Quentin Tarantino wird 60: Ein hollywoodreifes Leben
Schwache Nerven sind bei Quentin Tarantino fehl am Platz - in seinen Filmen spritzt das Kunstblut für gewöhnlich gleich literweise. Der Schockmoment: ein dauerhafter. Vor allem aber bestechen seine Werke seit mehr als drei Jahrzehnten mit brillanten Dialogen, lakonischem Witz und Starbesetzung.
Bei Tarantino gibt sich das Who-is-Who aus Hollywood die Klinke in die Hand. So dürfte auch die Gratulantenliste zu seinem Geburtstag eine hochkarätige sein. Heute (27. März) wird der amerikanische Kultregisseur 60 Jahre alt.
Ein Alleskönner
Als Autorenfilmer macht Tarantino kaum Kompromisse. Er führt Regie, schreibt das Drehbuch, ist selbst häufig Produzent und mischt als Schauspieler in kleinen Rollen mit. «Quentin schreibt Poesie, und ich mag Poesie», sagte einst Christoph Waltz über Tarantino, der bisher mit zwei Oscars ausgezeichnet wurde.
Beteiligte seiner Filme haben weitere der begehrten Trophäen gewonnen. Zuletzt wurde die Hommage «Once Upon a Time in Hollywood» für das beste Szenenbild und Brad Pitt in der besten Nebenrolle geehrt.
Beeindruckende Karriere
Tarantino ist ein Schreibgenie ohne Schulabschluss: Die junge Mutter zog den kleinen Quentin Jerome alleine in Los Angeles auf. Dort ging der Filmjunkie in Ghetto-Kinos, wo Kung-Fu-Streifen und Clint-Eastwood-Western liefen.
Alles Weitere lernte er durch Jobs in Videoläden und beim Schauspielunterricht. Seine Filmleidenschaft brachte ihn zu einem Regie-Workshop in Sundance, wo Robert Redford das jährliche Festival für Independent-Filme ausrichtet.
Mit seinem Sundance-Debüt «Reservoir Dogs», einem gnadenlosen Gangster-Kammerspiel, feierte Tarantino 1992 seinen ersten Kinoerfolg. Zwei Jahre mussten sich die Fans gedulden, dann wurden sie mit «Pulp Fiction» entschädigt. Für das Drehbuch zur Blutorgie um Ganovenehre, Mord und Totschlag - mit Hollywoodgrößen wie Bruce Willis und John Travolta - gab es den ersten Oscar.
Seinen Erfolg schreibt Tarantino seinem Durchhaltevermögen zu. Er habe als junger Mann versucht, einen Kinofilm zu drehen und sei daran gescheitert, erzählte er 2022 beim Digital-Festival OMR in Hamburg. «Der Fakt, dass ich danach nicht aufgehört habe, ist vielleicht der Fakt, der mich am stolzesten in meiner Karriere macht.»
Tarantinos Schattenseiten
1997 lieferte Tarantino das Gangster-Epos «Jackie Brown». Weitere sechs Jahre vergingen bis «Kill Bill», doch dafür servierte Tarantino den Rachefeldzug einer mörderischen Braut (Uma Thurman) gleich im Doppelpack, als «Kill Bill Vol. 1 und 2».
Jahre nach den Dreharbeiten führte ein Bericht der «New York Times» dann zu schweren Anschuldigungen gegen Tarantino. Er habe Thurman, die als seine Muse galt, zu einem Stunt überredet, bei dem sie sich an Hals und Knien verletzte. Thurman selbst sagte später, dahinter habe keine böse Absicht gesteckt - anders als hinter dem Versuch, den Vorfall geheimzuhalten. Das sei unter anderem «dem berüchtigten Harvey Weinstein» zuzuschreiben.
Der Unfall kam 2018 im Zuge der Vergewaltigungsvorwürfe gegen den inzwischen mehrfach verurteilten Hollywood-Mogul ans Licht. Das Team um Weinstein hatte bis dahin viele von Tarantinos Werken ins Kino gebracht, darunter den Nazijäger-Film «Inglourious Basterds» (2009) und den Sklaven-Western «Django Unchained» (2012). Nach Bekanntwerden der Vorwürfe räumte Tarantino ein, er habe von sexuellen Übergriffen gewusst und nicht rechtzeitig reagiert.
Er sei damals «schockiert und aufgebracht» gewesen, habe aber nie das ganze Ausmaß erkannt. «Once Upon a Time in Hollywood» drehte er in der Folge mit Sony Pictures. Basierend auf dem preisgekrönten Film - eine Zeitreise ins Los Angeles der 1960er Jahre - veröffentlichte Tarantino 2021 sein erstes belletristisches Werk «Es war einmal in Hollywood».
Eine Ära geht vorbei
Seinem nächsten Film dürften Fans derweil mit gemischten Gefühlen entgegenblicken. Schon länger ist bekannt, dass Tarantino danach Schluss machen möchte. Mit seiner Frau, der Sängerin Daniella Pick, lebt er bereits seit einigen Jahren in Israel. 2022 wurde er zum zweiten Mal Vater.
«Ich mache das alles schon seit 30 Jahren», bestätigte der Regisseur seine Pläne kürzlich in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN. Er wolle nicht zu einem alten Mann werden, der den Bezug zur Gegenwart verloren habe. «Es ist an der Zeit, die Show zu beenden.»
© dpa-infocom, dpa:230326-99-92756/4