Vor Soldatengedenktag: Massenproteste in Israel halten an
Trotz eines vorübergehenden Stopps der umstrittenen Justizreform haben in Israel erneut Hunderttausende Menschen gegen die Pläne der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu protestiert. Die Hauptkundgebung fand den 16. Samstag in Folge in Tel Aviv statt. Demonstrantinnen und Demonstranten schwenkten dabei israelische Flaggen und hielten Protestschilder in die Höhe.
«Indem die Regierung den Justizputsch weiter vorantreibt, vertieft sie den Riss in der israelischen Gesellschaft, schadet der Wirtschaft und der Sicherheit Israels», hieß es von den Organisatoren. Demnach waren landesweit rund 380.000 Menschen auf den Straßen, davon rund 165.000 in Tel Aviv. Israelische Medien schätzten die Zahl der Teilnehmer in der Küstenstadt auf rund 120.000. Weitere Kundgebungen gab es etwa in den Städten Haifa oder Jerusalem.
Juval Diskin, ehemaliger Leiter des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, verurteilte die Regierung Netanjahu bei der Kundgebung in Tel Aviv mit scharfen Worten. «Während diese Regierung rechtmäßig gewählt wurde, haben ihre schockierende Zusammensetzung und törichten Aktionen sie aus moralischer Sicht in eine illegitime Regierung verwandelt», sagte Diskin über Lautsprecher. «Wir kämpfen um die Zukunft unseres Landes, um das Angesicht des Landes, in dem unsere Kinder, Enkel und Urenkel leben werden», sagte der 67-Jährige. «Wir werden es schaffen - weil wir kein anderes Land haben.»
Warnungen vor Schaden für die Demokratie
Netanjahus Regierung will das Justizsystem gezielt schwächen, Experten warnen vor schwerem Schaden an der Demokratie. Das Vorhaben wurde angesichts massiver Proteste Ende März für wenige Wochen ausgesetzt. Bei Vermittlungsgesprächen gab es bislang keinen Durchbruch. Am 30. April beginnt die Sommersitzung des Parlaments in Jerusalem. Kritiker befürchten, dass die Regierung das umfassende Vorhaben dann im Schnellverfahren durchbringen könnte.
Der israelische Justizminister Jariv Levin, einer der Hauptinitiatoren des Reformvorhabens, rief für Donnerstag zu einer «Millionen-Demonstration» vor dem Parlament in Jerusalem auf. «Wir werden alle nach Jerusalem gehen, um uns zwischen Knesset und Höchstem Gericht hinzustellen und mit einer nie dagewesenen Entschlossenheit zu sagen: Das Volk fordert eine Justizreform.» Die Überschrift des Aufrufs bei Facebook lautete: «Sie werden uns die Wahl nicht stehlen!» Netanjahus rechts-religiöse Koalition verfügt im Parlament über eine Mehrheit von 64 der 120 Sitze.
Es wird erwartet, dass auch die Feiern zum 75-jährigen Bestehen Israels in der kommenden Woche von Protesten überschattet werden. Die Gegner der Justizreform kündigten zum Start am Dienstagabend die «größte Demonstration am Unabhängigkeitstag in der israelischen Geschichte» an.
Hinterbliebene forderten bereits, dass Politiker Zeremonien am Soldatengedenktag, der am Montagabend beginnt, fernbleiben sollen. Präsident Izchak Herzog rief die Öffentlichkeit am Sonntag in einem Rundfunkinterview dazu auf, nicht auf den Friedhöfen zu protestieren. Gleichzeitig appellierte er an Politiker, kontroverse Äußerungen zu unterlassen.
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