Sally Hawkins als Philippa Langley liest alles über Richard III., © Graeme Hunter/X Verleih /dpa
Sally Hawkins als Philippa Langley liest alles über Richard III. Graeme Hunter/X Verleih /dpa, dpa
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Sally Hawkins brilliert in «The Lost King»

02.10.2023

Manchmal schreibt das Leben die irrsten Geschichten. Und nicht die Fiktion. Was die wunderbare, die mitreißende Sally Hawkins («Maudie») in diesem Film als Amateurhistorikerin erlebt, ist spannend und unterhaltsam – und klingt wie ausgedacht: Warum sollten sich die verschollenen Gebeine Richards III. ausgerechnet unter einem Parkplatz befinden? Warum sollte die Fachwelt einer Hobby-Archäologin, die zuweilen mit sich selbst spricht, Glauben schenken?

Nach ihrem Erfolg von vor zehn Jahren, «Philomena», haben sich der Regisseur Stephen Frears («Die Queen») und Steve Coogan (Skript und Darsteller) für diese britische und auf wahre Begebenheiten zurückgehende Produktion erneut zusammengetan.

Philippa Langley (Hawkins), die es wirklich gibt, hat es nicht leicht: So manches ist daheim bei der sorgenden Mutter nicht in Ordnung. Im Beruf geht es, wenn überhaupt, nur schleppend voran. Da kommt ein wenig Ablenkung recht: Nach einem Theaterbesuch entwickelt Philippa eine Obsession für König Richard III: Sie setzt sich zum Ziel, dessen verschollene Überreste zu finden. Zudem möchte sie nicht glauben, dass der Monarch tatsächlich ein so verachtenswerter Mensch war, wie ihn Shakespeare in seinem berühmten Theaterstück darstellt.

Philippa zeigt Biss

Philippa folgt nicht nur ihrer Intuition, selbst mit hoch reputierten Historikern nimmt sie es auf. Ob bei Archäologen oder ihrem Mann: Zunächst stößt die Hobby-Historikerin vor allem auf eins: kopfschüttelnde Verwunderung. Philippa lässt sich jedoch nicht abbringen.

Sally Hawkins, 2008 lernte man sie schätzen in Mike Leighs «Happy-Go-Lucky», ist wunderbar in dieser erstaunlichen Geschichte. Vor 15 Jahren ging sie ganz auf in der Rolle einer 30-jährigen Lehrerin - nun geht sie gänzlich auf in ihrer Darstellung einer 45-Jährigen, die irgendwie zwischen den Stühlen hängt: Nicht mehr jung, noch nicht alt. Gerade ist Philippa bei einer Beförderungsrunde nicht bedacht worden und ihr Gatte trifft sich mit anderen Frauen. Man möchte Hawkins herzen, teils auch schütteln, derart rührend und irre ist ihre Philippa im «Lost King». Wenn sie der unfreundlichen Buchhändlerin mit einem dünnen Lächeln erklärt, dass sie wirklich all die acht vorrätigen Bücher zu Richard III. im Shop haben möchte, ist das genauso hübsch, wie die Szene, in der sie dem verdatterten Leicester City Council von ihren Ausgrabungsplänen auf einem Parkplatz erzählt.

Mehr als eine Nacherzählung

Auch der Regie und dem Drehbuch muss man Respekt zollen: Wie es beiden gelingt, aus «The Lost King» noch deutlich mehr zu machen als nur die Nacherzählung einer, wenn auch unglaublichen, Begebenheit, ist toll. Was wir sehen, was wir genießen dürfen, ist eine unwahrscheinliche und doch funktionierende Melange aus Drama, Midlife-Crisis, Ehe-Stück, Archäologie-Krimi und surrealer Komödie.

Am Ende dieses mitreißenden Films lesen wir: «Seit 2018 erwähnt die Website der königlichen Familie Richard III. als rechtmäßigen König Englands für die Jahre 1483-85. Dies ist einer langen von Philippa inspirierten Kampagne zu verdanken». Und auch wir haben zu danken: Für einen der flottesten, einen der spannendsten Kino-Streifen dieser Herbst-Saison. Philippa Langley wurde 2015 übrigens von Queen Elisabeth zum «Member of the Order of the British Empire» (MBE) ernannt. Auch Sally Hawkins hat ein Ehrenabzeichen verdient für ihre so engagierte, ihre so bewegende Darstellung einer offensichtlich durchsetzungsfähigen und ziemlich starken Frau.

© dpa-infocom, dpa:231001-99-403954/2