Missbrauchsvorwürfe: Debatte um Hengsbach-Denkmal in Essen
Nach der Veröffentlichung von Missbrauchsvorwürfen gegen den 1991 gestorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach will die Stadt den Kardinal-Hengsbach-Platz in der Innenstadt umbenennen. «Ich nehme die Anschuldigungen sehr ernst», erklärte der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen auf Anfrage. Das weitere Vorgehen der Stadt werde eng mit dem Bistum und dem Generalvikariat abgestimmt.
«Klar ist aber auch, der Kardinal-Hengsbach-Platz in Essen wird so nicht mehr heißen können», erklärte der CDU-Politiker. Das Thema werde demnächst im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrates behandelt, sagte Kufen.
Zugleich begann eine Debatte um das Hengsbach-Denkmal vor dem Essener Dom. Der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, und die Reforminitiative Maria 2.0 fordern die Entfernung des 2011 errichteten Denkmals. Am Nachmittag ist eine Mahnwache vor dem Denkmal geplant.
«Das Denkmal muss schnell verschwinden», sagte Norpoth und forderte zudem, dass das Bistum Essen mit einer Informationstafel an der Grablege des Bistumsgründers im Dom über die Missbrauchsvorwürfe informieren solle.
Reforminitiative: Entsetzt über langes Schweigen
«Wir sind entsetzt, dass, obwohl die Vorwürfe schon sehr lange im Raum stehen, bis heute dazu öffentlich geschwiegen wurde», teilte die Initiative mit, der nach eigenen Angaben bundesweit 100 Ortsgruppen angehören.
Ein Bistumssprecher sagte, Forderungen nach einem Denkmal-Abriss oder Umbenennungen von Straßen und Plätzen hätten derzeit nicht die erste Priorität. Die Bistumsspitze rechne aktuell mit weiteren Meldungen möglicher Missbrauchs-Betroffener. Diese könnten Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach oder auch andere Kleriker betreffen. Die sorgfältige Prüfung der Vorwürfe werde sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen.
Hengsbach ist auch einer der wenigen Träger des Ehrenringes der Stadt Essen - zusammen mit Persönlichkeiten wie dem einstigen Krupp-Inhaber Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (1907-1967) oder Ex-Bundespräsident Gustav Heinemann (1899-1976).
Kirchenrechtler spricht von besonders dramatischem Fall
Die Bistümer Essen und Paderborn hatten am Dienstag mitgeteilt, dass sie «gravierende» Missbrauchsvorwürfe gegen den Essener Bistumsgründer Hengsbach untersuchten. Er soll unter anderem in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn eine damals 16-Jährige missbraucht haben. Außerdem wird er eines weiteren Übergriffs auf eine Frau 1967 in Essen beschuldigt. Die Untersuchungen laufen.
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sprach im WDR von einem besonders dramatischen Fall. «Die Plausibilität scheint gegeben zu sein, sonst hätten die beiden Bistümer sich nicht an die Öffentlichkeit gewandt», sagte der Experte aus Münster am Mittwoch im «Morgenecho» auf WDR 5.
Der derzeitige Essener Bischof Franz-Josef Overbeck habe in einem «längeren Lernprozess» verstanden, dass seine eigene Kirche nicht sachgerecht mit solchen Verdachtsfällen umgegangen sei, man eher den Tätern geglaubt habe, meinte der Kirchenrechtler. Overbeck habe sich für die Wahrheit entschieden: «Er geht damit ein Risiko ein. Er muss das Bistum danach zusammenhalten.» Und: «Auf ihn kommen stürmische Zeiten zu.»
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