Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Russland hat ukrainischen Angaben zufolge erneut Städte im Süden und Osten der Ukraine angegriffen. In der ostukrainischen Stadt Perwomajskyj wurden bei einer Explosion Dutzende Menschen verletzt. Mindestens 31 Verletzte seien registriert worden, darunter mehrere Minderjährige, teilte der Gouverneur des Gebiets Charkiw, Oleh Synjehubow, am Dienstag bei Telegram mit. In dem betroffenen Wohngebiet gebe es Schäden an acht Mehrfamilienhäusern und fünf Autos. Vorläufigen Angaben zufolge soll es sich um einen Granateinschlag gehandelt haben. Dabei liegt die Kreisstadt über 100 Kilometer von der Frontlinie im Osten und der russischen Grenze im Norden entfernt.
In der südukrainischen Stadt Cherson wurden nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft ein Mann und eine Frau getötet. Die Zahl der Verletzten war zunächst unklar.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 16 Monaten gegen Russlands Invasion. Aktuell will das Land mit einer Gegenoffensive die Befreiung seiner von russischen Truppen besetzten Gebiete erreichen.
Russische Flugabwehr schießt Drohnen über Moskau ab
Die russische Flugabwehr schoss nach Angaben des Verteidigungsministeriums erneut Drohnen über Moskau ab. Vier Drohnen seien am Dienstag von der russischen Luftabwehr zerstört worden, eine weitere sei elektronisch ausgeschaltet worden und über dem Gebiet Odinzowo abgestürzt, teilte das Ministerium laut Staatsagentur Tass mit. Es habe keine Toten oder Verletzten gegeben.
Das Verteidigungsministerium machte die Ukraine für die Drohnenangriffe verantwortlich und sprach von einem «versuchten Terroranschlag des Kiewer Regimes». Auch Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin schrieb in seinem Telegram-Kanal, die russische Luftabwehr habe «einen weiteren versuchten Angriff ukrainischer Drohnen» abgewehrt.
Flüge um Moskau zwischenzeitlich eingestellt
Seit Wochen schon häufen sich Attacken auch in Russland - meist in der unmittelbaren Grenzregion zur Ukraine. Nach dem mutmaßlichen Drohnenabschuss wurden aus Sicherheitsgründen Flüge vom südwestlich des Moskauer Stadtzentrums gelegenen Flughafen Wnukowo für etwa drei Stunden auf andere Airports umgeleitet.
Das Gebiet Odinzowo, über dem eine der Drohnen abstürzte, liegt in der Nähe von Wunukowo. Der Flugbetrieb wurde nach Angaben der russischen Luftfahrtbehörde um 8.00 Uhr Moskauer Zeit (7.00 Uhr MESZ) wieder aufgenommen. Eine der zerstörten Drohnen soll auf ein Militärgelände im Vorort Kubinka westlich von Wunukowo abgestürzt sein, hieß es laut der Staatsagentur Tass von Rettungsdiensten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Ukraine für die Attacken verantwortlich gemacht. Die Regierung in Kiew hatte eine direkte Beteiligung an den Angriffen bestritten.
Zahl der Toten im ukrainischen Sumy steigt
In der nordöstlich gelegenen Stadt Sumy erhöhte sich die Zahl der Toten nach einem russischen Drohnenangriff vom Montag auf drei. 21 Menschen wurden nach örtlichen Angaben verletzt, als ein mehrstöckiges Wohngebäude getroffen wurde. Die Stadt ordnete für Dienstag einen Tag der Trauer an.
Die schweren Kämpfe bei Bachmut im Osten der Ukraine im Gebiet Donezk gingen nach Angaben des ukrainischen Generalstabs weiter. Das ukrainische Militär habe unter schwerem Beschuss durch feindliche Flugzeuge und Artillerie mehrere Angriffe abwehren können. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar.
Bedrohter Getreidedeal: Russland kritisiert EU-Zugeständnis
Russland sieht auch in einem Zugeständnis der EU keine Grundlage mehr für eine Fortsetzung des Abkommens zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer. Bei der von der EU vorgeschlagenen Gründung einer Tochter der staatlichen russischen Landwirtschaftsbank zur Abwicklung von Finanzgeschäften handele es sich um einen «bewusst nicht umsetzbaren Plan», sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, in Moskau. Die Gründung einer solchen Bank und ihr Anschluss an das internationale Bankenkommunikationsnetzwerk Swift dauere Monate.
