Extremwetter in Griechenland, Türkei und Bulgarien dauert an
Menschen kommen in den Fluten um, Felder verwandeln sich in Seen, Bäche in reißende Flüsse. Straßen stehen hüfthoch unter Wasser, Häuser und Geschäfte laufen voll. In den Städten und Ortschaften Mittelgriechenlands häufen sich Berge aus Schlamm, Dreck und Müll. Die Rettungskräfte kommen kaum durch, die Menschen dürfen nicht auf die Straßen.
Das griechische Sturmtief, das auch in Teilen Bulgariens und der Westtürkei für Chaos sorgt, sprengt alle Vorhersagen. Und noch gibt es keine Entwarnung, denn bis Donnerstag soll es zumindest in Griechenland so weitergehen. Der Überblick:
Wie viele Todesopfer gibt es bislang?
In Griechenland barg die Feuerwehr am Mittwoch die Leiche einer Frau im Dorf Paltsi östlich der Hafenstadt Volos - am Abend die eines Mannes nahe der mittelgriechischen Stadt Karditsa. Damit stieg die Zahl der Opfer auf drei. Auch in der türkischen Metropole Istanbul kamen bei sturzflutartigen Regenfällen zwei Menschen um. Insgesamt liegt die Zahl der Opfer in der Türkei damit aktuell bei sieben. Weitere 31 Menschen seien verletzt worden, hieß es.
An der bulgarischen Schwarzmeerküste kamen mindestens vier Menschen ums Leben. Somit stieg die Zahl der Opfer Stand Mittwochnachmittag insgesamt in allen drei Ländern auf 14.
Inwiefern ist die Bevölkerung betroffen?
In den überfluteten Gebieten herrscht Chaos. Immer wieder mussten am Mittwoch Menschen gerettet werden, die vom Wasser eingeschlossen waren. Auch der Verkehr lag lahm, vor allem in der Region Thessalien in Mittelgriechenland. Dort untersagte der Zivilschutz den Bürgern vielerorts, das Auto zu nehmen, und warnte davor, überhaupt auf die Straße zu gehen.
Zum einen waren viele Straßen und Bäche überflutet, zum anderen blockieren Privatautos dann die wichtigsten Verkehrsverbindungen für die Rettungsdienste. Außerdem gefährdeten die Menschen sich selbst, weil immer wieder Autos von den Wassermassen mitgerissen wurden.
Wie sieht es bei der Infrastruktur aus?
In Thessalien herrschte unter anderem in der Hafenstadt Volos wortwörtlich Land unter. «Wir können die Strom- und Wasserversorgung nicht wieder herstellen», sagte Bürgermeister Achilleas Mpeos am Mittwochmorgen. «Die Transformatoren stehen unter Wasser, es ist gefährlich, überhaupt zu versuchen, dort heranzukommen.» Ohne Strom gebe es jedoch kein Wasser, auch die Kläranlagen funktionierten nicht, sagte der Bürgermeister.
Betreffen die Probleme auch Touristen?
Absolut. So lag die Fähre «Superstar» mit 400 Passagieren, darunter vielen Touristen, bereits seit Dienstagabend wenige Seemeilen vor der Hafenstadt Volos im Meer, ohne dort anlegen zu können, wie auf der Seefahrtplattform Marinetraffic zu sehen war. Am Mittwochnachmittag fuhr sie dann in den weiter südlich gelegenen Hafen Agios Konstantinos.
Zuvor hatte die Hafenpolizei von Volos das Anlegen untersagt, weil die Verkehrssituation in der Stadt so schwierig sei. «Es ist unmöglich, die Straßen zu räumen», sagte Bürgermeister Mpeos, «gerade hört es für ein paar Minuten auf zu regnen und wir gehen mit schwerem Gerät rein, dann fängt es sofort wieder an.»
Wie sieht es mit Flügen aus?
Der Flughafen der Insel Skiathos blieb am Mittwoch stark beeinträchtigt. Dort mussten laut Sprecher Savvas Karagiannis mehrere Hundert Menschen übernachten. «Ein Flugzeug versucht gerade, zu landen - wir müssen sehen, wie es weitergeht», sagte er der dpa am Mittwochmorgen. Er wisse nicht, wann der Flughafen wieder vollständig den Betrieb aufnehmen werde. «Es sind unglaubliche Wassermengen runtergekommen, die Zufahrtsstraßen sind gesperrt.»
