DBB-Team verzückt Sportnation - Gold gegen Ex-Chef?
Ihren Finalgegner trafen Franz Wagner und Co. vor dem größten Spiel der deutschen Basketball-Geschichte im Foyer des riesigen Teamhotels. Ex-Bundestrainer Svetislav Pesic schüttelte ganz entspannt Hände und hielt einen Tag vor dem WM-Titelduell mit seinen Serben noch Smalltalk mit Gegner Deutschland ab.
Nur ein Spiel trennt die bei der WM in Asien herausragende Nationalmannschaft, um eine ganze Generation zu krönen und sich im Geschichtsbuch zu verewigen. «Die Jungs verstehen diese Chance. Das ist eine Chance, die gibt es nur einmal im Leben in so einem großen Finale», sagte Bundestrainer Gordon Herbert.
Das Team um Kapitän Dennis Schröder will am Sonntag (14.40 Uhr/Magentasport und ZDF) gegen die raffinierten Serben einen schon jetzt unvergesslichen Sommer mit dem goldenen Pokal in Manila veredeln. Die Sportnation ist begeistert, selbst höchste politische Vertreter des Landes registrieren die Leistungen der bei der WM noch immer ungeschlagenen Basketballer. «Historisch» nannte Bundeskanzler Olaf Scholz via X, vormals Twitter, den erstmaligen WM-Finaleinzug nach dem famosen 113:111 gegen Topfavorit und Olympiasieger USA.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnete das Bürgerfest im Park von Schloss Bellevue gar mit den Worten: «Nur für den Fall, dass Sie es noch nicht gehört haben: eine Sensation bei der Basketball-Weltmeisterschaft.» Und nach sieben WM-Spielen im japanischen Okinawa sowie in Manila, die ausschließlich MagentaSport kostenfrei übertragen hat, steigt zum Endspiel nun auch das ZDF ein und überträgt live.
Fokus auf das Finale
Das als überragendes Kollektiv gefeierte Team mit Anführer Schröder versucht den neuen Rummel bestmöglich auszublenden - zumindest bis Sonntag. «Ein Sieg gegen die USA ist sehr, sehr geil, aber wir haben noch ein Spiel. Wir müssen trotzdem fokussiert bleiben und gegen starke Serben spielen», sagte der 29-Jährige, der in den vergangenen Jahren sehr viel Kritik einstecken musste. Schröder könnte am Sonntag derjenige werden, der in der Mall of Asia Arena auf den Philippinen die erste WM-Trophäe in der deutschen Geschichte nach oben reckt.
Am Tag vor dem Finale setzte Herbert bewusst nicht viel auf die Tagesordnung der Profis. Freiwilliges Wurftraining, eine rund 30-minütige Videositzung zum Finalgegner mit dem früheren deutschen Trainer Pesic (74) sowie viel Regeneration. «Es gibt keine Zeit zu feiern und keine Zeit, sich irgendwie gut zu fühlen», sagte Herbert, dessen Dreijahresprojekt mit Heim-EM (Bronze), WM und Olympia schon im zweiten Sommer vor der ultimativen Krönung steht. Für den Coup gegen die USA gab es deshalb auch keine Belohnung. Nach einem späten Abendessen sezierte der 64-jährige Kanadier bis drei Uhr nachts Videomaterial der Serben.
Routinier Pesic, der Deutschland 1993 in München sensationell zum Europameister machte und mit Alba Berlin und dem FC Bayern national und international Titel sammelte, könnte drei Jahrzehnte später zum Spielverderber der deutschen Basketball-Glückseligkeit werden. «Er lässt seit 30 Jahren starke Defense mit hohem Druck spielen. Ich habe riesigen Respekt vor ihm. Er hat großen Einfluss auf den Basketball in Deutschland. Der Basketball wäre ein anderer, wenn es Pesic nicht gegeben hätte», hob Herbert hervor. Sein Team würde mit einem Sieg am Sonntag sogar die Generation um Dirk Nowitzki übertreffen. Der 2019 als Profisportler abgetretene Superstar wird auf einen Endspielbesuch in Manila verzichten.
Franz Wagner auf Nowitzkis Spuren
Zur Schlüsselfigur könnte neben Schröder vor allem Franz Wagner werden, der gegen die USA an den jungen Nowitzki erinnerte. Die Knöchelverletzung ist abgehakt, Wagner ist wieder fit. «Es geht um den WM-Titel. Finale, noch einmal alles reinwerfen und genauso spielen, wie wir davor gespielt haben. Die Stimmung ist gut wie immer, wir freuen uns auf morgen», sagte Wagner. Mit der Idee, ab Sonntag womöglich den Titel «Basketball-Weltmeister» zu tragen, will er sich nicht befassen. «Das Team, das diesen Gedanken mehr hat, das hat ein schwierigeres Spiel morgen», prophezeite der Profi der Orlando Magic.
Das 224-Punkte-Spektakel gegen die USA zeigte eindrucksvoll, was Deutschlands Basketballer ausmacht. Neben den eigentlichen Stars überragten auch der nun überall gefeierte Dreierspezialist Andreas Obst sowie der wuchtige Center Daniel Theis. «Das Umfeld ist das Wichtigste. Das Vertrauen in der Gruppe ist riesig, das macht großen Spaß. Natürlich genießt das jeder», sagte Moritz Wagner. Die gemeinsame sechswöchige Reise von Bonn über Berlin, Hamburg, Abu Dhabi und Okinawa bis hin nach Manila soll nun mit dem finalen Glanzpunkt enden.
Das könnte auch die nach diversen Niederlagen leidende Sportnation gut vertragen. Fußballer, Fußballerinnen und Handballer kassierten in den vergangenen Jahren Schlappen bei Großereignissen, das Leichtathletik-Team blieb bei der WM in Budapest im August erstmals ohne Medaille. Immerhin, das Eishockey-Team schaffte es in diesem Jahr auch ins WM-Finale, die Hockey-Herren holten in Indien zuvor sogar den Titel.
«Die leidende Sportnation, das klingt so dramatisch. Ich beziehe das eher auf den Basketball-Sport, muss ich ehrlich sagen. Ich mute mir jetzt nicht zu, über andere Sportarten zu sprechen», sagte Moritz Wagner. Für den eigenen Bereich gibt es aktuell nur Positives zu erzählen. «Ich bin Teil der Basketball-Kultur in Deutschland. In den letzten Jahren Teil dieser Welle zu sein, ist einfach etwas sehr Schönes.» Das Beste soll am Sonntag noch kommen.
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