Die Regisseurin Tamara Denic hat einen Studenten-Oscar gewonnen., © Monika Skolimowska/dpa
Die Regisseurin Tamara Denic hat einen Studenten-Oscar gewonnen. Monika Skolimowska/dpa, dpa
  • Promis
  • DPA-News

Berliner Regisseurin gewinnt Studenten-Oscar

24.10.2023

Plötzlich wird ein Stein durch die Fensterscheibe einer serbischen Redaktion geworfen. Er verfehlt Fotojournalistin Jelena nur knapp. Scherben verteilen sich auf dem Fußboden. Wegen ihrer Berichterstattung feinden rechtsextreme Gruppen die Reporterin immer wieder an. Doch sie will sich nicht einschüchtern lassen. Ausschnitte wie diese zeigt der fiktionale Kurzfilm «Istina» (Wahrheit), der bald in Hollywood eine besondere Auszeichnung erhält: Die in Berlin lebende Regisseurin Tamara Denić gehört zu den Gewinnern des diesjährigen Studenten-Oscars.

«Ich freue mich total», sagt die 31-Jährige der Deutschen Presse-Agentur, als sie in einem Berliner Café sitzt. Für die Regisseurin geht es nun nach Los Angeles - denn dort werden am 24. Oktober die Preise verliehen. Die Akademie hatte sie per Zoom mit der Bekanntgabe der Auszeichnung überrascht. «Es ist total überwältigend, das überhaupt zu erfahren», sagt Denić, die 1992 in Banja Luka in Bosnien und Herzegowina geboren wurde und als Einjährige nach Deutschland kam.

Den Abschlussfilm bei der Hamburg Media School drehte sie mit ihrem Team Christian Siée (Produzent), David M. Lorenz (Drehbuch) sowie André Stahlmann (Bildgestaltung). Insgesamt 14 Nachwuchsregisseure aus aller Welt hatten sich in dem 50. Studenten-Wettbewerb durchgesetzt. 2443 Beiträge waren von 720 Studieneinrichtungen eingegangen.

Recherchereisen nach Serbien

In «Istina» geht es um Gewalt gegen Journalisten und die Pressefreiheit in Serbien und Deutschland. Die Fotojournalistin Jelena wird in Belgrad von rechtsextremen Gruppierungen bedroht und flieht mit ihrer kleinen Tochter nach Hamburg. Auch dort feinden sie Demonstranten verstärkt an.

Denić gewinnt den Nachwuchspreis in der Sparte «Narrative/Erzählung». Doch auch wenn die Geschichte von Jelena fiktional ist, sind Anfeindungen und Beleidigungen für viele Reporter real, wie die Regisseurin sagt. «Es ist einfach nicht okay, wie mit Journalistinnen und Journalisten umgegangen wird. Das kann nicht sein, dass sie für ihren Job so bedroht werden». Für «Istina» war es ihr wichtig, ihren kulturellen Hintergrund einfließen und den Film in Europa spielen zu lassen.

Sie und ihr Team hätten Recherchereisen nach Serbien unternommen und mit Dutzenden serbischen und deutschen Journalisten gesprochen. Die Erlebnisse und Drohkommentare etwa sind abgewandelt mit in das Drehbuch eingeflossen.

In Serbien gebe es nur einen Bruchteil an freien investigativen Medienhäusern, die aktiv von staatsnahen Journalisten öffentlich diffamiert werden, erzählt Denić. Mit dem Amtsantritt von Aleksandar Vučić als Präsident habe sich die Situation verschlechtert. «Wie krass die Situation tatsächlich ist für einen EU-Beitrittskandidaten und für eine Demokratie eigentlich, fand ich im Rahmen der Recherche wirklich schockierend.»

Platz 91 für Serbien auf Rangliste der Pressefreiheit

Der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen erscheint die Darstellung der Anfeindungen in dem Film eigenen Angaben zufolge als sehr realistisch. Sie führt Serbien in diesem Jahr auf Platz 91 von 180 auf der Rangliste der Pressefreiheit. Zum Vergleich: Deutschland steht auf Platz 21 - rutschte aber im Vergleich zum Vorjahr um fünf Ränge ab. Hintergrund sind die Attacken gegen Medienschaffende, von denen es so viele gab wie noch nie zuvor.

Für eine Dokumentation hatte Denić etwa schon auf sogenannten Querdenker-Demos in Deutschland gedreht und dort aggressive Stimmung erlebt: «Kaum hast du eine Kamera in der Hand, bist du automatisch entmenschlicht und ein Feindbild. Und die Leute gehen komplett anders mit dir um.»

Reihenfolge der Oscar-Preise steht noch aus

Bereits im Januar hatte «Istina» den Publikumspreis Mittellanger Film bei dem Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken gewonnen. Auch war er für den BAFTA Student Award in Los Angeles nominiert. Bei den Oscars selbst wird es am Tag der Preisverleihung noch einmal spannend.

Die je drei Preisträger in den Sparten «Animation», «Narrative» und «Dokumentarfilm» erfahren nämlich erst dann die Reihenfolge der Preise - Gold, Silber oder Bronze. Klar, es sei immer toll, Gold zu gewinnen, sagt die Nachwuchsregisseurin. Wichtiger sei ihr aber, dass das Thema ihres Films so viel Aufmerksamkeit bekomme, und überhaupt nach Los Angeles zu fliegen. Nur vor dem Jetlag habe sie Respekt.

Links

© dpa-infocom, dpa:231018-99-606200/3