CDU-Mann Frei: Flüchtlinge an Europas Küsten zurückweisen
Nach seinem umstrittenen Asyl-Vorstoß hat der CDU-Politiker Thorsten Frei ein härteres Vorgehen gegen Flüchtlinge verlangt, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. «Es muss möglich sein, illegale Migranten an Europas Küsten zurückzuweisen», sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag der «Welt». Wenn im Mittelmeer Boote in internationalen Gewässern aufgegriffen werden, würden die Menschen darauf selbstverständlich gerettet. «Aber die Fahrt führt dann nicht an ein europäisches Ufer, sondern dorthin zurück, wo sie hergekommen sind.»
Der CDU-Politiker erhielt dafür Unterstützung von Parteichef Friedrich Merz. Er sagte im ZDF-Sommerinterview: «Meine Position ist ganz einfach und sehr klar die, dass ich jeden Vorschlag begrüße und für erwägenswert und diskussionswürdig halte, der zwei Dinge erfüllt. Das Problem muss kleiner werden. Und wir müssen unseren Menschenrechtsverpflichtungen auf der Welt nach wie vor nachkommen.» Deutschland müsse ein Land bleiben, das auf der Welt helfe. «Aber diese Hilfe darf auch nicht missbraucht werden und sie wird hunderttausendfach missbraucht. Und dagegen müssen wir was tun.»
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, hielt Merz eine schrittweise Öffnung nach rechts vor. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass sich aus dem Schutz der Menschenwürde im Grundgesetz ein Zurückweisungsverbot für Flüchtlinge an der Grenze ergebe. «Friedrich Merz sollte anstatt nach rechts zu schielen lieber die Bibel und das Grundgesetz lesen», sagte Bäumler der Deutschen Presse-Agentur.
Grüne warnen vor populistischer Debatte
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, warf der Union «eine inhumane und mit dem internationalen Recht unvereinbare Position» vor. «Was wir insbesondere angesichts der jüngsten Umfrageergebnisse der AfD nicht brauchen, sind populistische Debatten rund um das Asylrecht», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Denn dieser Populismus zahlt am Ende nur bei den Rechtspopulistinnen und Rechtsextremen ein.»
In einer neuen Insa-Umfrage für die «Bild am Sonntag» stieg die AfD jetzt bundesweit auf 22 Prozent und liegt damit nur noch vier Prozentpunkte hinter der Union.
Frei sagte auf die Frage, ob er die Legalisierung sogenannter Pushbacks wolle: Wenn jemand in internationalen Gewässern schutzlos aufgegriffen werde, müsse die Fahrt nicht in einen europäischen Hafen führen. «Emotional aufgeladene unklare Rechtsbegriffe wie Pushbacks» seien für eine sachliche Debatte wenig hilfreich.
Pushbacks, also das Zurückweisen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen, sind nach internationalem Recht illegal. Trotzdem steht zum Beispiel der Mittelmeer-Anrainer Griechenland im Verdacht, systematisch Migranten in die Türkei zurückzudrängen. Dies werfen Hilfsorganisationen und Medien der Regierung in Athen vor.
Scharfe Kritik von der Ampel
Vor wenigen Tagen hatte Frei bereits eine weitgehende Abschaffung des individuellen Anspruchs auf Asyl vorgeschlagen. In einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» plädierte er dafür, dieses durch eine europäische Kontingentlösung zur Aufnahme von Flüchtlingen zu ersetzen. 300.000 bis 400.000 Menschen pro Jahr sollten direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden. Dieser Vorstoß war von der Ampel scharf kritisiert worden. Die Bundesregierung betonte, sie halte am individuellen Anspruch auf Asyl fest.
Der CDU-Vorsitzende Merz machte deutlich, dass der Vorstoß mit ihm abgestimmt war. Die Schwesterpartei CSU reagierte sehr zurückhaltend. Aus ihrer Sicht ist der Vorschlag nicht geeignet, um die aktuellen Probleme der Kommunen bei der Bewältigung des stark gestiegenen Flüchtlingszustroms zügig zu lösen.
Unterstützung erhielt Frei vom parteilosen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Freis Konzept würde bei «migrationsskeptischen Bürgern» viel größere Akzeptanz finden als das heutige System, schrieb der ehemalige Grünen-Politiker in einem Beitrag für die «Welt». Dieses erwecke bei immer mehr Menschen den Eindruck, «als stünde der Staat hilflos einer immer größer werdenden Zahl von Armutsflüchtlingen gegenüber, die sich den Zutritt zum eigenen Dorf, zur eigenen Nachbarschaft, erzwingen können».
Forderung nach bundesweiten Grenzkontrollen
Zur Begrenzung illegaler Migration forderte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein bundesweite Grenzkontrollen. «Der Bund muss endlich dafür sorgen, dass weniger Menschen illegal nach Deutschland kommen. Dazu brauchen wir flächendeckende Kontrollen an den deutschen Außengrenzen», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag». Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse diese sofort umsetzen.
Rhein und Faeser sind Konkurrenten bei der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober. Der CDU-Ministerpräsident will dort sein Amt verteidigen, die Bundesinnenministerin fordert ihn als SPD-Spitzenkandidatin heraus.
Merz teilte Rheins Position im ZDF: «Wir müssen, wenn wir die europäischen Außengrenzen nicht gut schützen können, in der Lage sein, die europäischen Binnengrenzen, unsere Staatsgrenzen zu schützen. Wir müssen wissen, wer nach Deutschland kommt.»
© dpa-infocom, dpa:230723-99-504116/3