Bundeskanzler Olaf Scholz (r) sitzt mit Miguel Diaz-Canel, Präsident von Kuba, am Tisch., © Geert Vanden Wijngaert/AP Pool/AP
Bundeskanzler Olaf Scholz (r) sitzt mit Miguel Diaz-Canel, Präsident von Kuba, am Tisch. Geert Vanden Wijngaert/AP Pool/AP, dpa
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Russlands Verbündete sorgen für Eklat bei Gipfel in Brüssel

18.07.2023

Das erste große Gipfeltreffen der EU mit lateinamerikanischen und karibischen Staaten seit acht Jahren ist von Streit über eine Erklärung zum Ukraine-Krieg überschattet worden. Mit Russland verbündete Länder wie Nicaragua, Venezuela und Kuba setzten bei der zweitägigen Zusammenkunft in Brüssel durch, dass der Text keine explizite Verurteilung des Krieges enthält und Russland nicht einmal erwähnt wird.

Nicaragua wollte am Ende nicht einmal einen Minimalkompromiss mittragen. Grund war nach Angaben von Diplomaten, dass dort von einem «Krieg gegen die Ukraine» und der «Notwendigkeit eines gerechten und nachhaltigen Friedens» die Rede ist.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach trotzdem von einem Erfolg und einem «großen Fortschritt», weil anerkannt worden sei, dass es sich um einen Angriffskrieg handele. Nur ein Land habe beim Gipfel eine andere Position eingenommen. «Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass insgesamt eine solche Verständigung hier gelungen ist.»

EU wollte klare Botschaft an Putin

Ziel der EU war es, mit der Gipfelerklärung eine klare Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu senden. Diesem soll deutlich gemacht werden, dass er in der Weltgemeinschaft zunehmend isoliert ist und bei einer Fortsetzung des Angriffskriegs weitere wirtschaftliche Nachteile fürchten muss. Die Hoffnung war, dass mächtige lateinamerikanische Länder wie Brasilien bei dem Spitzentreffen auf kleinere Staaten einwirken, um diese zu einer Verurteilung des russischen Angriffskrieges zu bewegen.

Am Ende brachten die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die 33 Länder der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) lediglich ihre «tiefe Besorgnis über den anhaltenden Krieg gegen die Ukraine» zum Ausdruck, der immenses menschliches Leid verursache und bestehende Verwundbarkeiten der Weltwirtschaft verstärke. Russland als Aggressor ist in dem Dokument aber nicht genannt.

Dass ein Großteil der Gipfelteilnehmer Russland für den Angriffskrieg verurteilt, wird nur indirekt mit einem Verweis auf das Abstimmungsverhalten bei entsprechenden Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen deutlich gemacht. In ihnen war Russland zuletzt im Februar zu einem Rückzug aus der Ukraine aufgefordert worden. 141 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen stimmten im Februar dafür.

Das mittelamerikanische Nicaragua hatte damals aber als eines von nur sieben Ländern gegen die Annahme der Resolution gestimmt. Von den lateinamerikanischen und karibischen Staaten enthielten sich zudem Kuba, Bolivien und El Salvador. Venezuela, Dominica und Grenada nahmen nicht an der Abstimmung teil. Damit haben sieben von 33 Celac-Staaten in dieser Abstimmung den russischen Angriffskrieg in der UN-Vollversammlung nicht verurteilt.

Scholz vertrat nach dem Gipfel die Auffassung, dass die imperialen Motive Russlands international immer stärker erkannt würden. «Mein Eindruck ist, das verschiebt sich gerade weltweit», sagte er.

An dem Gipfel in Brüssel nahmen politische Spitzenvertreter aus 60 Ländern teil - aus Südamerika unter anderem Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Argentiniens Präsident Alberto Fernández.

Ortega und Maduro stehen klar hinter Putin

Nicaraguas Präsident Daniel Ortega und Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro ließen sich vertreten. Beide hatten sich zuletzt nach dem Aufstand der russischen Privatarmee Wagner noch einmal klar hinter Putin gestellt - gemeinsam mit dem kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel.

«Wir senden unsere Umarmung der Solidarität und der Unterstützung an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, dem es gelungen ist, einen Versuch des Verrats und des Bürgerkriegs zu bewältigen und seinem Volk den Sieg und den Frieden zu garantieren», twitterte Maduro im Juni. In einer offiziellen Mitteilung aus dem mittelamerikanischen Nicaragua hieß es, Präsident Ortega und seine Ehefrau sowie Vizepräsidentin Rosario Murillo übermittelten Putin «unsere Zuneigung in revolutionärer Bruderschaft».

Irlands Premierminister Leo Varadkar hatte bereits vor dem Scheitern der Verhandlungen gesagt, eine große Mehrheit der Gipfelteilnehmer unterstütze zwar eine Erklärung, nach der die Ukraine ein Recht auf territoriale Integrität und Selbstbestimmung habe. Bei einem Gipfel wie dem in Brüssel werde der Wortlaut von Erklärungen aber im Konsens festgelegt und nicht per Mehrheitsbeschluss. Dies bedeutet, dass eine Erklärung nur dann verabschiedet werden kann, wenn niemand widerspricht.

Belohnung aus Moskau?

Ob die Verbündeten von Russland für ihre Standhaftigkeit in Brüssel eine Belohnung aus Moskau erwarten können, blieb zunächst unklar. In der Vergangenheit hatte es für die drei Länder wiederholt Hilfsangebote aus Moskau gegeben - zum Teil auch im militärischen Bereich. Venezuela erhielt auch Waffen.

In den Hintergrund rückte durch den Streit um die Ukraine-Erklärung, dass die EU und die lateinamerikanischen und karibischen Staaten grundsätzlich vereinbarten, ihre Zusammenarbeit weiter auszubauen. So soll zum Beispiel gemeinsam der Kampf gegen den Klimawandel und dessen negative Folgen vorangetrieben werden.

EU-Ratspräsident Charles Michel sprach bei der Abschlusspressekonferenz von einem «neuen, optimistischen und positiven Kapitel» in den Beziehungen und kündigte an, dass es nun alle zwei Jahre Spitzentreffen geben solle.

Die Hoffnung ist auch, dass bis dahin die Bemühungen um den Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur abgeschlossen werden können. Der brasilianische Präsident Lula, die aktuelle spanische EU-Ratspräsidentschaft und andere Teilnehmer äußerten die Absicht, bis Ende des Jahres zu einer Einigung zu kommen - auch wenn es keine konkreten Fortschritte gab.

Über den Aufbau einer riesigen Freihandelszone zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay war im Sommer 2019 nach jahrelangen Verhandlungen eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wird allerdings nun von mehreren EU-Staaten wie etwa Frankreich oder Österreich wieder infrage gestellt. Kritiker befürchten, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden und gleichzeitig die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird.

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