Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock (beide hinten) empfangen die Staatschefs aus Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zum Zentralasien-Gipfel im Kanzleramt., © Kay Nietfeld/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock (beide hinten) empfangen die Staatschefs aus Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zum Zentralasien-Gipfel im Kanzleramt. Kay Nietfeld/dpa, dpa
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Deutschland schmiedet Partnerschaft mit Zentralasien

29.09.2023

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Deutschland mit den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens erstmals eine strategische Partnerschaft vereinbart. Damit solle die seit 30 Jahren bestehende Kooperation «gefestigt und aufgewertet» werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die nach dem dem ersten Gipfeltreffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Staatschefs von Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in Berlin veröffentlicht wurde.

Die strategische Partnerschaft soll die Schwerpunkte Wirtschaft und Energie, Klima und Umwelt, regionale Zusammenarbeit und den direkten Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern haben. Dazu sollen regelmäßige Konsultationen etabliert werden. Das nächste Gipfeltreffen vereinbarte Scholz mit den Staatschefs für das nächste Jahr in Zentralasien.

Achtung der Menschenrechte Teil der Erklärung

Die bisher stark unter Russlands Einfluss stehenden Staaten haben für Deutschland unter anderem wichtige Rohstoffe zu bieten. Manche stehen aber auch wegen schwerer Menschenrechtsverstöße international in der Kritik. Das gasreiche Turkmenistan etwa gilt als eine abgeschottete Diktatur ähnlich wie Nordkorea. Die «Zusammenarbeit bei der Förderung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten» fand allerdings nun ebenso Eingang in die gemeinsame Erklärung wie die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und einer unabhängigen Justiz.

Am Rande des Gipfels wurde eine Absichtserklärung für ein Migrationsabkommen mit Kirgistan unterzeichnet, das die Anwerbung von Fachkräften und die Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht von Deutschland nach Kirgistan erleichtern soll. Mit Usbekistan gibt es eine solche Absichtserklärung schon.

Region elf Mal so groß wie Deutschland

Die fünf zentralasiatischen Staaten haben zusammen knapp 80 Millionen Einwohner und damit etwas weniger als Deutschland. Ihre Fläche ist aber elf Mal so groß und entspricht ungefähr dem Gebiet der gesamten Europäischen Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten. Lange Zeit stand die Region aus deutscher Sicht im Schatten der beiden Großmächte China und Russland, auf die sich das Interesse der deutschen Wirtschaft konzentrierte.

Der russische Angriff auf die Ukraine hat das geändert. Russland fällt als lange Zeit wichtigster Energielieferant Deutschlands aus. Und die wirtschaftliche Abhängigkeit von China soll vor allem wegen der schlechten Erfahrungen mit Russland nun ebenfalls verringert werden. Die Bundesregierung von Kanzler Scholz will deswegen in Afrika, Lateinamerika und Asien bestehende Partnerschaften zu weniger wirtschaftsstarken Ländern vertiefen und neue Partner finden.

In den zentralasiatischen Staaten sind die Rohstoffvorkommen für Deutschland besonders interessant. So versorgt Kasachstan als wirtschaftsstärkstes Land der Region jetzt schon die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt mit Öl und gleicht die Kappung der russischen Lieferungen aus. Kasachstan verfügt aber auch über Uran, Eisenerz, Zink, Kupfer oder Gold und gilt als potenzieller Partner für die Produktion von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.

Erster Zentralasien-Gipfel eines EU-Staats

Einen Zentralasien-Gipfel wie den in Berlin hat es noch nie mit einem EU-Mitgliedstaat gegeben. Am Rande der UN-Vollversammlung hatte sich allerdings auch US-Präsident Joe Biden schon mit den fünf Präsidenten getroffen. Für sie ist die Intensivierung der Beziehungen mit dem Westen ein Spagat. Einerseits sind sie wirtschaftlich eng mit Russland verflochten. Andererseits betonen sie, dass sie das Sanktionsregime der westlichen Staaten gegen Russland unterstützen. Scholz hatte das am Donnerstag nach einem Treffen mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew ausdrücklich gelobt. Es sei «gut und hilfreich», dass die kasachische Regierung Maßnahmen gegen die Umgehung von Sanktionen ergriffen habe, sagte der Kanzler.

Exporte aus zentralasiatischen Staaten wie Kasachstan nach Russland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine allerdings teils deutlich angestiegen. Das nährt den Verdacht, dass Unternehmen aus westlichen Staaten gezielt versuchen, Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf dem Umweg über diese Länder zu umgehen.

Russland wird nicht erwähnt - Moskau warnt vor Einmischung

In der sechsseitigen gemeinsamen Erklärung kommt Russland nicht einmal vor. Allerdings werden darin die «Souveränität und territoriale Unversehrtheit» aller Staaten und das «Verbot der Androhung oder Anwendung von Gewalt» als Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen hervorgehoben - eine Anspielung auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

In Moskau kommt die Zentralasien-Offensive des Kanzlers nicht gut an. Das russische Außenministerium kritisierte, dass die Sanktionen des Westens gegen Moskau bei dem Gespräch zwischen Scholz und Tokajew zur Sprache kamen. Russland setze darauf, dass es ohne «negative Einmischung» von außen seine effektive wirtschaftliche Zusammenarbeit und seine gutnachbarschaftlichen Beziehungen mit Kasachstan fortsetzen könne.

Es gebe auch zwischen Kasachstan und Russland eine strategische Partnerschaft. Russland erwarte deshalb, dass sich da niemand von außen einmische, teilte das Ministerium der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge weiter mit. Kasachstan ist auf das Transitland Russland angewiesen, um sein Öl nach Deutschland zu pumpen.

© dpa-infocom, dpa:230929-99-384803/2