Totes Mädchen in Wunsiedel: Was wir wissen - und was nicht
Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich im Fall des getöteten Mädchens von Wunsiedel zurück. Keine große Pressekonferenz, nur knappe Mitteilungen. Aufgrund der Spurenlage gehen die Ermittler von der Tatbeteiligung eines elfjährigen Jungen aus, der genau wie das Opfer in einer Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung gelebt hatte. Viele Fragen sind noch offen.
Was wir wissen
Der Ort des Geschehens: Die Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung liegt mitten in Wunsiedel, fast versteckt in einem Seitengässchen neben der katholischen Kirche. Fast 90 Kinder und Jugendliche finden hier Platz, fast ebenso viele Beschäftigte kümmern sich um sie. Zum Tatzeitpunkt sind deutlich weniger Kinder und Jugendliche in der Einrichtung, viele sind in den Osterferien in ein Skilager gefahren.
Das Opfer: Das zehn Jahre alte Mädchen wird am Dienstag in seinem Zimmer gefunden. Ein Notarztteam kann nur noch den Tod des Kindes feststellen. Einen Unfall oder ein medizinisches Problem als Todesursache schließt die Staatsanwaltschaft etwas später aus. Man geht von einem Tötungsdelikt aus.
Die Ermittlungen: Mehr als 24 Stunden lang gelingt es Polizei und Staatsanwaltschaft, erste Ermittlungsschritte einzuleiten, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt. Erst am späten Mittwochvormittag werden die Medien informiert. Eine Soko mit rund 40 Mitarbeitenden sichert Spuren, befragt Zeuginnen und Zeugen und versucht, Licht ins Dunkel dieses Falls zu bringen. Weil zu den Zeugen auch viele Kinder und Jugendliche zählen, werde besonders sensibel vorgegangen, versichert ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Die Spuren: Am Freitag lichtet sich der Nebel etwas. Spurenfunde und deren Auswertung lassen laut Polizei den Rückschluss zu, dass ein Elfjähriger an der Tat beteiligt war.
Die Stadt: Wunsiedel hat rund 9200 Einwohner - ein Städtchen im Nordosten Bayerns, gelegen im idyllischen Fichtelgebirge. Das Opfer allerdings dürfte dort kaum persönlich bekannt gewesen sein, das Kinder- und Jugendhilfe-Zentrum wirkt wie eine eigene kleine Welt in der Stadt. Die Betroffenheit ist dennoch groß, Blumen und Kerzen werden nahe der Einrichtung abgelegt. «Ich bin zutiefst erschüttert über den tragischen Tod des Mädchens. Mein Mitgefühl gilt den Betroffenen, der Familie, den anderen Kindern im Heim sowie den Mitarbeitern», sagt Bürgermeister Nicolas Lahovnik.
Was wir nicht wissen
Der Tatablauf: Was geschah genau mit dem Mädchen? Wie kam es zu Tode? Polizei und Staatsanwaltschaft wollen dazu nichts sagen. Ein Sexualdelikt stufen sie am Donnerstag als unwahrscheinlich ein.
Das Motiv: Auch zu einem Motiv schweigen die Ermittler.
Weitere Tatbeteiligte: Ob es weitere Tatbeteiligte geben kann oder gibt, ist unklar. Am Mittwoch hatte es aus Sicherheitskreisen geheißen, zwei Elfjährige und ein 16-Jähriger stünden im Fokus.
Die anderen Kinder: Wie geht es den anderen Kindern in der Einrichtung? Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) lobt das Haus für die Aufarbeitung und dafür, den anderen jungen Bewohnern Sicherheit zu geben. Klar ist jedoch auch: Sie kämen sowieso schon aus schwierigen Verhältnissen, räumt die Politikerin ein.
Familiäre Hintergründe: Auch dazu machen die Behörden keine Angaben - mit Rücksicht auf das Alter des Opfers und auch auf das Alter des Jungen, der als tatbeteiligt gilt. Offiziell ist nicht bekannt, warum sie in der Einrichtung untergebracht waren, ob sie aus der näheren Umgebung von Wunsiedel kommen, ob Kontakt zu Familienangehörigen bestand.
Wie es für den Elfjährigen weitergeht: Präventiv sei er in einer gesicherten Einrichtung untergebracht, heißt es. Sicher ist so viel: Als Elfjähriger ist er nicht strafmündig. Ob er etwas zur Tat sagt oder gesagt hat, ist unklar. Man werde alle weiteren Schritte mit den Jugendbehörden abstimmen, betonen Polizei und Staatsanwaltschaft.
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