Scholz bremst FDP: Kernkraft ist ein «totes Pferd»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat einer Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland eine eindeutige Absage erteilt. Zur Forderung der FDP nach einem Stopp des Rückbaus der gerade erst abgeschalteten Kraftwerke sagte er in einem Interview des Deutschlandfunks: «Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd.» Auf die Frage, ob dies nun ein Machtwort sei, um die Diskussion zu beenden, fügte Scholz hinzu: «Ich brauche gar kein Machtwort sprechen.»
Die FDP-Fraktion hatte sich auf ihrer Klausurtagung am Freitag dafür ausgesprochen, den Rückbau der Kraftwerke zu stoppen, um sich eine Rückkehr zur Atomkraft offen zu halten. Die wird auch von der CDU/CSU gefordert. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, bekräftigte diese Haltung nach der Scholz-Absage am Samstag. «Deutschland sollte sich nicht ohne Not weitere Optionen verbauen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Auf eine Knappheit sollte vorausschauende Politik mit einer Angebotsausweitung reagieren. Daran sollte die gesamte Regierung arbeiten, anstatt den Mangel mit Subventionen zu verwalten.»
Beschluss der Merkel-Regierung
Der Ausstieg aus der Kernenergie geht auf einen Beschluss der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zurück. Er sollte eigentlich zum Jahreswechsel 2022/23 vollzogen werden. Wegen der Energieknappheit nach der Kappung der russischen Gaslieferungen nach Deutschland wurden die Laufzeiten nach langem Streit zwischen Grünen und FDP und einem Machtwort des Kanzlers bis zum 15. April verlängert. Mit diesem Tag endete dann die Ära der Atomenergie in Deutschland.
Scholz sagte deshalb, dass das für ihn auch kein Reizthema in der Koalition mehr sei. «Die Kernkraft ist zu Ende. Sie wird in Deutschland nicht mehr eingesetzt. Der Ausstieg ist gesetzlich erfolgt.» Eine Konservierung der abgeschalteten Kraftwerke ist aus seiner Sicht nicht denkbar. «Die Fakten sind ja so, dass mit dem Ende der Nutzung der Atomkraft auch der Abbau begonnen hat, und dass alles, was man über Kernkraft in Deutschland sagen kann, sich immer um die Neuerrichtung oder quasi Neuerrichtung von Kraftwerken handelte.» Wer in Deutschland neue Kernkraftwerke bauen wollte, bräuchte dafür 15 Jahre und müsste dafür 15 bis 20 Milliarden Euro pro Stück ausgeben.
Die FDP hat ihren Vorstoß vor dem Hintergrund der weiter hohen Stromkosten unternommen, die die Wirtschaft und besonders die energieintensive Industrie belasten. Die SPD-Fraktion und die Grünen fordern deshalb einen staatlich vergünstigten Industriestrompreis zur Entlastung der von den hohen Energiekosten besonders betroffenen Unternehmen. Die FDP ist dagegen und verweist darauf, dass die Abschaltung der Atomkraftwerke zu den hohen Strompreisen beigetragen habe.
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