Singapur-Fluch: Verstappen-Serie gerissen
Die Mechaniker in Rot sangen lautstark die italienische Hymne und schwenkten die Fahnen, auf dem Podest kühlte sich der überglückliche Triumphator Carlos Sainz in der schwülheißen Nacht von Singapur mit einer Spumante-Dusche ab.
Das Ende der Furcht einflößenden Siegesserie von Red Bull und Formel-1-Dominator Max Verstappen genoss die leidgeplagte Scuderia in vollen Zügen. «Ein unglaubliches Gefühl, ein unglaubliches Wochenende. Wir haben Platz eins nach Hause gebracht, das wird alle Italiener freuen», sagte Sainz, der erst den zweiten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere schaffte.
Missratenes Qualifying stoppt Verstappen
Einer, der die Rekordserie von zehn Siegen von Verstappen und 14 Siegen von Red Bull in diesem Jahr in einem intensiven und packenden Großen Preis von Singapur beendete. Verstappen rettete aber noch mehr Punkte als erwartet. Nach einem völlig missratenen Qualifying und Startplatz elf betrieb der zweimalige Champion auf dem Marina Bay Street Circuit als Fünfter beachtliche Schadensbegrenzung.
«Herzlichen Glückwunsch Ferrari, wir werden in Japan zurückkommen», kündigte Teamchef Christian Horner bereits an. «Wir werden schnell sein in Suzuka», betonte auch Verstappen. Dass er es zum ersten Mal in diesem Jahr nicht aufs Podest geschafft hatte, kommentierte der 25 Jahre alte Niederländer eher lapidar: «Diese Statistiken sind mir egal.»
Vorzeitige Krönung verschoben
Die vorzeitige Krönung am kommenden Sonntag in Suzuka ist aber nun auch nicht möglich. Verstappen, für den Singapur ein siegloser verfluchter Ort bleibt, hat 151 Punkte Vorsprung auf seinen Teamkollegen Sergio Pérez, der es von Startrang 13 auf Platz acht schaffte. Den nötigen 180-Punkte-Vorsprung auf Pérez nach dem kommenden Rennen kann Verstappen aber nicht schaffen, den Titel-Hattrick kann er frühestens in Katar perfekt machen.
Verstappen, für den Singapur ein siegloser verfluchter Ort bleibt, hat 151 Punkte Vorsprung auf Pérez, der es von Startrang 13 auf Platz acht schaffte. Eine nachträgliche Fünf-Sekundenstrafe gegen Pérez durch die Rennkommissare wegen einer Kollision mit dem Williams von Alexander Albon blieb ohne Folgen auf das Rennklassement.
Sainz fuhr ein überragendes Rennen und krönte damit seine starke Vorstellung am gesamten Grand-Prix-Wochenende. Er kontrollierte einen taktisch komplizierten Flutlicht-Grand-Prix mit Safety-Car-Phasen. Der 29 Jahre alte Madrilene verwies den Briten Lando Norris im McLaren auf den zweiten Platz, Dritter wurde Rekordweltmeister Lewis Hamilton im Mercedes.
Hülkenberg auf dem 13. Platz
Teamkollege George Russell hatte beim Versuch, von Rang drei noch zum Sieg zu fahren, nach einer riskant-offensiven Reifenstrategie des deutschen Werksteams mit seinem Mercedes die Mauer berührt und war in der letzten Runde ausgeschieden. Nico Hülkenberg wurde im Haas 13. Den hoch respektablen neunten Rang schaffte der Neuseeländer Liam Lawson im Alpha Tauri - der 21-Jährige bestritt als Ersatz für Daniel Ricciardo erst sein drittes Formel-1-Rennen.
Nicht starten konnte auch Lance Stroll, der Kanadier musste nach seinem schweren Crash in der Qualifikation zuschauen. Er fühlte sich nicht hundertprozentig gut und Aston Martin verzichtete trotz Freigabe durch die Fia auf den Einsatz des Mitbesitzer-Sohnes.
Gedenkminute für Marokko und Libyen
Nach einer Gedenkminute für die Opfer des Erbebens in Marokko und der Überschwemmungen in Libyen ging es los. Das befürchtete Startchaos auf dem engen Kurs mit der nahen ersten Kurve blieb aus. Sainz verteidigte die fünfte Pole seiner Karriere souverän. Verstappen hielt sich weiter hinten auch schadlos.
Nach der für Red Bull desaströsen Qualifikation und dem erstmaligen Verpassen der Top Ten mit beiden Wagen seit fünf Jahren herrschte beim Branchenführer das Prinzip Hoffnung, gepaart mit Trotz. Der RB 19 ist praktisch auf allen Strecken top, nur Singapur liegt dem Auto überhaupt nicht. Zu viele zu langsame und zu enge Kurven. Die aerodynamische Überlegenheit kommt auf dem Marina Bay Street Circuit nicht zum Tragen.
Red Bull gewann zuvor alle Rennen
Alle 14 Rennen gewann Red Bull in diesem Jahr, der bis Singapur letzte Nicht-Red-Bull-Gewinner war Russell. Er hatte am 13. November 2022 in Brasilien gesiegt. Das Saisonfinale war dann wieder an Verstappen gegangen. Seine zehn Siege zuletzt in Serie sind alleiniger Rekord vor den neun von Sebastian Vettel zu dessen Red-Bull-Zeiten. In Singapur war nach dem Quali-Reinfall im Rennen aber nur noch Schadensbegrenzung angesagt und der Kurs bleibt für Verstappen irgendwie verflucht.
Die beiden Safety-Car-Phasen taten Verstappen auch nicht gut. Als er noch mal die Reifen wechseln ließ, lag er auf Platz 15, ehe er zur Aufholjagd ansetzte, während sich vorn der Kampf um den Sieg zuspitzte. «Wir wollten einfach das Risiko eingehen, da ging es nicht um den zweiten Platz», sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff zum Finale mit dem Crash von Russell. Den Sieg aber holte Sainz - der erste für Ferrari seit dem 10. Juli 2022 in Österreich.
© dpa-infocom, dpa:230917-99-228380/6