Sechsjähriger erstochen - Suche nach dem Täter läuft
Grausames Verbrechen im Osten Mecklenburgs: In Pragsdorf bei Neubrandenburg ist ein sechs Jahre alter Junge erstochen worden. Das ergab die rechtsmedizinische Untersuchung, wie eine Polizeisprecherin sagte. Der Leichnam wies mehrere Verletzungen auf, die von einem - noch unbekannten - Stichwerkzeug herrührten.
«Die Polizei ermittelt wegen Totschlags und geht dabei mehreren Ermittlungsansätzen nach», sagte der Sprecher der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft, Tim Wischmann, der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte «Ostseewelle Hit-Radio Mecklenburg-Vorpommern» davon berichtet. Ein Tatverdächtiger wurde noch nicht ermittelt. Bis zum Abend gab es keinen neuen Sachstand. «Die Ermittlungen laufen», so eine Polizeisprecherin auf Anfrage.
Der Junge war am Donnerstagabend in der Nähe eines Bolzplatzes von Feuerwehrleuten mit «massiven Verletzungen am Oberkörper» in einem Gebüsch liegend gefunden worden, wie die Polizei mitteilte. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.
Er kam nicht vom Spielen nach Hause
Die Eltern hatten den Sechsjährigen am Donnerstag als vermisst gemeldet, weil er am Nachmittag nicht wie von vereinbart vom Spielen nach Hause gekommen war. Polizei, Feuerwehr und Anwohner hatten daraufhin nach dem Kind gesucht. Dabei kamen auch Suchhunde und ein Polizeihubschrauber zum Einsatz.
Unter den Suchenden war auch der Bürgermeister des 580-Einwohner-Ortes, Ralf Opitz. «Ich hatte mich auch an der Suche beteiligt - bis die Kameraden den schrecklichen Fund gemacht haben», sagte der 54-Jährige.
Viele Spuren am Fundort
Ob der Fundort auch der Tatort ist, da wollte sich Staatsanwalt Wischmann noch nicht festlegen. Anwohner berichteten aber, dass sie am Donnerstag laute Stimmen am Bolzplatz gehört hätten, die möglicherweise von einem Streit herrühren könnten. Am Fundort konnte die Polizei laut Wischmann viele Spuren sichern.
Das Gelände war weiträumig mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Polizisten und Helfer suchten nach einer Tatwaffe und anderen Beweisstücken. In der Nähe des Sees kam dabei auch ein Metalldetektor zum Einsatz. Auch Taucher rückten an - bisher aber ohne Erfolg, hieß es. Am Nachmittag wurden Suchketten mit je 25 Beamten gebildet. Sie streiften mit langen Eisenstangen systematisch die Fläche ab, sich langsam vom See entfernend.
Viel Presse vor Ort
Im Dorf war überhaupt viel Bewegung. Etliche Reporter versuchten, die Einwohner zu befragen - was einige als befremdlich empfanden. Aber auch die Bewohner selbst waren unterwegs: Sie wurden von der Polizei in ein Feuerwehr- und Gemeindehaus gebeten, wo sie zu den Ereignissen befragt wurden. Wenn sich Bewohner danach begegneten, tauschten sie sich auch aus.
«Die Anteilnahme und die Aussagebereitschaft sind sehr hoch - das muss nun erst mal aufgeschrieben und verglichen werden», sagte eine Polizeisprecherin. Sollte man keinen Verdächtigen finden, würden die Ermittlungen am Wochenende fortgesetzt. Auch zum Motiv könne man noch nichts sagen.
Spendenaktion für die Familie
Die Gemeinde Pragsdorf hat auf der Internetplattform Facebook ihre Trauer nach dem Tod des Kindes bekundet. «Mit Trauer und Bestürzung haben wir heute früh vom schrecklichen Gewaltverbrechen und dem Tod von J. erfahren. Die Gedanken sind derzeit natürlich vor allem bei der Familie und den Angehörigen», hieß es. Gleichzeitig bat man darum, brauchbare Hinweise umgehend der Polizei zu melden.
Auf der Facebook-Seite der Gemeinde wurde auch auf eine Spendenaktion für die Familie des toten Kindes hingewiesen. Innerhalb weniger Stunden waren bereits rund 20.000 Euro gesammelt worden.
Viele Menschen bei Gedenken
Etwa 200 Menschen kamen am Abend in die Kirche, um den betroffenen Eltern ihre Anteilnahme zu zeigen, sagte Pastor Heye Osterwald. Das Gotteshaus sei - im Beisein der Eltern des getöteten Jungen - bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen. Zu dem Gedenken hatte die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Alt Käbelich-Warlin eingeladen, zu der Pragsdorf gehört.
Zu Beginn sprach der Pastor ein Gebet und wenige einführende Worte, danach gingen Leute nach vorn, entzündeten ruhig Kerzen und stellten sie auf den Altar, wo auch Blumen abgelegt wurden. Anschließend unterhielten sich einige vor der Kirche, andere gingen schweigend nach Hause. «Die Menschen haben gezeigt, dass sie die Eltern mit ihrer Trauer nicht allein lassen», sagte Pragsdorfs Bürgermeister Ralf Opitz.
Der Junge ist laut Bürgermeister Ralf Opitz erst im August eingeschult worden. Das Schweriner Bildungsministerium teilte mit, dass Psychologen die Mitschülerinnen und Mitschüler sowie das Lehrpersonal unterstützen sollen. Zudem sei ein Trauerort in der Schule eingerichtet worden.
Sprachlose Bildungsministerin
«Während uns der Todesfall höchst betroffen und sprachlos zurücklässt, ist es unsere Aufgabe und Pflicht, nun die Familien und Freunde, Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Lehrkräfte dabei zu unterstützen, mit der unfassbaren Situation umzugehen», wurde Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) zitiert. «Ihnen gilt mein tief empfundenes Mitgefühl.»
Ab Montag werde an der betroffenen Schule für eine gesamte Woche auf Leistungskontrollen verzichtet. Schulpsychologinnen seien vor Ort. An Eltern sei ein Brief mit Unterstützungsangeboten verschickt worden. Betroffene sollen auf Wunsch ebenfalls psychologisch begleitet werden.
© dpa-infocom, dpa:230915-99-202821/13