Boris Becker im ersten Interview nach Entlassung aus dem Gefängnis

Boris Becker im ersten Interview nach Entlassung aus dem Gefängnis

21.12.2022

Becker, der aus dem baden-württembergischen Leimen stammt, war Ende April von einem Gericht in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Er war am Donnerstag - nach 231 Tagen hinter Gittern - freigekommen.

Boris Becker: "Natürlich war ich schuldig"

Tennis-Star Boris Becker hat sich nach seiner Haftentlassung öffentlich zu seiner Schuld bekannt. "Natürlich war ich schuldig", sagte der 55-Jährige in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Interview beim Sender Sat.1. Er habe in 4 Punkten - von 29, die ihm ursprünglich vorgeworfen worden waren - vor Gericht in London verloren. "Und gerad beim vierten Punkt - als ich Gelder von meinem Firmenkonto genommen habe - hat mich die Jury in London schuldig gesehen." Hinzu seien drei weitere Punkte gekommen - etwa, dass er sein Haus in Leimen, in dem seine Mutter lebt, geheimgehalten habe.

Becker: "Habe zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt"

"Ich bin mit 97 Kilo ins Gefängnis gekommen und hatte dann mal knapp 90 Kilo."  Becker fügte hinzu: "Ich hab zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt, also bin hungrig ins Bett gegangen. Ich dachte, dass ich mit 54 Jahren schon alles erlebt habe, aber das war neu." Im Gefängnis habe er keinen Alkohol getrunken, nicht geraucht und wochen- oder vielleicht auch monatelang sehr wenig gegessen. "Also meiner Gesundheit tat der Gefängnisaufenthalt sicherlich gut." Mittlerweile seien aber wieder ein paar Kilo dazu gekommen.

Boris Becker: “Vielleicht habe ich nicht genügend Reue gezeigt”

Tennis-Star Boris Becker hat sich wenige Tage nach seiner Haftentlassung selbstkritisch gezeigt. "Vielleicht habe ich nicht genügend Reue gezeigt im Zeugenstand", sagte Becker in einem am Dienstagabend bei Sat.1 ausgestrahlten TV-Interview. Seine Anwälte hätten alles versucht, sein "Leben zu retten". Er sei beraten worden, was er auszusagen habe und was nicht, erzählte der 55-Jährige. "Es hätte besser laufen können - aber es hätte auch viel schlechter laufen können."

Boris über Abschied von Lilian: "Du musst nicht auf mich warten"

Mit Tränen in den Augen hat Ex-Häftling Boris Becker vom Vorabend seiner Verurteilung berichtet. Er habe seiner Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro offen gesagt: "Meine Liebe, Du musst nicht auf mich warten. Du bist eine junge Frau, du stehst auf eigenen Füßen in der Welt, du bist finanziell unabhängig, ich weiß nicht wie lange ich ins Gefängnis muss", sagte Becker (55) im Sat.1-Interview, das am Dienstagabend ausgestrahlt wurde.

"Dann hat sie mich umarmt und gesagt: "Red nicht so einen Scheiß, wir schaffen das zusammen!"", berichtete Becker weiter, sichtlich um Fassung bemüht. Dann seien sie am nächsten Morgen ins Taxi gestiegen, "sind zum Gericht gefahren und waren bereit für alles."

Becker: “Hatte zwei lebensgefährliche Situationen in Haft”

Ex-Tennisstar Boris Becker hat in britischer Haft nach eigenen Worten zwei lebensgefährliche Situationen erlebt. Im Londoner Gefängnis Wandsworth, in dem Becker die ersten Wochen nach seiner Verurteilung verbrachte, habe ihn ein Mithäftling erpressen wollen. Der "wollte aber an meine Kohle", sagte der 55-Jährige in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Exklusiv-Interview mit Sat.1. Andere Mitgefangene hätten ihn vor dem Mann beschützt, der wegen mehrfachen Mordes bereits 25 Jahre hinter Gittern gesessen habe.

Auch im Gefängnis Huntercombe westlich der britischen Hauptstadt, wo Becker den Großteil seiner rund siebeneinhalb Monate langen Haft verbrachte, habe ihn ein Mitinsasse bedroht. "Ich habe so gezittert", schilderte Becker den Moment. "Der wollte mir an die Wäsche und hat mir auch verbal erklärt, was er mit mir machen will." Er sei aber so gut vernetzt gewesen, dass zahlreiche andere Gefangene ihm zu Hilfe geeilt seien. Am nächsten Tag habe sich dann der Mann vor ihm auf den Boden geworfen und entschuldigt. Becker habe ihn hochgezogen und umarmt, erzählte der einstige Ausnahmesportler unter Tränen.

Boris Becker berichtet von Gefängnisjob als Englischlehrer

Boris Becker hat davon berichtet, wie er zu seinem Gefängnisjob als Lehrer für Englisch und Mathe kam. "Das Problem, das man am Anfang hat, ist, dass man keinen Job hat." Später irgendwann könne man in der Küche arbeiten, das Gefängnis saubermachen, diverse Kurse antreten - "doch normalerweise dauert es Wochen, bis man ein Job-Angebot bekommt", berichtete Becker im Sat.1-Interview, das am Dienstagabend ausgestrahlt wurde.

Dank der Hilfe anderer Häftlinge habe er aber bereits nach zehn Tagen ein Angebot bekommen: "Ob ich denn Englisch und Mathe unterrichten könnte? In einem englischen Gefängnis wird ein Deutscher gefragt, ob er Englisch unterrichten kann, und Mathe! Das habe ich natürlich gerne angenommen."

Becker schöpfte in Haft Kraft aus Briefen von Tennis-Kollegen

Boris Becker hat während seiner Zeit in Haft Mut und Kraft aus zahlreichen Briefen geschöpft, die ihm Fans und Bekannte schickten. Darunter seien auch Überraschungen gewesen: "Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben", erzählte Becker über seinen Tennis-Kollegen. Das habe ihn sehr berührt. Auch andere frühere Davis-Cup-Freunde und Prominente wie die Tennis-Trainerin Barbara Rittner hätten ihm geschrieben. "Lange Briefe, jetzt nicht nur "liebe Grüße", sondern zwei, drei Seiten", erzählte der 55-Jährige sichtlich ergriffen. "Das hätte ich so nicht erwartet", sagte Becker. "Das hat mir geholfen jeden Tag, meine Disziplin nicht zu verlieren."

Boris Becker: "Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich."

Tennis-Star Boris Becker sieht rückblickend auch positive Aspekte seiner Zeit in Haft. "Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich", sagte der 55-Jährige in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Sat.1-Interview. "Man hat viel Zeit zum Nachdenken, ich habe meine Fehler eingesehen." Und weiter: "Ich habe über Jahre Fehler gemacht, falsche Freunde gehabt, war nicht organisiert genug."

Im Gefängnis habe er sich ausgiebig mit der Lehre des Stoizismus beschäftigt und so auch Eigenschaften an sich wiedergefunden, die er als Tennisspieler gehabt habe - wie Disziplin und Präsenz im Moment. "Dieser Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt, sagte Becker. Er habe nun eine zweite Chance bekommen und es liege an ihm, diesen Weg weiterzugehen.

Symbolbild: Shutterstock