Heizungsstreit abgehakt: Habeck blickt nach vorne
Hinter Robert Habeck liegen schwierige Wochen und Monate. Wegen des umstrittenen Heizungsgesetzes stand der Grüne im Kreuzfeuer der Kritik. Es gab ein langes Gezerre vor allem mit der FDP. Das Gesetz ist zwar noch nicht beschlossen - dennoch wirkt der Vizekanzler bei seiner Sommerreise wieder entspannter.
Den Heizungsstreit hat er weitgehend abgehakt, Habeck will den Blick nun nach vorne richten. Auf seiner Sommerreise spielen Zukunftstechnologien eine zentrale Rolle: Solarenergie, Künstliche Intelligenz. Allerdings: Es bleiben große Herausforderungen.
Montagabend in Heidelberg, Karlstorbahnhof. Das Wirtschaftsministerium hat zu einer Veranstaltung in ein Kulturzentrum eingeladen. Sonst finden hier Musikkonzerte, Lesungen oder Poetry-Slams statt. Heute heißt es: «Zeit zum Reden mit Robert Habeck». Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister kommt im weißen Hemd, die Ärmel sind aufgekrempelt. Mehrere hundert angemeldete Zuschauer sind gekommen.
Der Minister legt los. Die Wochen in Berlin bis zur Sommerpause seien sehr eng getaktet gewesen. Sommerreise heiße: mehr Zeit zu haben, mal rauszukommen, einzutauchen in Themen, tiefer in Unternehmen reinzuhören - auch mal mit den «Blaumännern» zu reden. Den Auftakt macht Habeck gestern in Baden-Württemberg, heute geht es weiter nach Hessen und Nordrhein-Westfalen.
«Robert erklärt sich die Welt»
Habeck wäre nicht der studierte Philosoph, wenn er in Heidelberg nicht auch gleich den ganz großen Bogen spannen würde: Deutschland im Sommer 2023 - oder: «Robert erklärt sich die Welt.» Es gebe ja ganz viele Wenden - Energiewende, Verkehrswende, Wärmewende. Veränderung sei immer auch eine «Zumutung», sagt Habeck. «Bei ganz vielen Wenden wird einem manchmal auch ein bisschen schwindlig.»
Dass da eine Zumutung auf die Menschen zukomme, weil Veränderungen nun konkret würden, sei offensichtlich - werde im politischen Raum aber häufig nicht mitgedacht. Das sage er selbstkritisch, «robertkritisch». Und: es sei eine politische Kraftanstrengung, das Land zusammenzuhalten.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP scheint das derzeit nicht zu schaffen. Um das Heizungsgesetz gab es einen Dauerstreit, nach der politischen Einigung stoppte das Bundesverfassungsgericht die geplante Entscheidung im Bundestag vor der Sommerpause - die Verabschiedung ist nun für Anfang September geplant. Die Einigung in der Ampel aber stehe, so Habeck. Die inhaltliche Debatte hält er für befriedet. Doch zu wichtigen Vorhaben in der Regierung wie der Kindergrundsicherung sind viele Fragen offen, die finanziellen Spielräume eingeengt.
Vor allem zwischen Grünen und FDP klaffen teilweise ideologische Gräben. Die Konjunktur springt nicht an, die Inflation ist weiter auf hohem Niveau. Die rechtspopulistische AfD ist in Umfragen auf Höhenflug.
Habeck: Klimaschutz zur Erfolgsgeschichte machen
Dann kommt die erste Frage im Karlstorbahnhof, von einem 19-jährigen Studenten von der Grünen Jugend. Wie man die Menschen wieder mehr vom Klimaschutz überzeugen könne? Eine Frage ganz nach dem Geschmack Habecks. Er will an einer neuen Erzählung arbeiten - den Klimaschutz zur positiven Geschichte, zur Erfolgsgeschichte machen: «Wir folgen einer Idee oder mehreren Ideen. Wir machen das, um Wohlstand in Deutschland zu erneuern, das Land in seiner materiellen, industriellen und sozialen Basis zu verteidigen und damit auch die Grundlagen und die Fundamente der Demokratie zu verteidigen.»
In der Art geht es weiter in der Grünen-Hochburg Heidelberg. Es geht um Biodiversität, ums Gendern, wie die Wirtschaft den Umbau bewältigen oder wie die Förderung des Heizungsaustauschs am besten funktionieren kann - kein Vergleich zu einem Bürgerdialog Habecks vor einem Jahr im bayerischen Bayreuth, wo es auf einem öffentlichen Platz der CSU-regierten Stadt laute Pfiffe und Buhrufe gegen den Minister gab.
Ein Zuhörer will wissen, wie Habeck es denn mit der FDP hält. «Eine Regierung, die sich öffentlich so streitet wie die Kesselflicker, ist nicht gut», sagt der Minister. Man müsse sich nun zusammenraufen, macht er deutlich.
Erklärungen für den Abstieg
Die öffentlichen Streitigkeiten haben nämlich dazu geführt, dass alle Parteien der Ampel in den Umfragen schlecht dastehen - und anscheinend kein Rezept gegen die AfD haben. Habeck, dessen einst unerreichte Popularitätswerte ebenfalls eingebrochen sind, erklärt das Erstarken der AfD mit einer Abwendung von staatlichen Institutionen aufgrund von «Abstiegsängsten» oder «Anerkennungsängsten», mit einer Enttäuschung über den Staat.
Alles, was als Staatlichkeit auf einen zukomme, sei eine Gefährdung des eigenen Freiheitsempfindens - so sei die Wahrnehmung bei vielen. Habeck macht klar: Das beunruhigt ihn. Ein Ansatz: Die staatlichen Institutionen müssten funktionieren, die Infrastruktur auch - und man müsse Politik erklären, immer wieder aufs Neue erklären. Leicht wird das nicht.
Wie gemacht für Habeck ist der erste Termin am heutigen Dienstag. Er besucht das Start-up Aleph Alpha in Heidelberg, eine deutsche Hoffnung bei Künstlicher Intelligenz. Die Firma baut KI-Assistenten für die Industrie und die Verwaltung, damit Prozesse effizienter und schneller werden, der Mensch soll entlastet werden. Habeck fragt, wie genau denn KI zum Beispiel bei der Abarbeitung von Förderanträgen helfen könne. Derzeit gibt es teils monatelange Wartezeiten - und wenn die neue Förderung für den Heizungstausch erst los geht, wird eine Antragsflut erwartet.
In Hofheim am Taunus in Hessen geht es weiter. Die junge Firma Solarnative baut Mini-Wechselrichter und will bald auf den Markt. Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland hat mächtig Fahrt aufgenommen. Habeck skizziert seine Wunschvorstellung: eine Solaranlage auf dem Dach, eine Wärmepumpe, ein Elektroauto.
Wärmepumpen sind auch ein Geschäft der Elektrotechnikfirma Bürkle + Schöck in Stuttgart, eines Familienbetriebs mit rund 120 Mitarbeitern. Auf einem digitalen Einsatzplan für die Beschäftigten steht am Montag zum Ministerbesuch auch das Kürzel «roha1000», darunter: Habeck. Robert. Sein Auftrag als Monteur heute: Er soll eine Wärmepumpe installieren - Habeck witzelt: «Och nö.»
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