«Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst», sagt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin über die Veröffentlichung brisanter US-Informationen zum Krieg in der Ukraine., © Jose Luis Magana/AP/dpa
«Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst», sagt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin über die Veröffentlichung brisanter US-Informationen zum Krieg in der Ukraine. Jose Luis Magana/AP/dpa, dpa
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Pentagon-Chef nach Datenleck: «Werden jeden Stein umdrehen»

12.04.2023

Nach der Veröffentlichung brisanter US-Informationen zum Krieg in der Ukraine bemüht sich die US-Regierung um Aufklärung und versucht, ihre Verbündeten zu beruhigen.

«Wir werden jeden Stein umdrehen, bis wir den Ursprung und das Ausmaß des Vorfalls herausgefunden haben», sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin gestern in Washington. Sowohl er als auch US-Außenminister Antony Blinken sagten, sie hätten mit ihren ukrainischen Kollegen gesprochen.

«Weitergabe von sensiblem und geheimem Material»

Austin sagte, er habe am vergangenen Donnerstag von dem Datenleck erfahren. «Ich wurde erstmals am Morgen des 6. April über die Berichte über die unbefugte Weitergabe von sensiblem und geheimem Material unterrichtet.» Seitdem habe er sich täglich mit leitenden Mitarbeitern seines Ministeriums beraten und Sofortmaßnahmen ergriffen. «Wir haben die Angelegenheit an das Justizministerium weitergeleitet, das eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet hat.» Solange die Untersuchungen liefen, könne er sich nicht näher äußern. Er betonte aber: «Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst.»

Außenminister Blinken sagte, er habe gestern mit seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba gesprochen. «In unserem Gespräch habe ich neben anderen Dingen unsere anhaltende Unterstützung für die Ukraine und ihre Anstrengungen, ihre territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit zu verteidigen, bekräftigt.»

Seit Wochen kursieren im Internet offensichtlich geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. US-Medien berichten seit Tagen über sensibles Material zu beiden Kriegsparteien, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Unklar ist, wer die schon vor Wochen bei prorussischen Kanälen verbreiteten Dokumente publiziert hat. Das Investigativ-Netzwerk Bellingcat wies nach, dass sie teils nachträglich manipuliert wurden.

Es geht um Waffenlieferungen und Munitionsverbrauch

Die Dokumente enthalten nach Berichten von US-Medien Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf sowie Standorte russischer und ukrainischer Truppen sowie deren Personalstärke eingezeichnet sind. Informationen gibt es auch zu vermeintlichen Plänen der Nato und der USA, wie das ukrainische Militär auf eine Frühlingsoffensive vorbereitet werden könnte.

Ein Sprecher des Pentagons hatte die Veröffentlichung der Dokumente am Montag als ein «sehr ernstes Risiko für die nationale Sicherheit» bezeichnet. Die im Netz aufgetauchten Bilder ähnelten Dokumenten, mit denen hochrangige Führungskräfte täglich über die Ukraine und russlandbezogene Operationen informiert werden, sagte Pentagon-Sprecher Chris Meagher. «Einige dieser Bilder scheinen verändert worden zu sein.»

Er rief dazu auf, mit der Verbreitung der Inhalte vorsichtig zu sein. Die Offenlegung sensibler Verschlusssachen könne «enorme Auswirkungen nicht nur auf unserer nationale Sicherheit haben, sondern auch dazu führen, dass Menschen ihr Leben verlieren».

Wie geht es bei den Ermittlungen um das Datenleck voran?

Bei der Suche nach dem Ursprung des Datenlecks könnte es den Ermittlern laut der «New York Times» helfen, dass die Dokumente anscheinend zunächst fotografiert und dann erst ins Internet gestellt worden seien. Dies sei ein eher schlampiges Verfahren, das darauf hindeuten könnte, dass die Urheber nur wenige Schritte gemacht hätten, um ihre Aktion zu verbergen und möglicherweise einen elektronischen Fingerabdruck hinterlassen hätten, berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf Geheimdienstexperten. Auf diese Weise könnten etwa die Datums- und Zeitstempel der Bilder verfolgt oder die IP-Adressen der benutzten Computer ermittelt werden, sofern diese nicht getarnt worden seien.