Das auch für den Kampf gegen den Hunger in der Welt wichtige Getreideabkommen läuft allerdings schon zum 17. Juli aus. Russland hatte unter anderem die Aufhebung der Sanktionen gegen seine Landwirtschaftsbank verlangt. Dafür wäre allerdings die Zustimmung der EU-Staaten nötig, was ebenfalls als undurchsetzbar gilt. Deshalb sollte die Gründung einer Tochtergesellschaft ein Ausweg sein.
Russland hatte nach dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar vergangenen Jahres die Getreideexporte des Nachbarlandes monatelang blockiert. Im Sommer 2022 wurde dann unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei ein Abkommen zwischen den beiden Kriegsparteien geschlossen, infolgedessen wieder ukrainisches Getreide verschifft wurde. Zuletzt wurde es Mitte Mai für weitere zwei Monate verlängert - verbunden mit der Forderung Moskaus, die eigenen Exporte nun auch zu erleichtern.
Russland: Stau auf der Brücke zur Krim teilweise aufgelöst
Der kilometerlange Stau an der Kertsch-Brücke zwischen Russland und der von Moskau besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim verkürzt sich. Vom russischen Festland aus in Richtung Krim war die Blechschlange am Dienstagmorgen noch rund vier Kilometer lang, wie die russische Transportbehörde der besetzten Krim mitteilte. Am Montag war der Stau vor der Auffahrt zur Brücke von russischer Seite aus auf 13 Kilometer angewachsen. In umgekehrter Richtung löste sich die Fahrzeug-Schlange von der Krim in Richtung Festland nach russischen Medienberichten inzwischen auf.
Der Stau vor der Krim-Brücke hatte sich den Angaben zufolge seit Samstag immer weiter aufgebaut. Grund für die Verzögerungen beim Transit seien der Beginn der Urlaubssaison und die langen Kontrollen der Fahrzeuge wegen der angespannten Sicherheitslage.
Wegen des Angriffskriegs ist der Flugverkehr auf die Krim eingestellt. Die 2014 durch Russland völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel ist daher für die meisten Russen nur per Bahn oder Auto erreichbar. Die rund 19 Kilometer lange Kertsch-Brücke ist dabei die einzige Landverbindung, die nicht durch ein aktiv umkämpftes Kriegsgebiet führt.
Putin wirft Westen bei Gipfel illegitime Sanktionen vor
Der russische Präsident Putin warf dem Westen unterdessen einen «hybriden Krieg mit beispiellosen illegitimen anti-russischen Sanktionen» vor. Russland werde sich «dem Druck von außen» widersetzen, sagte der Kremlchef in seiner Rede bei dem virtuell abgehaltenen Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) unter dem Vorsitz Indiens am Dienstag. Seit langem wollten «äußere Kräfte» aus der Ukraine «ein Anti-Russland» machen. Die Ukraine werde seit acht Jahren mit Waffen vollgepumpt. Das Land verteidigt sich seit mehr als 16 Monaten mit westlicher Hilfe gegen Russlands Angriffskrieg.
Der SCO-Organisation, die zunächst zur Terrorbekämpfung 2001 gegründet wurde, gehören neben Russland und Indien auch China, Pakistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan sowie Usbekistan an. In der grundsätzlich Russland-freundlichen Gruppe dürfte Russland für seinen Angriffskrieg kaum Kritik spüren.
Putin glaubt weiter an russischen Sieg
Russlands Präsident Putin ist derweil nach eigenen Angaben weiter vom Sieg Moskaus im Angriffskrieg gegen die Ukraine überzeugt. «Daran gibt es keinen Zweifel», sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Dienstag bei einem Treffen mit Absolventen der Hochschule für staatliche Verwaltung. Der Kremlchef hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 selbst befohlen.
Als Kriegsziele gab er damals unter anderem den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine und die Entmilitarisierung des Nachbarlandes an. Außerdem müsse Russland zur eigenen Sicherheit den Nato-Beitritt der Ukraine verhindern, so Putin.
Nach mehr als 16 Monaten Krieg hält Russland zwar immer noch große Gebiete der Ukraine besetzt, ist aber weit von diesen Kriegszielen entfernt. Nach einer Reihe von Niederlagen im Krieg und einem Söldneraufstand jüngst im eigenen Land hat sich Putin zuletzt seltener offen darüber geäußert, ob er noch an einen Sieg glaube.
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