Strack-Zimmermann: Trennung von Verwaltung und Militär
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sieht mehrere Ansatzpunkte für eine schnellere Beschaffung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr. «Zeitenwende muss auch im Beschaffungswesen gelten. Geprüft werden könnte, ob die durch das Grundgesetz derzeit vorgegebene Trennung von Bundeswehr-Verwaltung und Truppe aufgegeben werden könnte, um aus dem Nebeneinander ein besseres Miteinander zu machen», sagte Strack-Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Das Beschaffungswesen der Bundeswehr beschrieb sie als ein «kompliziertes Konglomerat aus Institutionen, Prozessen und Regeln».
Der Bundestag hatte als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Sondertopf in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Ausstattung der lange vernachlässigten Bundeswehr beschlossen. Dass die Handlungsmöglichkeiten nicht schon im vergangenen Jahr genutzt wurden, ist aus dem Bundestag und der Rüstungsindustrie deutlich kritisiert worden. Der schleppende Start gilt auch als Beleg dafür, dass es mit Geld allein nicht getan ist.
«Wir müssen in Deutschland lernen, Beschaffung strategisch zu denken. Dazu gehören für mich drei Faktoren: Stärkung der europäischen Resilienz, Erhöhung der Kompatibilität mit unseren Partnern und Mut zu 80-Prozent-Lösungen», sagte Strack-Zimmermann dazu. Der wichtigste Punkt bleibe aber der Wille aller Beteiligten, vom Minister bis zum Sachbearbeiter, der Truppe das richtige Material schneller zur Verfügung zu stellen. Dann seien auch bei der Bundeswehr Ergebnisse in «LNG-Geschwindigkeit» möglich, sagte Strack-Zimmermann, die sich damit auf die Baubeschleunigung bei den Gasterminals bezog.
Hilfe für die Ukraine
Deutschland müsse der Ukraine weitere Rüstungshilfe leisten und zugleich die Bundeswehr ertüchtigen, damit sie in einem Bündnisfall leisten könne, was der Nato zugesagt sei, sagte sie. Sie glaube, dass Boris Pistorius (SPD) der richtige Verteidigungsminister für diese Aufgabe sei. Sie habe ihn bereits als Vertreter des Bundesrates bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato kennengelernt.
«Er ist im Thema und fängt nicht bei null an. Zehn Jahre war er als Innenminister Niedersachsens Dienstherr der Polizei. Da gibt es zu Soldaten durchaus Parallelen, sagte sie. «Er hat zudem in diesem Kontext immer den Kontakt zu den amerikanischen Behörden gepflegt, beispielsweise mit dem FBI.» Wenn er es richtig anstelle «und natürlich das Quäntchen Glück, was man braucht» habe, dann könne gemeinsam mit der Ampel-Koalition im Parlament etwas für die Bundeswehr erreicht werden. Sie habe Pistorius ihre Unterstützung zugesichert: «Ich habe ihm gesagt, geht es um die Modernisierung der Bundeswehr, kann er sich auf die Freien Demokraten verlassen.»
Hoffnungen setzt sie auch in den neuen Generalinspekteur Carsten Breuer. «Auch er muss Wunder bewirken», sagte sie. «Bei Corona hat er gezeigt, dass er Logistik und Organisation beherrscht, und dass er Zugang zum Kanzler hat. Das ist ja auch nicht das Schlechteste. Ich hoffe, die Berater des Kanzlers hören mehr auf die militärische Expertise des Generalinspekteurs, als dieser auf die vermeintliche Expertise der Kanzlerberater.»
Strack-Zimmermann, die in Deutschland ganz vorneweg für umfangreichere Waffenlieferungen an die Ukraine gekämpft hatte, lag in der Frage mehrfach mit dem Kanzleramt über Kreuz. Sie sieht auch dort Versäumnisse bei der Nachbestellung von Waffensystemen, die an die Ukraine abgegeben wurden. Strack-Zimmermann: «Warum das nicht sofort nachbestellt wurde. Das Nadelöhr dürfte im Kanzleramt gelegen haben.»
An der Seite der Ukraine zu bleiben heiße nun, neben humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe weiterhin militärisches Material zu liefern - unter anderem Flugabwehrsysteme, Panzerhaubitzen und Flak-Panzer Gepard. «Allem voran aber braucht es Munition, Munition, Munition. Das, was wir den Ukrainern liefern, ist ausgesprochen wirkungsvoll und hat viele Menschenleben gerettet», sagte sie.
Strack-Zimmermann bekräftigte ihre Skepsis zu einer Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine. «Ein Panzer hat seiner Aufgabe nach eine gewisse Reichweite. Beim Leopard 2 sprechen wir von circa 5000 Metern. Damit drängt man russische Stellungen aus der besetzten Ostukraine zurück, erreicht aber nicht russisches Territorium», sagte sie dazu. «Der Aktionsradius eines Kampfflugzeuges ist ein völlig anderer und liegt im Durchschnitt bei 1200 Kilometern. Das ist eine andere Größenordnung als bei Panzern. Die Raketen und Bomben erreichen daher ohne weiteres auch Ziele in Russland.» Zudem sei die Ausbildung komplizierter. Sie sagte: «Ein falscher Griff kann weitreichende Folgen haben. Daher sehe ich deutsche Kampfflugzeuge nicht über der Ukraine.»
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