Gegen den Staat - «Reichsbürger»-Treffen in Karlsruhe
26.07.2025
Mitten in Karlsruhe haben sich mehrere hundert «Reichsbürger» und «Selbstverwalter» zu einer Kundgebung versammelt - unweit des Bundesverfassungsgerichts schwenkten sie ihre Flaggen. Alles zu dem außergewöhnlichen Treffen.
Was ist passiert?
Bis zu 350 Teilnehmern versammelten sich laut Polizei auf dem Schlossplatz. Die Stadt Karlsruhe hatte zuvor etwa 500 Personen aus ganz Deutschland erwartet. Geschwenkt wurden unter anderem zahlreiche Reichsflaggen - vor dem ehemaligen badischen Residenzschloss und damit auch in unmittelbarer Nähe des Verfassungsgerichtes.
In Sicht- und Hörweite waren laut Polizei auf dem Schlossplatz auch rund 250 Gegendemonstranten zusammengekommen. Auch die lokale Antifa sei vor Ort. Die Veranstaltung sei aber bislang friedlich verlaufen, so ein Polizeisprecher am Nachmittag. Es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Am späten Nachmittag wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch durch die Stadt und von dort zurück zum Schlossplatz ziehen. Am Abend sollte die Veranstaltung enden.
Wie schätzt der Verfassungsschutz das ein?
Das Format der sogenannten «Großen Treffen» von «Reichsbürgern» und sogenannten Selbstverwaltern gehört nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zu den bislang am besten besuchten Zusammenkünften des «Reichsbürger»-Milieus. «An den zurückliegenden Veranstaltungen dieser Art nahmen regelmäßig auch extremistische Akteure aus Baden-Württemberg teil», sagte ein Sprecher der Behörde.
Diejenigen, die zu den «Bundesstaatentreffen» kommen, vertreten unterschiedliche ideologische Ansichten aus dem Milieu der «Reichsbürger», so der Sprecher weiter. Die Veranstaltungen seien eindeutig extremistisch ausgerichtet.
Seit Sommer 2023 finden sie in größeren deutschen Städten statt. Außergewöhnlich sei das hohe Mobilisierungspotenzial dieser Versammlungen, da sich «Reichsbürger» und «Selbstverwalter» üblicherweise nicht derart in der Öffentlichkeit präsentierten, heißt es nach früheren Angaben.
Wurden Ausschreitungen erwartet?
Die Szene des «Reichsbürger»-Milieus sei sehr heterogen, sogar zerstritten, sagte der stellvertretende Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Frank Dittrich, jüngst im Rahmen eines Pressegesprächs zu dem Thema. So gebe es zum Beispiel keine Einigkeit darüber, wie ein möglicher Umsturz des Staates erreicht werden könne. «Die finden keinen gemeinsamen Nenner, wie man da vorgeht», sagte er. Mit konzertierten Ausschreitungen hatte in Karlsruhe aber keiner gerechnet.
Gab es schon öfter solche Treffen?
Das Treffen in Karlsruhe war das bundesweit sechste dieser Art. So waren im März in Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern rund 600 Anhänger aus Deutschland zu dem «Großen Treffen der 25+1 Bundesstaaten» angereist und vor dem Schweriner Schloss aufmarschiert. Zwischenfälle gab es nicht. Davor waren Anhänger der Szene unter dem gleichen Motto auch etwa in München, Gera oder Dresden zusammengekommen.
Was sind «Reichsbürger» und «Selbstverwalter»?
Die Szene der «Reichsbürger» ist vielfältig. Gemeinsam ist ihnen, dass sie die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie akzeptieren die Grenzen der Bundesrepublik nicht und möchten stattdessen das Deutsche Reich zurück haben. Sich herrschenden Gesetzen zu unterwerfen oder Steuern zu zahlen, lehnen sie ab. «Selbstverwalter» argumentieren laut Bundesinnenministerium ähnlich, beziehen sich aber nicht auf das Deutsche Reich.
Im Südwesten ist die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter laut dem Landesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2024 von 4.000 auf 4.200 gestiegen. «Die Anhänger sind überwiegend Einzelpersonen, die sich zwar häufig gegenseitig in ihren Argumenten und Aktivitäten beeinflussen oder aneinander orientieren, aber nicht in festen Gruppen organisiert sind», sagte der Sprecher. Etwa zehn Prozent seien auch bereit, gegebenenfalls Gewalt anzuwenden - etwa bei Zwangsvollstreckungen oder dann, wenn Waffen eingezogen werden sollen.
© dpa-infocom, dpa:250726-930-841324/2