Zudem könne der Kreis jener reduziert werden, die Zugang zu dem brisanten Material gehabt haben könnten. Die Dokumente seien in eigenständigen Computersystemen enthalten gewesen, die nicht mit dem Internet verbunden seien. Diese Computer befinden sich demnach in gesicherten Arbeitsbereichen, in denen elektronische Geräte verboten sind, mit denen Fotos, Videos oder Audioaufnahmen gemacht werden können.

Dennoch müssten Hunderte oder gar Tausende infrage kommende Personen mit Zugangsrechten befragt werden, sagte ein früherer hochrangiger US-Antiterrorbeamter dem Blatt. Ein anderer erläuterte, die Ermittler würden nun versuchen, jene durchgesickerten Dokumente zu identifizieren, die nur einer kleineren Gruppe von Empfängern zugänglich gewesen seien, um so die Untersuchung einzugrenzen.

Berichte: Leaks deuten auf westliche Spezialkräfte hin

Die geleakten mutmaßlichen US-Geheimdienstdokumente zum Ukraine-Krieg deuten nach britischen Medienberichten darauf hin, dass westliche militärische Spezialkräfte in der Ukraine im Einsatz sein könnten. Die BBC und der «Guardian» berichteten am Mittwoch übereinstimmend unter Berufung auf eines der Dokumente, dass Großbritannien in dem Kriegsland rund 50 Kräfte seiner als «Special Forces» bekannten Eliteeinheit einsetze.

Andere Nato-Staaten sollen demnach mit ähnlichen Einheiten vor Ort sein - so etwa Frankreich und die USA mit jeweils rund 15 Kräften. Aus dem Dokument geht den Berichten zufolge nicht hervor, wo die Spezialkräfte sich genau aufhalten und was sie konkret vor Ort tun.

Das britische Verteidigungsministerium macht traditionell keine Angaben zu solchen Missionen der Spezialkräfte und wollte die Berichte auf Anfrage nicht kommentieren. Am Dienstag veröffentlichte das Ministerium jedoch eine allgemeine Reaktion auf die Leaks auf Twitter: Die Dokumente würden inhaltlich ein «schwerwiegendes Maß an Ungenauigkeit» aufweisen, hieß es darin. Man solle die Behauptungen darin nicht «für bare Münze» nehmen, da es das Potenzial für die Verbreitung von Falschinformationen gebe.

Südkorea: USA wollen in Datenleck-Affäre mit Seoul kooperieren

Die Veröffentlichung mutmaßlich geheimer Dokumente von US-Stellen sorgt auch in Südkorea für Unruhe. Die USA hätten ihre Bereitschaft geäußert, in dieser Angelegenheit vollständig mit seiner Regierung zusammenzuarbeiten, sagte Südkoreas Außenminister Park Jin laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap am Mittwoch vor dem außenpolitischen Ausschuss des Parlaments. Park spielte auf Abhörvorwürfe gegen die USA an, die im Zusammenhang mit dem Datenleck aufgekommen waren und auch Südkorea betreffen.

Der US-Nachrichtensender CNN berichtete, einige der im Internet aufgetauchten Pentagon-Dokumente, die Beamte in Washington als authentisch einstuften, enthüllten das Ausmaß, mit der die USA wichtige Verbündete einschließlich Südkoreas belauscht hätten. Nach Berichten amerikanischer Medien ging es in den Dokumenten unter anderem um Unterredungen im Präsidialamt in Seoul zur Frage, ob Südkorea die Ukraine für den Krieg gegen Russland auch mit Waffen unterstützen sollte.

Das Büro des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol hatte die Abhörverdächtigungen am Dienstag als «absurd und falsch» bezeichnet. Park betonte jedoch am Mittwoch vor Abgeordneten, dass «jetzt die Erforschung des Sachverhalts von äußerster Wichtigkeit ist». Es gebe kein Thema, das mit den USA nicht besprochen werden könne. Abhöraktionen seien an sich schon problematisch und die Regierung werde prüfen, «die USA um die angemessenen Maßnahmen zu bitten, wenn das nötig ist». Der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei, Lee Jae Myung, warf der Regierung vor, nicht genug dafür zu tun, um dem Abhörverdacht nachzugehen. Die Angelegenheit schlage in Südkorea bereits hohe Wellen.

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