlippenbart und Vokuhila-Frisuren.
Lust auf lautes Lachen in finsterer Weltlage
«Man könnte sagen: Wir leben in einer Zeit der Wiederkehr», sagt der Komik-Experte Rainer Dick. Dafür gebe es gute Gründe. «Was Humor angeht, scheint es eine Nostalgie-Lust zu geben. Ich finde das nicht verwunderlich, denn in den letzten fünf Jahren ist die Weltlage noch einmal deutlich düsterer geworden.»
Er denke, es gebe bei vielen ein Bedürfnis, diese dominierende Ernsthaftigkeit wegzulachen - etwa, indem man sich über die testosterongeschwängerte Männlichkeit von Krimihelden («Die nackte Kanone») oder Cowboys («Das Kanu des Manitu») lustig mache.
«Das Kanu des Manitu» ist eine Fortsetzung des gigantischen Komödienhits «Der Schuh des Manitu» von Michael «Bully» Herbig, der vor 24 Jahren - zwei Monate vor dem 11. September 2001 - ins Kino kam.
Der Film zeichnete sich damals durch seine detailverliebte Parodie auf die Karl-May-Verfilmungen der 60er Jahre aus. Der Reiz beruhte nicht zuletzt auf der bewussten Übernahme der Bildgestaltung dieser alten Western.
«Die Komödie reflektiert auch die Blutsbrüderschaft von Winnetou und Old Shatterhand - anhand von Abahachi und Ranger - und legt eine früher stets unausgesprochene Homoerotik darin offen», sagt der Buch-Autor Dick («Lexikon der Filmkomiker», «Laurel & Hardy: Sehr viel mehr als dick und doof»). «Und die wird dann mit Abahachis schwulem Zwillingsbruder Winnetouch überdreht.»
Eine Persiflage ist Verspottung durch übertreibende Nachahmung
Die Persiflage war bis dato etwas Seltenes in Deutschland. Bei Kinokomödien hatte lange Zeit Slapstick wie bei Dieter Hallervorden («Didi - Der Doppelgänger») oder aber Nonsens und Körperkomik mit einer Art Sketch-Aneinanderreihung («Otto - Der Film») überhandgenommen. Eine eigene Kategorie in Deutschland war stets Loriot.
Die Kunstform Persiflage gab es viele Jahre fast ausschließlich bei US-Kinoproduktionen wie 1988 eben «The Naked Gun» mit dem unvergleichlichen Leslie Nielsen in der Hauptrolle (deutscher Titel: «Die nackte Kanone»), bei Star-Komiker Mel Brooks («Frankenstein Junior», «Spaceballs») oder den Anarcho-Späßen der britischen Komiker-Truppe Monty Python («Das Leben des Brian»).
Bully Herbig legte nach dem «Schuh des Manitu» noch «(T)raumschiff Surprise - Periode 1» nach, in dem die Fernsehabenteuer des «Raumschiffs Enterprise» verulkt wurden. Fast zeitgleich kam 2004 auch «Der Wixxer» ins Kino.
Darin nahmen Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka die Edgar-Wallace-Verfilmungen der 60er mit ihren Spukschlössern, knarzenden Treppen, Geheimorganisationen und fiesen Mördern auf die Schippe.
«Es vermittelt ein Gemeinschaftsgefühl, sich die Veralberung hinlänglich bekannter Publikumserfolge anzusehen», sagt Dick. «Die Versatzstücke sind für das Publikum sofort identifizierbar. Es ist eine überschaubare Welt. In ihrer Konsequenz und Geschlossenheit geben solche Filme Menschen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Sicherheit.»
Bully wollte eigentlich keinen weiteren Manitu-Film machen
Noch vor drei Jahren erläuterte Herbig in der Radio-Bremen-Talkshow «3 nach 9», den Karl-May-Filme-Ulk würde er heute nicht mehr so machen. «Die Comedy-Polizei ist so streng geworden.» Das nehme ein bisschen die Unschuld und Freiheit. Eine Komödie zu drehen sei heute viel schwieriger: «Weil man das Gefühl hat, dass man sehr schnell Leuten auf die Füße tritt.»
Wenn einem jemand das Argument entgegenschleudere «Du hast meine Gefühle verletzt», dann könne man nicht sagen «Das stimmt doch gar nicht», sagte Herbig im Jahr 2022. Mit Blick auf die tuntigen Schwulenklischees im Film sagte Herbig damals, es werde sehr kompliziert, wenn eine Gruppe, die man im Film abbilde, in Lager geteilt sei, von denen das eine lache und das andere sich diskriminiert fühle. Da wisse er dann nicht mehr, auf wen er hören solle.
Humor als Befreiungsschlag?
Angesichts solcher Aussagen war es eine große Überraschung, als Herbig dann Anfang 2024 plötzlich doch eine «Schuh des Manitu»-Fortsetzung ankündigte.
Komik-Experte Dick, Kulturredakteur bei der «Rheinpfalz», hält das alles in allem für eine gute Entscheidung und für eine Art Befreiungsschlag: «Ich verstehe nicht, warum viele gern und immer wieder so bierernst an Humor herangehen. Gerade in einer zunehmend kranken Welt ist Lachen doch die beste Medizin.»
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