Was sagen die Meteorologen?
Die Regenwassermengen, die bislang über der Region Thessalien niedergingen, seien die größten, die jemals im Land gefallen seien, seit diese Daten erhoben würden, teilte am Mittwoch die Wetterbehörde EMY mit. Rekordhalter war nun die Ortschaft Zagora, wo am Dienstag von Mitternacht bis 20.45 Uhr 754 Liter Regen je Quadratmeter.
Wo lag der vorherige Rekord?
Den bisherigen Rekord hielt nach Angaben des Nationalen Observatoriums in Athen der Ort Makrinitsa, der ebenfalls in der Region liegt. Damals betrug die Niederschlagsmenge am 10. Dezember 2009 allerdings nur etwas mehr als die Hälfte des neuen Rekords, nämlich 417 Liter pro Quadratmeter. «Was in (der Region) Magnisia passiert, ist ein äußerst extremes Phänomen, sowohl was die Menge und Intensität der Niederschläge als auch ihre Dauer angeht», sagte Chefmeteorologe Kostas Lagouvardos in einem Interview.
Woran könnte die Extremwetterlage liegen?
Lagouvardos vermutet, dass die aktuell relativ hohen Temperaturen des Meeres dazu beigetragen haben könnten. «Es handelt sich um ein statisches System, das ständig mit feuchter Meeresluft versorgt wird, wodurch es dauernd an derselben Stelle regnet», sagte er. Über den Klimawandel als Ursache wurde derweil in griechischen Medien noch nicht diskutiert - allerdings sind die Meteorologen zunächst auch mit der aktuellen Lage befasst. Eine Auswertung der Unwetter und deren Ursachen wird jedoch sicher noch stattfinden.
Unterschied zur Ahrtal-Flut 2021
Bei der Ahrtal-Flut im Juli 2021 lagen die Niederschlagsmengen zwischen 100 und 200 Liter pro Quadratmeter, mindestens 134 Menschen starben. Dagegen wurde nun in Griechenland die höchste Niederschlagsmenge mit 754 Liter pro Quadratmeter gemessen.
Aber: Von der Regenmenge allein kann man nach Angaben des Meteorologen Markus Übel vom Deutschen Wetterdienst (DWD) nicht auf die Stärke der Auswirkungen schließen. Eine entscheidende Rolle spiele die Topographie - im Ahrtal floss das ganze Wasser in ein enges Tal und konnte nicht ausweichen. Vielerorts in Griechenland hingegen fließt das überflüssige Wasser schließlich ins Meer ab.
Wie ist der Ausblick?
Für Mittelgriechenland können die Meteorologen bislang keine Entwarnung geben, im Gegenteil. Auch in der Nacht zum Donnerstag solle es weiterhin stark regnen und stürmen. Das gilt auch für die Türkei: Dort warnen die Behörden ebenfalls vor weiteren Unwettern in der Schwarzmeerregion. Lediglich in Bulgarien scheint sich die Lage zu entspannen - dort soll es zunächst nicht mehr regnen.
Unterdessen fordert EU-Parlaments-Vizepräsidentin Katarina Barley laut einem Medienbericht EU-Hilfen für die betroffenen Länder. Wie bereits bei früheren Naturkatastrophen in anderen Mitgliedstaaten sollte der EU-Solidaritätsfonds für den Wiederaufbau in Anspruch genommen werden, wie die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Es wäre ein Fehler zu glauben, dass es sich nur um gewöhnliche Wetterphänomene handele.
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber verlangte mehr Geld für den europäischen Katastrophenschutz. «Die sich ändernden Wetterbedingungen fordern alle unsere Länder heraus, mehr in die Klimaanpassung und unsere Notfalldienste zu investieren», sagte der EVP-Chef. «So wie die EU Deutschland nach den Überschwemmungen im Jahr 2021 mit mehr als 600 Millionen Euro unterstützt hat, wird sie jedes Land unterstützen, das Opfer von extremen Wetterbedingungen ist.»
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