Brasilien und Südafrika dringen auf Ende des Ukraine-Kriegs
Beim Brics-Gipfeltreffen am Mittwoch haben die Präsidenten von Brasilien und Südafrika erneut für Friedenverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine geworben. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sprach sich für ein schnelles Ende des Konflikts aus. Der Krieg habe globale Auswirkungen, die nicht ignoriert werden könnten, sagte Lula am zweiten Tag des Gipfels in der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole Johannesburg.
Die Gruppe der wichtigen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, aus deren Namen sich das Akronym Brics ergibt, sei demnach ein wichtiges Forum, um Fragen der Weltsicherheit und des Friedens zu diskutieren.
«Wir sehen es als positiv, dass eine wachsende Zahl von Ländern, darunter auch Brics-Länder, in direktem Kontakt mit Moskau und Kiew stehen», sagte Lula. «Wir unterschätzen nicht die Schwierigkeiten, Frieden zu erreichen, aber wir können auch nicht gleichgültig gegenüber dem Tod und der Zerstörung sein, die jeden Tag geschehen.»
Initiativen ohne erkennbaren Erfolg
Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa plädierte dafür, den Ukraine-Krieg durch Verhandlungen zu lösen. «Die Brics-Länder werden die Bemühungen unterstützen, diesen Konflikt durch Dialog, Vermittlung und Verhandlungen zu beenden», sagte der 70-Jährige. Ramaphosa leitet eine afrikanische Friedensinitiative für ein Ende des Kriegs, mit Vermittlungsbemühungen in Moskau und Kiew. Auch Lula hatte zu Beginn des Jahres für eine internationale Vermittlungsinitiative zur Beilegung des Konflikts geworben. Beide Initiativen blieben allerdings ohne erkennbaren Erfolg.
Russland führt seit 18 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Einschließlich der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hält Russland derzeit rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt. Im Zuge einer laufenden Gegenoffensive versucht die ukrainische Armee auch mithilfe westlicher Waffen, die besetzten Gebiete zu befreien.
Die Ukraine fordert den Abzug der russischen Truppen von ihrem Staatsgebiet vor Beginn möglicher Verhandlungen. Der Westen verweigert von Russland geforderte sogenannte langfristige Sicherheitsgarantien, bei denen es um die Nichterweiterung der Nato, vor allem um die Nichtaufnahme der Ukraine geht.
Putin per Video zugeschaltet
Russlands Präsident Wladimir Putin nutzte den Brics-Gipfel nun, um den Konflikt zu rechtfertigen. Obwohl er selbst den Einmarsch ins Nachbarland am 24. Februar 2022 befohlen hatte, schob er einmal mehr dem Westen die Schuld zu und behauptete: «Das Bestreben einiger Länder, ihre Vorherrschaft in der Welt zu bewahren, hat zu der schweren Krise in der Ukraine geführt.»
Putin war zu dem Gipfel nicht nach Südafrika gereist, weil er wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht wird. In Johannesburg hätte dem 70 Jahre alten Kremlchef deshalb die Festnahme gedroht. Er wurde per Video zugeschaltet.
Den nächsten Gipfel der Brics-Staaten will Putin dafür selbst ausrichten. In seiner Rede am Mittwoch lud er die Vertreter der anderen Brics-Mitgliedstaaten für Oktober 2024 in die russische Stadt Kasan ein. Das konkrete Datum solle über diplomatische Kanäle abgesprochen werden.
Abschlusserklärung wird voraussichtlich verschoben
Anders als ursprünglich geplant fand die Verkündung der Beschlüsse des 15. Brics-Gipfels nicht am Mittwoch statt. Die Abschlusserklärung werde voraussichtlich auf Donnerstag verschoben, teilte ein Sprecher der südafrikanischen Regierung mit. Die Minister der Mitgliedsstaaten müssten sich noch länger beraten, hieß es.
Es wird erwartet, dass die Brics-Staaten Aufnahmekriterien für neue Mitglieder beschließen. Auch könnte es Hinweise geben, ab wann zusätzliche Länder aufgenommen werden, um aus der Gruppe durch zahlreiche Neuzugänge «Brics plus» zu machen. Auf diese Weise will Brics als Machtzentrum des globalen Südens ein Gegengewicht zu anderen Foren wirtschaftlich starker Länder wie den G7 bilden. Schon jetzt machen die fünf Brics-Länder nach eigenen Angaben 42 Prozent der Weltbevölkerung und etwa ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung aus.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sprach sich am Mittwoch erneut für eine rasche Erweiterung der Brics-Gruppe aus. Auch Indiens Premierminister Narendra Modi, der «Brics plus» bislang kritisch gegenüberstand, sagte seine Unterstützung für eine Ausweitung der Gruppe zu.
Nach Angaben der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor haben etwa 40 Staaten mehr oder weniger verbindlich Interesse an einer Brics-Mitgliedschaft bekundet, 23 davon konkret, darunter Argentinien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Ägypten, Iran, Kuwait, Venezuela und Bangladesch.
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