Nach Tod eines Jugendlichen in JVA ist Betroffenheit groß
12.08.2025
Nach dem Tod eines Jugendlichen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler beschäftigen Vorwürfe von Gewalt und Rassismus Politik und Justiz im Saarland. Der Justizausschuss des Landtags kommt heute (8.00 Uhr) zu einer nicht-öffentlichen Sondersitzung zusammen, um umfassend von Landesregierung und Staatsanwaltschaft informiert zu werden. Die Betroffenheit in dem Fall ist groß.
Was ist passiert?
Ein minderjähriger Gefangener hat sich in der JVA Ottweiler laut Justizministerium am 1. August das Leben genommen. Am Tag danach kam es demnach zum Protest in der Haftanstalt: 17 Gefangene des Jugendvollzugs weigerten sich nach der Freistunde, in ihre Hafträume zurückzukehren - und erhoben Vorwürfe wegen der Haftbedingungen sowie gegen einzelne Bedienstete. Es kam zu einem längeren Polizeieinsatz vor Ort.
Um welche Vorwürfe geht es?
Die Gefangenen werfen Justizbeamten vor, den schwarzen 15-Jährigen vor seinem Tod verletzt zu haben. Dazu laufen Vorermittlungen in einem sogenannten Verdachtsprüfungsverfahren, wie die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mitteilte. Darin werde überprüft, ob ein Anfangsverdacht «hinsichtlich etwaigen Körperverletzungen zu Lasten des verstorbenen Inhaftierten» vorliege.
Was für Ermittlungen gibt es?
Aufgrund weiterer erhobener Vorwürfe sind laut Staatsanwaltschaft gegen zwei Justizbeamte insgesamt drei Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Darin gehe es um Körperverletzung im Amt. Die Obduktion des Jugendlichen ergab «keine Hinweise auf Fremdeinwirkung» und «keine äußeren Verletzungszeichen», teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Wie reagieren die sozialen Medien?
In den sozialen Medien wird rassistische Gewalt für den Tod des 15-Jährigen verantwortlich gemacht. «Er war schwarz, minderjährig – und zuvor Gewalt durch Justizbeamte ausgesetzt», heißt es in einem Spendenaufruf für die Familie. Es gebe «Hinweise, dass Nelson kurz vor seinem Tod getreten und geschlagen wurde – angeblich wegen eines gestohlenen Snacks».
Die Vorwürfe wögen schwer: «Wie kann es sein, dass ein junger schwarzer Mensch so verzweifelt ist, dass er keinen anderen Ausweg sieht, als sich das Leben zu nehmen? Was für rassistischer Gewalt muss Nelson ausgesetzt gewesen sein?», heißt zu der Aktion unter dem Titel «Gerechtigkeit für Nelson».
Warum war der Jugendliche im Gefängnis?
Warum der Jugendliche im Gefängnis saß, war zunächst unklar. Die Staatsanwaltschaft gab an, sie könne dazu «sowohl aus Gründen des Persönlichkeits- als auch des Verfahrensschutzes» keine Auskünfte erteilen. Laut Gerichtspressestelle in Saarbrücken befand sich der 15-Jährige aufgrund eines Sicherungshaftbefehls in der JVA.
Ein solcher Haftbefehl könne erlassen werden, wenn zu erwarten sei, dass eine Bewährungsstrafe etwa wegen weiterer Straftaten widerrufen werde. Möglich sei auch, dass eine Entscheidung über eine Bewährung noch nicht erfolgt, sondern vorläufig zurückgestellt worden sei, hieß es.
Wie reagiert die Politik auf den Fall?
Die oppositionelle CDU im Saarland fordert «eine schnellstmögliche und objektive Aufarbeitung und Aufklärung der tragischen Ereignisse» in der Haftanstalt. Justizministerin Petra Berg (SPD) müsse die notwendige Transparenz gegenüber dem Parlament herstellen.
Auch die Saar-Grünen wollen eine «lückenlose Aufklärung». Der Fall werfe schwerwiegende Fragen zum Zustand des saarländischen Justizvollzugs auf. «Der Tod eines Jugendlichen in staatlicher Obhut ist eine menschliche Tragödie», sagte Grünen-Chef Volker Morbe. Wenn sich der Verdacht auf «institutionellen Rassismus» erhärte, müssten politische und strukturelle Konsequenzen folgen.
Die Linke forderte «tiefgreifende Reformen im saarländischen Justizvollzug». Neben einer unabhängigen Aufarbeitung seien eine bessere Suizidprävention, psychische Betreuung und eine grundsätzliche Reform der Haftbedingungen nötig – besonders für jugendliche Gefangene. Im Saarland gibt es eine SPD-Alleinregierung.
Was tun Haftanstalten, um Suizide zu verhindern?
Zur Prävention sei das allgemeine Vollzugspersonal ebenso geschult wie Sozialarbeiter und Psychologen, sagte der Vorsitzendes vom Bund Saarländischer Justizvollzugsbediensteter (BSJ), Sascha Klein. Wenn es «nur das kleinste Anzeichen» gebe, dass sich ein Gefangener umbringen wolle, würden besondere Sicherungsmaßnahmen eingeleitet. Dazu zähle auch eine 24-Stunden-Überwachung mit einer Kamera im Haftraum.
Zu den besonderen Maßnahmen könne auch gehören, dass dem Gefangenen alle gefährlichen Gegenstände entzogen würden. Er bekomme dann Besteck aus Plastik oder Holz und keine normalen Teller. Gürtel und Schnürsenkel würden ihm auch weggenommen, sagte Klein. Es gebe in diesen Fällen dann auch Unterwäsche aus Papier.
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