Pistorius will Spionageabwehr weiter ausbauen
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die Abwehr von Spionageattacken auf die Bundeswehr weiter ausbauen. Die Festnahme eines Mitarbeiters des Koblenzer Beschaffungsamtes der Bundeswehr bezeichnete er als einen Erfolg im Kampf gegen Spionage.
«Wir sind schnell und wachsam. Die personelle Stärkung des Militärischen Abschirmdienstes müssen wir konsequent weiter verfolgen - gerade im Bereich der Spionageabwehr», sagte der SPD-Politiker der dpa in Berlin. Die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste sei eng und habe hervorragend funktioniert.
Der neue Spionage-Fall
Ermittler des Bundeskriminalamtes hatten am Vortag einen Mitarbeiter der Koblenzer Bundeswehr-Beschaffungsbehörde (BAAINBw) in Koblenz festgenommen. Der Beschuldigte ist Anfang 50 und Offizier im Range eines Hauptmanns. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, soll sich der Mann von Mai 2023 an «aus eigenem Antrieb» mehrfach an das russische Generalkonsulat in Bonn und die russische Botschaft in Berlin gewandt und eine Zusammenarbeit angeboten haben. Dabei habe er Informationen aus seiner beruflichen Tätigkeit übermittelt.
Pistorius: «Wir sind hellwach»
«Wir müssen uns - in Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine - der wachsenden hybriden Bedrohung anpassen und unsere Spionageabwehr in enger Abstimmung mit unseren europäischen und internationalen Partnern weiterhin kontinuierlich ausbauen», so Pistorius. Und: «Klar ist: Wir sind hellwach und werden alle Anstrengungen unternehmen, um jeden Fall mit aller Härte zu verfolgen.»
Der Festgenommene habe in einer Abteilung gearbeitet, die sich mit der Beschaffung von Technik für elektronische Kampfführung, Aufklärung und Auswertung geheimer Informationen beschäftige, berichtete dazu der «Business Insider». Die Ermittlungsbehörden und das Verteidigungsministerium machten dazu keine Angaben.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden auch die Wohnung des Verdächtigen in einem Dorf im Rhein-Hunsrück-Kreis sowie die Nebenwohnung in Koblenz durchsucht. Die Herangehensweise des Mannes, der sich direkt an die russische Botschaft und das Generalkonsulat wandte, entbehrte nach Einschätzung von Beobachtern nicht einer gewissen Naivität. Schließlich ist gerade in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der damit noch einmal gewachsenen Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden, was Spionagerisiken angeht, davon auszugehen, dass solche Kontaktversuche nicht unentdeckt bleiben.
Faeser lobt Sicherheitsbehörden
Bundesinnenministerin Nancy Faeser lobte die Arbeit der Sicherheitsbehörden. «Auch dieser Fall zeigt, dass unsere Sicherheitsbehörden russische Spionage in Deutschland im Blick haben und konsequente Maßnahmen dagegen treffen», sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Unsere Sicherheitsbehörden sind äußerst wachsam. Wir haben Kräfte gebündelt und Schutzmaßnahmen hochgefahren, um uns gegen die aktuellen Bedrohungen zu wappnen.»
Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte fordert weitere Konsequenzen für die Aufstellung der Sicherheitsbehörden. «Die Sicherheitsarchitektur muss grundlegend neu aufgestellt werden», sagte Otte der dpa. Eine Anpassung von Struktur, Zuständigkeiten und Befugnissen müsse sich an den realen Gefahren orientieren.
«Da innere und äußere Sicherheit nicht mehr trennbar sind, müssen auch Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst verfassungskonform kooperieren dürfen. Die Koordinierung könnte in einem Nationalen Sicherheitsrat vollzogen werden», sagte Otte.
Warnung vor Moskau
Der Militärische Abschirmdienst hatte in seinem im Juli veröffentlichten MAD-Report vor verstärkter Ausspähung der Bundeswehr aus Russland gewarnt. Russland strebe nach einem Informationsvorsprung gegenüber dem Westen und der Nato. «Die hohe Anzahl hier eingesetzter russischer Nachrichtendienstmitarbeiter bestätigte die herausgehobene Wertigkeit Deutschlands», so der MAD.
Der MAD stellt nun fest, mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei «die Stärkung der Spionageabwehr und Bekämpfung von Spionage und möglicher Sabotage dringlicher als je zuvor».
Im Mai 2021 hatte der Bundestag eine Verschärfung von Sicherheitsüberprüfung beschlossen, die vor allem für Soldaten mit besonderen militärischen Fähigkeiten oder in kritischen Bereichen gilt. Häufiger als bisher sollen sie befragt und ihre Internetaktivitäten kontrolliert werden. Dies war eine Konsequenz aus den Rechtsextremismus-Skandalen beim Kommando Spezialkräfte (KSK).
Allerdings gibt es bei der Bundeswehr nun auch einen Stau bei den Sicherheitsüberprüfungen. Im ersten Quartal 2023 lag die Zahl der offenen Verfahren beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) bei 66 551, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums im Juli gesagt hatte. Bis zum 31. Mai stieg die Zahl auf 69.687, wie aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Unionsfraktion hervorgeht, über die die «Bild am Sonntag» (BamS) berichtet hatte. Der Sprecher betonte, dass die hohe Anzahl keine Auswirkungen auf Neueinstellungen habe.
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