Neues Rolling-Stones-Album kommt im Oktober
Wenn die Rolling Stones neue Musik rausbringen, dann ist schon die Ankündigung selbst ein Ereignis. Dann genügt keine einfache Pressekonferenz, dann muss es großes Kino sein. Oder großes Theater. Am Mittwoch lud die legendäre Rockband ins traditionsreiche Theater Hackney Empire in London ein, um mit US-Talkmaster Jimmy Fallon über ihr kommendes Studioalbum zu sprechen. Die LP «Hackney Diamonds» soll am 20. Oktober erscheinen. Die erste Single «Angry» gibt es schon jetzt. Vor geladenen Gästen, Fans und Journalisten wurde die Band am Mittwoch unter großem Jubel empfangen.
«Wir waren sehr faul», gab Frontmann Mick Jagger (80) scherzhaft zu. Schließlich ist das letzte Stones-Album mit eigenen Songs, «A Bigger Bang», schon 18 Jahre her. «Naja, wir waren auch viel auf Tournee. Aber wir wissen, dass wir vielleicht ein bisschen zu faul waren. Also haben wir gesagt: Komm wir setzen uns eine Frist und machen ein Album.» Dann sei alles sehr schnell gegangen, bestätigte Ronnie Wood (76). «Wir hatten viele Ideen», so der Gitarrist. «Kurz vor Weihnachten haben wir alles zusammengeworfen, haben losgelegt und alles aufgenommen.»
Sie vermissen ihren Drummer Charlie Watts
«Hackney Diamonds» markiert eine Zäsur in der mehr als 60-jährigen Karriere der Rolling Stones, denn es ist das erste Album seit dem Tod von Charlie Watts. Der Schlagzeuger war im August 2021 im Alter von 80 Jahren gestorben. «Seit Charlie nicht mehr da ist, ist alles anders», sagte Kultgitarrist Keith Richards (79), der standesgemäß einen Hut und eine Sonnenbrille trug. «Natürlich vermissen wir ihn, aber dank Charlie Watts haben wir jetzt Steve Jordan, den Charlie uns empfohlen hat.»
Der 66-jährige Jordan war mit Watts befreundet und vertrat ihn schon bei Konzerten, als dieser wegen gesundheitlicher Probleme aussetzen musste. Mit Jordan am Schlagzeug bestritten die Stones auch ihre Europa-Tournee zum 60. Bandjubiläum im vergangenen Jahr.
Auf dem neuen Album trommelt Jordan auf zehn der zwölf Songs. Die anderen beiden hatten die Stones noch 2019 mit Watts aufgenommen. Auf einem der beiden spielt auch Ex-Bassist Bill Wyman, der von 1962 bis 1993 Stones-Mitglied war. «Wir haben Bill gefragt, ob er ins Studio kommt und er hat einen Track aufgenommen», sagte Jagger sichtlich erfreut. «Wir haben also die alte Band auf einem Song wieder zusammen.»
«Wir sind eine Londoner Band»
Im Gespräch mit Talkshow-Star, Comedian und Stones-Fan Fallon gaben sich die Stones bestens aufgelegt. Auf roten Velourssesseln, unter glitzernden Kronleuchtern plauderte das Trio vor dem berühmten Lippen-und-Zunge-Logo der Stones, das in zerbrochenem Design auf der Bühne leuchtete. «Hackney Diamonds» ist alter Ost-Londoner Slang für zerbrochenes Glas von einem Schaufenster oder einem Auto, das nach einem Raub oder Einbruch liegen geblieben ist. «Wir sind eine Londoner Band», betonte Richards.
Auf die Ex-Beatles Paul McCartney und Ringo Starr, die Gerüchten zufolge für «Hackney Diamonds» mit ihren Stones-Freunden im Studio standen, kamen Jagger, Richards und Wood nicht zu sprechen. Allerdings wurde bekannt, dass Lady Gaga auf dem neuen Album ein Duett namens «Sweet Sound Of Heaven» mit Jagger singt. Dass Wood das schon verriet, war offenbar nicht geplant.
Musikvideo zur neuen Single «Angry»
Was treibt die Stones nach all den Jahrzehnten noch an? «Ich will nicht großkotzig wirken», so Jagger, «aber wir hätten dieses Album nicht veröffentlicht, wenn es uns nicht wirklich gefallen hätte.» Der Spaß an der Musik scheint allerdings nicht die einzige Motivation zu sein. Angesprochen darauf, warum er neben den Stones auch noch mit vielen anderen Musikern arbeitet, erklärte Wood: «Man muss seine Finger in Bewegung halten, wenn man in unser Alter kommt.» Unter dem Gelächter des Publikums und seiner Stones-Kollegen fügte er hinzu: «Man muss alles in Bewegung halten.»
Zum Abschluss des Events, das via Livestream übertragen wurde, präsentierten die Rolling Stones das Musikvideo zu ihrer neuen Single «Angry», einem rifflastigen Rock'n'Roll-Song mit viel Groove. In dem Clip fährt US-Schauspielerin Sydney Sweeney mit einem Auto über den Sunset Boulevard in Los Angeles, während die Stones, teilweise verjüngt, auf den Anzeigetafeln musizieren. Die 25-jährige Sweeney saß in London im Publikum neben anderen Gästen wie dem britischen Filmregisseur Edgar Wright («Shaun Of The Dead») oder dem deutschen TV- und Radiomoderator Fritz Egner.
Zum ersten PR-Termin kamen zwei Journalisten
Zu einer möglichen neuen Tournee äußerten sich die Rolling Stones am Mittwoch nicht. Ausgeschlossen ist das allerdings nicht. Keith Richards sagte, neben den Aufnahmen zu einem neuen Album seien Konzerte der «heilige Gral» für eine Band. Nach sechs Jahrzehnten scheint bei den Rolling Stones immer noch alles möglich zu sein.
Als Mick Jagger und Co. 1964 ihr erstes Album veröffentlichten, war das Interesse übrigens nicht ganz so groß. «Keith und ich waren in einem Pub», erinnerte sich der Sänger. «Es waren zwei Journalisten da, einer vom «NME» und einer vom «Melody Maker». Wir haben ihnen ein Bier bestellt und gesagt: «Hier ist unser Album, hört mal rein.» Dann sind wir gegangen und das war's.» Wie sich die Zeiten doch ändern.
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