Palantir: Was steckt hinter der Software, die unsere Polizei nutzen will?
30.07.2025
Datenflut, Cybercrime, organisierte Kriminalität: Die Herausforderungen für unsere Polizei werden immer komplexer. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an die Ermittlerinnen und Ermittler, schneller zu reagieren, gezielter zu handeln und Verbrechen früher zu erkennen. Genau hier setzt eine Software an, über die derzeit heftig diskutiert wird – auch bei uns in Baden-Württemberg: Palantir.
Was kann die Software? Wo kommt sie her? Warum steht sie in der Kritik? Und was bedeutet das alles für uns? Hier kommt die ganze Geschichte, kompakt für Euch zusammengefasst.
Was ist Palantir eigentlich?
Palantir ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das sich auf die Analyse riesiger Datenmengen spezialisiert hat. Das klingt erstmal technisch – ist aber hochpolitisch. Denn das Unternehmen hat enge Verbindungen zu US-Geheimdiensten und wurde mitgegründet von Peter Thiel, der immer wieder durch politische Statements und eine große Nähe zur Trump-Regierung auffiel.
Die Software, die Palantir für Sicherheitsbehörden anbietet, heißt "Gotham". Mit ihr lassen sich Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen, verknüpfen und analysieren. Das Ziel: Zusammenhänge erkennen, die im Alltag der Polizeiarbeit untergehen würden. Telefonauswertungen, Standortdaten, Aktennotizen, Hinweise von Zeugenaussagen – all das kann miteinander verbunden werden.
Warum will die Polizei Palantir nutzen?
Viele Ermittlerinnen und Ermittler stehen heute vor der Herausforderung, riesige Datenmengen durchsuchen zu müssen. Ohne digitale Unterstützung ist das kaum noch zu schaffen. Palantir verspricht, genau hier zu helfen: Verknüpfungen sichtbar machen, Auffälligkeiten entdecken, Verdächtige schneller identifizieren.
In Hessen zum Beispiel ist die Software schon seit mehreren Jahren im Einsatz. Dort berichten Ermittler von Ermittlungserfolgen, die ohne Palantir kaum möglich gewesen wären. Auch Nordrhein-Westfalen und Bayern setzen bereits auf die Software.
Baden-Württemberg hat ebenfalls einen Vertrag über fünf Jahre abgeschlossen. Die Polizei darf Palantir allerdings noch nicht nutzen. Warum? Weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Erst muss das Polizeigesetz entsprechend angepasst werden.
Warum steht Palantir in der Kritik?
So hilfreich die Technik klingt – sie sorgt für Unruhe. Denn Palantir kommt aus den USA, ein Land mit ganz anderen Datenschutzstandards. Auch wenn die Software auf deutschen Servern läuft, bleibt das Misstrauen. Kritikerinnen und Kritiker sprechen von einer Super-Datenbank, die Tür und Tor für staatliche Überwachung öffnen könnte.
Ein weiteres Problem: Die Software macht es sehr einfach, Daten aus verschiedenen Bereichen zu verknüpfen. Was in der Theorie sinnvoll klingt, kann in der Praxis Grundrechte gefährden. Wer garantiert, dass nur das ausgewertet wird, was wirklich erlaubt ist? Und dass unbeteiligte Personen nicht plötzlich ins Visier geraten?
Das Bundesverfassungsgericht hat 2023 bereits eine ähnliche Regelung in Hessen und Hamburg gekippt. Die Botschaft aus Karlsruhe war klar: Nur bei klarer gesetzlicher Grundlage und bei konkreten Gefahrenlagen darf eine solche Software eingesetzt werden.
Was heißt das für Baden-Württemberg?
Bei uns im Land ist die Diskussion besonders hitzig. Innenminister Thomas Strobl (CDU) will Palantir schnell einführen. Die Polizei habe den Vertrag bereits unterzeichnet – weil man einen günstigen Zeitpunkt nutzen wollte. Der Vertrag läuft über fünf Jahre und kostet rund 25 Millionen Euro.
Die Grünen, Koalitionspartner der CDU, kritisieren das Vorgehen. Aus ihrer Sicht wurde voreilig gehandelt. Ohne gesetzliche Grundlage sei der Einsatz nicht zulässig. Jetzt wird im Landtag über eine Gesetzesänderung diskutiert. Erst wenn diese steht, darf die Polizei die Software überhaupt einsetzen.
Was sagen Befürworter und Gegner?
Die einen sprechen von einem Meilenstein für die Polizeiarbeit, die anderen von einem digitalen Dammbruch. Die Gewerkschaft der Polizei etwa lobt Palantir als unverzichtbares Werkzeug in einer immer komplexeren Welt. Gerade bei organisierter Kriminalität, Terror oder Kinderpornografie sei die Software ein echter Fortschritt.
Datenschützer dagegen warnen vor der Machtkonzentration. Sie fordern mehr Kontrolle, klare Grenzen und möglichst bald europäische Alternativen. Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat Verfassungsbeschwerde gegen die Nutzung der Software in Bayern eingelegt.
Was sollten wir daraus mitnehmen?
Palantir ist mehr als nur ein digitales Werkzeug. Es geht um die Frage, wie weit moderne Technologie in die Arbeit der Polizei eingreifen darf. Und wie wir dabei unsere Grundrechte bewahren.
Für uns als Gesellschaft stellt sich die Frage: Wollen wir maximale Effizienz um jeden Preis? Oder setzen wir Grenzen, um unsere Freiheit zu schützen? Die Diskussion um Palantir zeigt, wie wichtig es ist, solche Themen offen und kritisch zu debattieren.
Quellen:
ZDFheute, DLF, LTO, heise online, Tagesspiegel
Bundesverfassungsgericht, Gesellschaft für Freiheitsrechte
Innenministerium Baden-Württemberg
Hessisches Innenministerium
Landeskriminalamt Bayern
Gewerkschaft der Polizei
Chaos Computer Club
Palantir Technologies