Hamas: Keine Entwaffnung ohne Palästinenserstaat
03.08.2025
Die islamistische Hamas im umkämpften Gazastreifen lehnt eine Niederlegung ihrer Waffen entschieden ab, solange es keinen unabhängigen palästinensischen Staat gibt. Der bewaffnete Widerstand könne nur dann aufgegeben werden, wenn die Rechte der Palästinenser vollständig verwirklicht seien, insbesondere die Errichtung eines unabhängigen und vollständig souveränen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, heißt es in einer Erklärung der Terrororganisation.
Die Hamas reagierte damit auf Äußerungen des US-Sondergesandten Steve Witkoff, der Medienberichten zufolge bei einem Treffen mit Angehörigen der im Gazastreifen weiterhin festgehaltenen Geiseln gesagt haben soll, dass die Hamas nach eigenen Aussagen zur Entmilitarisierung bereit sei. «Wir stehen kurz vor dem Ende dieses Krieges», sagte Witkoff einer Mitteilung des Forums der Geiselfamilien zufolge bei dem Treffen in der israelischen Stadt Tel Aviv. «Wir haben einen Plan, den Krieg zu beenden und alle nach Hause zu bringen.»
«Keine stückweisen Deals»
Der US-Nachrichtenseite «Axios» und israelischen Medien zufolge will die US-Regierung ihre Gaza-Politik ändern. Statt wie bisher zunächst nur über eine Waffenruhe und die stufenweise Freilassung der Geiseln zu verhandeln, strebe US-Präsident Donald Trump jetzt einen umfassenden Deal an, der den Krieg beendet und alle verbleibenden Geiseln auf einmal zurückbringt, hieß es. Das habe Witkoff auch den Geiselfamilien bei ihrem Treffen in Tel Aviv gesagt.
«Keine stückweisen Deals. Das funktioniert nicht», wurde der US-Sondergesandte zitiert. Seine Äußerungen seien ein Eingeständnis, dass die monatelangen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas eine Waffenruhe herbeizuführen und die Freilassung der Geiseln zu bewirken, gescheitert sind, schrieb «Axios». Bei einer Massendemonstration in Israel forderten die Teilnehmer einen Deal zur Freilassung aller Geiseln.
Hamas schockiert mit Gräuel-Video
In einem zuvor veröffentlichten Propaganda-Video der Hamas ist der bis auf die Knochen abgemagerte 24-jährige Evjatar David in einem engen Tunnel in Gaza zu sehen, wie er sein «eigenes Grab» schaufelt. «Beenden Sie diesen Alptraum, der seit 666 Tagen andauert. Unterzeichnen Sie ein umfassendes Abkommen, das alle 50 Geiseln zurückbringt und die Kämpfe beendet», forderte das Forum der Angehörigen der Geiseln. Mindestens 20 der Geiseln sollen noch am Leben sein. Das Forum sprach von 60.000 Teilnehmern an der Protestkundgebung. Laut örtlichen Medienberichten war es eine der größten der vergangenen Wochen.
An einer Stelle im Propaganda-Video der Hamas sagte Evjatar David an Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gewandt: «Ich bin von Ihnen, mein Premier, völlig verlassen worden, von Ihnen, der sich um mich und all die anderen Gefangenen kümmern müsste.» Netanjahu traf sich am Abend laut Mitteilung seines Büros mit den Familien von David und einer weiteren Geisel. «Während der Staat Israel humanitäre Hilfe für die Bewohner des Gazastreifens zulässt, lassen die Terroristen der Hamas unsere Geiseln absichtlich hungern und dokumentieren sie auf zynische und bösartige Weise», wurde Netanjahu zitiert.
Armee: Wieder Raketenbeschuss aus Gaza
Israel und die USA seien sich einig, dass es angesichts der Haltung der Hamas nötig sei, zu einem Rahmen für die Freilassung aller Geiseln, die Entwaffnung der Hamas und die Entmilitarisierung des Gazastreifens überzugehen, zitierte «Axios» einen israelischen Beamten. Eine endgültige Entscheidung darüber gebe es aber nicht. Ein Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung von zehn lebenden Geiseln liege weiterhin auf dem Tisch. Derweil fing Israels Luftabwehr in der Nacht nach Militärangaben eine aus dem südlichen Gaza abgefeuerte Rakete ab. Zuvor hatten die Warnsirenen geheult.
Mehrere arabische Staaten, darunter Ägypten und Katar, die in den indirekten Gesprächen zwischen den Kriegsparteien vermitteln, hatten kürzlich bei einer UN-Konferenz in New York ein Ende der Hamas-Herrschaft in dem Küstengebiet gefordert. «Im Rahmen der Beendigung des Krieges im Gazastreifen muss die Hamas ihre Herrschaft im Gazastreifen beenden und ihre Waffen mit internationalem Engagement und Unterstützung an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben», heißt es in einem Dokument.
Hamas besteht auf Recht zum Widerstand
Darauf schien sich Witkoff bei seinem Treffen in Tel Aviv mit Angehörigen der Geiseln zu beziehen, hieß es in israelischen Medienberichten. Dabei soll er auch gesagt haben, die Hamas sei bereit, sich zu entmilitarisieren. In ihrer Stellungnahme verwies die Terrororganisation jedoch darauf, dass der Besitz von Waffen und Widerstand das legitime Recht eines besetzten Volkes sei.
Die Hamas beansprucht das gesamte historische Palästina - also einschließlich des heutigen Staatsgebietes Israels. In einem Grundsatzpapier von 2017 akzeptiert die Gruppe jedoch einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 - das heißt bestehend aus dem Westjordanland, dem Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Das Existenzrecht Israels erkennt die Hamas nicht an.
Auch Israels Regierung lehnt Zweistaatenlösung ab
Israels Regierung ist ebenfalls gegen eine Zweistaatenlösung. Dort herrscht die Ansicht vor, dass das Westjordanland und Ost-Jerusalem aus historischen und religiösen Gründen Israel zustehen. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte Israel am Freitag mit deutlichen Worten vor einer Annexion des Westjordanlandes gewarnt. Nach einem Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah betonte er: «Wir unterstützen das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat zum Ende eines politischen Prozesses.»
Terroristen der Hamas und anderer Islamistenorganisationen hatten am 7. Oktober 2023 mehr als 250 Menschen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt. Etwa 1.200 Menschen wurden getötet. Das beispiellose Massaker sowie die Geiselnahmen lösten den Gaza-Krieg aus. Seither wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 60.000 Menschen in dem abgeriegelten Küstengebiet getötet. Die unabhängig nicht überprüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
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