Wellbrock scheitert erneut: Gefühl «ein bisschen surreal»
Fassungslos hing Florian Wellbrock über der Leine im WM-Becken von Fukuoka. Auch Teamkollege Lukas Märtens, der ihm mitfühlend auf die Schulter klopfte, konnte ihn nicht trösten. Zum zweiten Mal bei den Weltmeisterschaften in Japan ist Mitfavorit Wellbrock bereits im Vorlauf ausgeschieden. Über 1500 Meter Freistil brach der 25-Jährige komplett ein und schied als 20. der Vorläufe aus.
Wellbrock schlug nach 15:10,33 Minuten an und war damit mehr als 35 Sekunden langsamer als bei seinem deutschen Rekord auf der Distanz - eine Ewigkeit im Schwimmbecken. Sagen wollte er dazu zunächst nichts. «Lukas kommt gleich für euch», sagte er in der Interviewzone der Marine Messe und lief mit einem weißen Handtuch über der Schulter weiter.
Aussagen erst verspätet
Gut sechs Stunden nach seinem Rennen äußerte er sich dann. «Ich würde gerne Antworten dazu geben, was die letzte Woche passiert ist - beziehungsweise gerade nicht passiert ist. Wir haben aber keine Antworten», sagte Wellbrock. Der Doppel-Weltmeister im Freiwasser hatte es bereits im 800-Meter-Rennen nicht ins Finale geschafft.
«Der Tag heute fühlt sich ein bisschen surreal an», sagte Wellbrock. «Die letzten Jahre und eigentlich bis heute Morgen war ein Vorlauf nie ein Thema für mich. Jetzt bin ich zweimal überraschend an dieser Hürde gescheitert.» Wellbrock ergänzte: «Was ich hier bei der Weltmeisterschaft im Pool gezeigt habe: Das ist nicht der Florian Wellbrock, der ich normalerweise bin.»
Dass der mentale Druck ein Grund für seine Leistung war, glaubt er eher nicht. «Das, was hier passiert, ist das, wofür ich jeden Tag aufstehe, was ich liebe, wofür ich brenne», sagte Wellbrock. «Natürlich ist der Druck irgendwo da. Das gehört dazu. Ich bin aber auch der Meinung, dass ich mit diesem Druck umgehen kann. Deswegen bin ich Wettkampfsportler, deswegen mache ich das so erfolgreich.»
Keine Erklärungen
Märtens, der selbst als Vierter in 14:51,20 Minuten souverän ins Finale einzog, war ob der Leistung seines Magdeburger Trainingspartners und Kumpels schockiert. «Ich fand das Rennen von mir wirklich sehr gut, aber ich habe mir während des Rennens gedacht: Was passiert hier eigentlich?», sagte er. Eine Erklärung für Wellbrocks zweiten sehr schwachen Wettkampf innerhalb von fünf Tagen hatte er nicht. «Da möchte ich jetzt auch nicht reinreden. Das muss er alles selber mit Bernd analysieren. Ich will mir da überhaupt kein Urteil zu ihm erlauben», sagte Märtens.
Bernd, das ist Langstreckenbundestrainer Bernd Berkhahn. Der 52-Jährige konnte kurz nach dem Rennen ebenfalls nicht erklären, was er da gerade gesehen hatte. «Wenn ich das wüsste...», sagte er zu Wellbrock. «Eigentlich ist er fit und gut drauf.» Zur Sicherheit machte Wellbrock einen Corona-Test. Anzeichen auf eine Erkrankung gab es nicht.
Viele hatten beim gebürtigen Bremer auf ein Comeback wie 2019 gehofft. Damals war Wellbrock im südkoreanischen Gwangju ebenfalls über 800 Meter ausgeschieden und hatte sich dann zum Weltmeister über 1500 Meter gekrönt.
«Er hat diesmal die Kurve nicht bekommen», sagte Berkhahn. Zum Befinden seines Sportlers sagte der Coach: «Er ist natürlich sehr enttäuscht. Was soll man sonst erwarten von einem Topsportler? Er kommt hier her, um Medaillen zu gewinnen, gar keine Frage. Das war auch sein Anspruch.»
Zweimal Gold im Freiwasser
In der ersten WM-Woche war Wellbrock das auch beeindruckend gelungen. Im Meer vor dem Momochi Seaside Park gewann er über fünf und zehn Kilometer Gold im Freiwasser. Die anschließende Staffel ließ er aus, um sich besser auf die Beckenrennen vorzubereiten. Der Plan ging nicht auf.
«Jetzt geht's darum, Florian wieder aufzubauen», sagte Berkhahn und ergänzte: «Er hat hier eine super Weltmeisterschaft gemacht. Er ist zweimal Weltmeister geworden. Das steht erst mal im Vordergrund für mich.» Wellbrock selbst sagte mit Blick auf Olympia 2024: «Bis Paris kriegen wir das alles wieder gerade gebügelt.»
Auch ohne Wellbrock kann das deutsche Team am Sonntag (13.16 Uhr MESZ) auf Edelmetall hoffen. Märtens, der über 400 Meter Freistil Bronze gewonnen hatte, ist in starker Verfassung. «Ich traue ihm viel zu», sagte Berkhahn. «So wie er mental auch drauf ist derzeit, freue ich mich auf das Rennen.»
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