HSV-Schalke: Ein Sieger, ein Verlierer und viele Gewinner
Zwei Traditionsteams, acht Tore, ein ausverkauftes Stadion, viel knisternde Atmosphäre - das Eröffnungsspiel der 2. Fußball-Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und dem FC Schalke 04 lieferte alles, was es versprach.
Es war ein Spektakel mit einem wechselhaften Spielverlauf, Pfostenschüssen, etlichen Torchancen, einer Gelb-Roten Karte und dem HSV als verdientem 5:3-Sieger. Doch die eigentlichen Gewinner waren die 57.000 Zuschauer im Volksparkstadion, die Millionen Menschen am Fernseher - und die Liga selbst.
«Die 2. Liga ist attraktiv und sexy», sagte Hamburgs Trainer Tim Walter und sah sich in seiner Einschätzung vor der Saison bestätigt. «Ich denke, dass die Zuschauer zu Hause total begeistert waren, natürlich auch die im Stadion», sagte Walters Schalker Kollege Thomas Reis. «Die Liga macht in jedem Fall Spaß», fügte er hinzu - auch wenn sich sein Spaß am Spiel in Grenzen hielt. Er habe schon im Vorfeld gesagt, dass viele Traditionsvereine in der 2. Liga seien, bei denen die Zuschauer wie eine Wand hinter ihrem Verein stehen. «Und das macht die Liga interessant.»
Starke TV-Quote
So interessant, dass das Auftaktspiel dem Fernsehsender Sat.1 eine starke Free-TV-Quote bescherte. Die Live-Übertragung sahen im Durchschnitt 3,5 Millionen Menschen. Das entsprach nach Angaben des Senders einem Marktanteil von 15,0 Prozent. Außerdem zeigte der Pay-TV-Sender Sky das Spiel. Die Zuschauerzahl bei Sat.1 lag sogar über der des Supercups vor einem Jahr. Damals sahen 3,4 Millionen das Spiel von RB Leipzig gegen den FC Bayern München.
Schon vor dem Saisonstart hatten Experten vorhergesagt, dass die 2. der 1. Bundesliga Konkurrenz machen könnte. Das Spiel in Hamburg war ein Beleg für diese These. In puncto Unterhaltung werden es viele Erstliga-Partien schwer haben, mit dem Klassiker am Freitagabend mitzuhalten.
Das Duell der Enttäuschten mit dem Hamburger SV als Nicht-Aufsteiger und Schalke 04 als Bundesliga-Absteiger machte auch deutlich, dass die Mannschaften zurecht zu den Top-Favoriten auf den Aufstieg gezählt werden. Besonders der HSV legte 53 Tage nach dem Scheitern in der Relegation gegen den VfB Stuttgart und eine durch zahlreiche Verletzungen komplizierte Vorbereitung seinen Frust ab.
Fans geben Energie
«Jetzt kann ich es ja sagen: Es war schon schwierig, sich wieder zu motivieren. Anderen ging es genauso», sagte der Ersatz-Kapitän Jonas Meffert. Doch dann erlebte er wieder die Fans im Stadion. «Diese Energie, Wahnsinn.» Er habe schon während des Spiels gedacht, «dass ich so ein Spiel wohl noch nie erlebt habe».
Das Energielevel bei Robert Glatzel und László Bénes schien besonders hoch zu sein. Torjäger Glatzel war an vier Toren beteiligt, davon erzielte er zwei selbst. Er holte zudem den Foulelfmeter heraus, den Bénes verwandelte, und leistete die Vorarbeit zum 3:2 des Slowaken. Mit dem Neuzugang Immanuel Pherai bildete er ein kongeniales Offensiv-Duo.
Glatzel überragend
Als der 29-jährige Glatzel zu Beginn der Nachspielzeit zum 4:3 traf, explodierte die Stimmung unter den HSV-Fans förmlich. Jean-Luc Dompés Tor zum Endstand war noch eine schöne Zugabe. «Das war natürlich ein super Spiel, ganz klar», sagte Glatzel.
Dass in der Abwehr durch das Fehlen von Kapitän Sebastian Schonlau noch nicht alles perfekt lief, was verkraftbar. Dennoch machten es Guilherme Ramos und Stephan Ambrosius als ungewohntes Paar in der Innenverteidigung gut. Auch die neuen Spieler wie Glatzels Offensiv-Partner Pherai, Seeler-Enkel Levin Öztunali, Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt oder Ramos tun dem Team gut. «Wir haben viele neue Spieler gesehen. Und die haben neue Energie reingebracht», sagte Meffert.
Bei den Schalkern gab es nur zwei Lichtblicke: der neue Torhüter Marius Müller, der besonders in der ersten Halbzeit einige HSV-Chancen vereitelte, und der erst 17-jährige Assan Ouédraogo. Er traf in seinem ersten Profispiel sofort. «Als neutraler Zuschauer war alles drin in diesem Spiel über die 90 plus x Minuten. Definitiv war es ein Fußballspiel zum Angucken», sagte Schalkes Sportdirektor André Hechelmann. «Aber ganz ehrlich: Wenn man als Verlierer vom Platz geht, ist das zweitrangig.»
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